Dr. Hande Hofmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität München (TUM). Ihre Spezialgebiete an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften sind Ernährung und Gesundheit, Sport und Immunsystem sowie Nahrungsergänzung und Sport. ISPO.com hat Hande Hofmann zum Interview getroffen. Ein Gespräch über Tagesbedarf, Timing und die positiven Effekte der „Train Low“-Methode.
ISPO.com: Frau Dr. Hofmann, das Wandern erfreut sich steigender Beliebtheit. Tagestouren auf bayerische Hütten wie Neureuth oder Tegernsee Hütte boomen. Aber, wie effektiv ist Wandern bezogen auf den Kalorienverbrauch? Können wir nach zwei Stunden gemütlichem Hüttenaufstieg ohne Reue den Kaiserschmarrn genießen?
Hande Hofmann: Das kommt auf die Person drauf an. Wenn man vom Freizeitsportler ausgeht, der mit einer geringen Intensität wandert, sprich: mehr spazieren geht, dann ist der Kalorienverbrauch entsprechend gering. Und dann reicht es tatsächlich nicht ganz zum leckeren Schnitzel mit Kartoffelsalat oder der großen Portion Kaiserschmarren. Aber man kann auch anders wandern gehen, mit einem guten Tempo.
Was wiederum gleich die Frage aufwirft, was ist ein gutes Tempo?
Auch hier kann man es nicht an einer Geschwindigkeit festmachen, sondern daran, wie fit die Person ist. Es gilt also, sich die Frage zu stellen: Wie fit bin ich und wie stark rufe ich meinen persönlichen Fitnessgrad ab?
Wie intensiv ist die Wanderung für mich persönlich, wie stark reize ich meine körpereigene Fitness aus. Wenn ich das mit einer hohen Intensität mache, dann verbrenne ich da schon signifikant viele Kalorien. Allerdings sprechen wir hier eher von einem Berglauf. Das hat dann nichts mehr mit dem klassischen Wanderbild zu tun, das wir kennen: gemütlicher Weg, langsames Tempo. Wenn ich neben der Landschaft und der Natur auch wirklich Kalorien beim Wandern verbrennen möchte, muss ich das Tempo anziehen.
Viele Freizeitsportler hadern damit, dass sie doch regelmäßig Sport treiben, beispielsweise Joggen gehen, aber ihre Fitness sich nicht weiter verbessert. Wie kommt‘s?
Grundsätzlich denke ich, dass sehr viele in diese Falle treten. Zwar sind diese Sporteinheiten, wie von Ihnen beschrieben, in gewisser Weise Training, aber der Körper muss sich nicht mehr anpassen. Sprich: Ich mache meinen Sport, was per se schon mal sehr gut ist, aber ich rufe an der Stelle lediglich mein vorhandenes Fitnesslevel ab.
Um im Körper eine Anpassung zu bekommen, muss ich meine Joggingrunden variieren. Beispielsweise indem ich längere Runden laufen oder die Intensität erhöhe. Beim Thema Intensität geht es nicht darum, dass man 30 Minuten durchgehend schneller joggen muss, sondern man kann im Intervall trainieren. Das reicht, dass sich die Herzfrequenz anpasst oder die Durchblutung erhöht wird, weil die Muskeln mehr Sauerstoff benötigen – dadurch zwinge ich meinen Körper zur Anpassung.
Die immer gleiche Parkrunde gilt es also zu vermeiden?
Wenn man Fitness und Kalorienverbrauch ankurbeln will, ja. Training treibt am Anfang immer stärker an, weil sich der Körper erst daran gewöhnen muss, aber nach einer gewissen Zeit erreicht der Körper so eine Art Plateau und an der Stelle muss man dann wieder etwas verändern.
Mythos Kalorienverbrauch – Ich treibe Sport, also esse ich?
Ja, auch hier tappen viele in die Falle, weil man sich denkt: Ich mache Sport, ich kann mehr essen. Viele gönnen sich mehr und genau das ist falsch, denn: Wenn man wirklich abnehmen möchte, dann ist es nicht nur die Bewegung, sondern dann muss man die „negative Anpassung“ der Ernährung im Auge behalten. Zwar hat man mehr Kalorien zur Verfügung, aber zur Gewichtsreduktion muss man am Ende des Tages mit einem Minus rausgehen. Andernfalls wird es nichts mit der Gewichtsreduktion.
Bleiben wir beim Thema „Essen“: Nehmen wir mal an, ich entwickle mich vom Einsteiger zum ambitionierten Hobbysportler. Dann suggerieren mir die Medien, dass ich ohne Nahrungsergänzungsmittel und eine spezielle Ernährung nicht weiterkomme. Stimmt das, oder erziele ich mit einer Banane ähnliche, vielleicht bessere Effekte?
Man muss das zweigleisig diskutieren. Grundsätzlich wissen wir, dass man über das Ernährungstiming für den Leistungsabruf ganz viel bewirken kann. Diese Ansätze kommen natürlich aus dem Leistungssport, können aber gleichermaßen für den Hobbysportler adaptiert werden. Hier geht es darum Lösungen zu finden, wie sich ein Sportler 24 Stunden vor einem Wettkampf ernähren soll, was er ein paar Stunden davor und während dem Wettkampf essen soll und wie man die Regeneration unterstützen kann. Das sind alles sehr wichtige Bausteine für einen Athleten.
Bleibt die Frage, ob diese strikten Ernährungspläne, auch Hobbysportler praktizieren müssen?
Nein, müssen sie nicht. Wenn ich ein- bis zweimal die Woche Sport mache, dann bekomme ich das mit meiner normalen Ernährung gut hin. Von Nahrungsergänzungsmitteln rate ich komplett ab, weil ich als Hobbysportler nicht so viel mehr verbrauche. Trotzdem ist es gut, wenn man sich auskennt, und weiß, wie man Lebensmittel so intelligent auswählt, dass der Körper immer optimal für das ausgestattet ist, was ich erzielen möchte.
Und wie sieht das konkret aus?
Genügend trinken, eine gute Zeit davor etwas essen. Die Mahlzeit sollte leichtverdaulich sein, sodass man keine Magenkrämpfe bekommt, also nicht zu fett und nur wenige Ballaststoffe. Nach der Sporteinheit, wenn man nicht abnehmen möchte, geht es ans Ausbalancieren: Kohlenhydrate und Ballaststoffe. Ich kann eine Banane essen und ein Glas Milch trinken.
Und wie kann ich über die Trainingseinheit meine Rezeptoren ankurbeln?
Indem ich den ich den Körper reize, beispielsweise mithilfe der Trainingsmethode „Train low“. Sie kommt aus dem Leistungssport, kann aber auch im Hobbybereich angewendet werden. Beispielsweise wenn ich in meiner Belastung den Fettstoffwechsel stärker nutzen möchte. Dann ist Train low dafür eine Möglichkeit.
Was bedeutet Train Low?
Vereinfacht dargestellt bedeutet es: Ich bringe meinen Körper in den Zustand, dass ihm etwas fehlt, dann trainiere ich und der Mechanismus, der das ausgleichen muss, muss sich anpassen.
- Über Nacht wird mein Leberglykogen abgebaut. Das bedeutet, dass die Kohlenhydratreserven der Leber abgebaut werden, damit mein Blutzuckerspiegel aufrechterhalten wird.
- Gehe ich dann morgens nüchtern in einer hohen Intensität joggen, wird mein Muskelglykogen angegriffen.
- Nach dieser nüchternen Sporteinheit esse ich kohlenhydratreduziert.
- Dann mache ich nachmittags noch mal eine Trainingseinheit und habe tagsüber keine Kohlenhydrate zu mir genommen.
- Dann hat mein Körper keine Kohlenhydrate zur Verfügung. Wenn ich ihm dann in der Belastung auch keine Kohlenhydrate zur Verfügung stelle über Getränke, dann muss er sich die Energie wo anders holen und es geht mehr in den Fettstoffwechsel.
- Nach der zweiten Trainingseinheit darf ich dann auch wieder Kohlenhydrate zu mir nehmen, am besten in Kombination mit Proteinen. So kann sich der Körper auch wieder gut regenerieren.
Zusammengefasst kann man es so sagen: Wir haben den Körper, was Kohlenhydrate angeht, auf Diät gesetzt, dann gehe ich in die Belastung und dann muss er stärker mit der Fettverbrennung arbeiten. Es geht nicht ganz isoliert, aber bei dieser Methode wird der Schwerpunkt auf die Fettverbrennung gelegt.
Wenn ich die „Train low-Methode“ einmal pro Woche in meinen Sport-Alltag einbaue, genügt das für mittelfristige Ergebnisse?
Ja. Darüber kann ich meinen Körper reizen.
Ebenfalls eine häufige Frage im Netz: Stoppt Alkohol die Fettverbrennung?
Wenn ich Alkohol getrunken habe, dann konzentriert sich der Körper mehr auf den Abbau des Alkohols, sodass andere Stoffwechselmechanismen darunter leiden. Deswegen blockiere ich mich selber, wenn ich Alkohol trinke und Sport mache, weil dann alles fehlgeleitet wird. Sprich: Wenn Alkohol im Blut ist, dann muss unser Körper entgiften und darunter leidet die Leistungsfähigkeit.
In Zeiten veganer Ernährung kommt immer wieder mal das Thema auf, ob vegane Ernährung besonders gut für die Regenerationsphase sei. Wie sehen sie das aus wissenschaftlicher Sicht?
Diese Diskussionen kann man momentan noch nicht führen, weil es schlichtweg noch keine wissenschaftliche Basis dafür gibt. Was mit der veganen Ernährung immer propagiert wird, sind Fallbeispiele. Das sind einzelne Personen, die eventuell einen positiven Effekt bei sich gesehen haben. Man kann aber nicht von Einzelpersonen auf die Bevölkerung hochrechnen, das funktioniert nicht. In der veganen Ernährung gibt es zu wenige Studien, zu wenige Langzeitstudien, oder überhaupt gut gemachte Studien. Da ist die Datenlage sehr schlecht. Hier scheue ich mich harte Aussagen zu treffen.
Was trinke ich am besten beim Sport? Was verleiht mir Flügel, wenn Sie so wollen?
Grundsätzlich ist der Hauptfaktor, wie schnell das Getränk vom Magen in den Darm abgegeben wird. Dies nennt man Magenverweildauer oder auch Magenentleerungszeit. Je dünner, im Fachjargon „Hypoton“ genannt, desto kürzer ist die Verweildauer. Leitungswasser und dünne Tees sind entsprechend schnell im Darm. Hypertone Getränke/Flüssigkeiten (also mit einem höheren osmotischen Druck) bleiben länger im Magen, kommen somit später in den Darm und von dort in den Körper.
Dazu zählen Kaffee oder Softdrinks. Was auch gerne von der Werbung suggeriert wird: Du nimmst einen Magnesium-Shot zu dir und schon geht`s besser. Das stimmt nur bedingt: Denn der Magnesium-Peak ist erst zwei Stunden nach Einnahme erreicht. Da sind viele Freizeitläufer schon wieder auf der Couch. Zudem vertragen viele diese hochkonzentrierten Shots nicht und bekommen Durchfall. Wenn man glaubt, dass man Magnesium hochdosiert benötigt, dann sollte man es vorher einnehmen.
Zum Abschluss des aufschlussreichen Interviews mit Dr. Hande Hofmann beantworten wir nachfolgend noch weitere Fragen zum Thema Abnehmen.
Ungefähr verbrennt man 30 bis 40 Kalorien bei 1.000 Schritten, also umgerechnet zwischen 300 und 400 Kalorien bei 10.000 Schritten.
Der Kalorienbedarf ist immer individuell. Entscheidend sind Faktoren wie die Körpergröße Gewicht, sportliche Ziele, Klaorienaufnahme und Kaloriendefizit. Das Kaloriendefizit sollte 10 Prozent von der täglichen Zufuhr betragen - bei 2.000 Kalorien pro Tag entspricht das einem Defizit von 200 Kalorien.
Wer viel Alkohol konsumiert, hemmt die Fettverbrennung und auch den Muskelaufbau.