Nachhaltigkeit/20.10.2020

Nachhaltige Kinderschuhe: Keen zeigt, wie es geht

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Keen setzt auch bei Outdoor-Schuhen für Kids auf eine möglichst umweltschonende und nachhaltige Produktion.

Die Schuhmarke Keen ist für ihr Engagement für einen bewussten, schonenden Umgang mit der Natur bekannt. Im Interview mit ISPO.com erklärt EMEA Produkt Direktor Selim Say wie die Outdoormarke Nachhaltigkeit in ihre Kinderschuhe bringt und Kindern weltweit wichtige Naturzeit ermöglicht. Er liefert Orientierungshilfen für einen umweltbewussteren Kinderschuhkauf und zeigt auf, wo der Konsument wirkungsvoll aktiv werden kann.

ISPO.com: Die Schuhproduktion ist ein komplexes Thema. Vor allem, wenn es darum geht, nachhaltig und mit sozialer Verantwortung zu produzieren. Wo setzt Keen in Punkto Nachhaltigkeit an?
Selim Say: Seit der Gründung von Keen im Jahr 2003 steht der achtsame Umgang mit der Umwelt im Fokus. Wir wollen unsere Produkte bewusster herstellen, unnötige Chemikalien und Materialien, die seit Jahrzehnten zum Standard bei der Fertigung zählten, eliminieren. Von der Erhöhung der Transparenz in den Geschäftsprozessen bis hin zur nachhaltigen Gestaltung der Schuhherstellung entlang der gesamten Lieferkette.

Unser Konzept heißt „Consciously Created“ (bewusst geschaffen). Eine Vielzahl von in den vergangenen Jahren eingeleiteten Maßnahmen haben schon dazu beigetragen, Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich halten zu können.

„Es liegt noch ein weiter Weg vor uns“

Können Sie konkrete Beispiele geben und welchen Effekt sie haben?
Gerne.

  • Durch die Umstellung auf eine PFC-freie, dauerhaft wasserabweisende Beschichtung wurde die Freisetzung von mehr als 150 Tonnen fluorierter Chemikalien in die Umwelt vermieden.
  • Mit der Umstellung auf eine natürliche, Biozid-freie Geruchskontrolle können jährlich rund sieben Tonnen schädlicher Biozide eingespart werden.
  • Über 95 Prozent unseres Leders stammt aus von der Leather Working Group (LWG) zertifizierten, umweltfreundlich fertigenden Gerbereien. Dadurch werden Ressourcen geschont und eine jährliche Frischwassermenge eingespart, die dem Volumen von über 200 olympischen Schwimmbecken entspricht. An einem unserer Produktionsstandorte mit mehreren Fabriken in Indien hat dieser geschlossene Regelkreislauf beispielsweise ganz konkret dazu geführt, dass das Trinkwasser für die Bevölkerung wesentlich sauberer wurde, weil die Verschmutzung von Flüssen und Grundwasser reduziert werden konnte.
  • Darüber hinaus verwenden wir verstärkt Fasern aus recycelten PET-Flaschen im Obermaterial und in der Wärmeisolierung. Das führt nicht nur zu Einsparungen im Wasser- und Energieverbrauch bei der Herstellung, sondern auch zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Durch das Recycling konnten bereits Millionen von PET-Flaschen davor bewahrt werden im Meer oder auf Mülldeponien zu landen.

All diese Technologien sind wichtige Meilensteine auf unserer Detox-Reise, die im Dezember 2019 durch die Verleihung des „Green Supply Chain Award 2019“ der US-amerikanischen Fachzeitschrift „Supply & Demand Chain Executive“ (SDCE) gewürdigt wurde. Wir haben also schon beachtliche Fortschritte erzielt, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Genau jetzt bringt Keen den Kinder Herbst-Winterschuh „Redwood“ auf den Markt. Wie kombiniert er Nachhaltigkeit und Funktion?
Der neue Redwood ist tatsächlich unser bislang nachhaltigster Kinderschuh. Und er ist hochfunktionell. Die Wärmeisolierung, in die auch umweltschonende Bambuskohle eingearbeitet wurde, hält Kinderfüße selbst bei bis zu -32 Grad warm. Das Obermaterial aus Nubukleder kommt von Gerbereien, die von der LWG, dem Goldstandard für verantwortungsvoll gefertigtes Leder, zertifiziert wurden. Dort wird mit innovativen Verfahren und einem geschlossenen Regelkreis gearbeitet, bei dem der Wasser- und Chemikalienverbrauch reduziert und die Abwasserverschmutzung vollständig beseitigt wird.

Um Wasser und Schmutz vom Obermaterial abzuweisen, setzt Keen sichere, hochwirksame PFC-freie Alternativen ein. Perfluorcarbone (PFC) stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, bauen sich nur sehr langsam ab und verbleiben in der Umwelt. Daher ist die Vermeidung dieser Chemikalie so wichtig. Für Trockenheit im Schuh sorgt eine wasserdichte Membran. Das Fußbett ist Biozid-frei.

Zur Geruchskontrolle werden Innensohlen herkömmlicherweise mit potenziell krebserregenden Bioziden behandelt, um Schweißgeruch verursachende Mikroben abzutöten. Wir setzen stattdessen ein natürlich vorkommendes Probiotikum ein, das sich bei der Geruchsbekämpfung als ebenso wirksam erwiesen hat, wie die stark umweltbelastenden chemischen Alternativen. Ein weiteres nachhaltiges Feature des Redwoods ist die dämpfende Zwischensohle, die direkt angespritzt wird und somit giftige Klebstoffe eliminiert.

Selim Say mit dem neuen Redwood, Keens nachhaltigstem Kinderschuh, auf der ISPO 2020.
Bildcredit:
Eva Doll

„Der Kunde muss sich informieren“

Können Sie Orientierungshilfen für Eltern geben, um möglichst nachhaltige und faire Produkte zu kaufen?
Zunächst einmal sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es viele Aspekte gibt, die unter den Begriff nachhaltig fallen. Angefangen bei Fairtrade, wo es eher um soziale Standards geht, die den Arbeitern gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen zusichern. Dann die Schuhe, die sich durch ökologisch unbedenkliche Materialien sowie eine umweltschonende Fertigung auszeichnen.

Eine weitere nachhaltige Variante ist die Langlebigkeit von Schuhen, also eine Erhöhung der Lebenszyklen. Denn einen hochwertig verarbeiteten Schuh kann man ohne Weiteres an nachfolgende Kinder „vererben“ und im Sinne der Umwelt ist Ressourceneinsparung durch Second Hand allemal sinnvoller als immer nur neue Ware zu kaufen. Somit ist es für den Verbraucher nicht so einfach, aus dem Angebotsdschungel wirklich nachhaltige Kinderschuhe herauszufiltern.

 

Eine gute Orientierungshilfe bilden händlerspezifische Nachhaltigkeitslabel stationär und online. Da nachhaltige Schuhe immer stärker nachgefragt werden, haben viele Händler ihre Aufgaben gemacht und bieten hier eine gute Beratung an, die vom Verbraucher auch eingefordert werden sollte.

Welche Kriterien sollten beim Kauf besonders berücksichtigt werden? 

  • Qualitativ hochwertige, umweltfreundliche Materialien (s.o.), die lange halten und somit idealerweise drei Lebenszyklen ermöglichen. Es ist aus unserer Sicht nicht nachhaltig, z.B. einen komplett ökologisch aus recycelten Materialien hergestellten Schuh zu wählen, wenn dieser eventuell schon nach vier Monaten Gebrauch kaputtgeht und weggeschmissen wird.
  • Direktangespritzte, statt geklebte Sohlen, eliminieren die Verwendung von giftigen Klebstoffen.
  • PFC-freie Beschichtung des Obermaterials
  • Auf unnötige Dekors aus Plastik (z.B. kleine aufgeklebte Figürchen auf dem Schaft o.ä.) verzichten. Gleiches gilt für nicht notwendiges Material wie Schleifchen, Glitter o.ä.
  • Keine Schuhe mit Leucht- oder Batterieelementen kaufen. Das ist Gift für die Umwelt.

Letztendlich steht eins über allem: Der Kunde muss sich informieren! Da führt kein Weg dran vorbei. Wir können als Unternehmen nur ein Angebot machen und den Verbraucher durch unsere gelebte Philosophie zum Mitmachen animieren. Uns gelingt das ganz gut, wie das immense Feedback aus unserer Fan-Community zeigt.

„Je mehr Interaktion mit dem Verbraucher desto besser“

Kann die Digitalisierung ein wichtiger Beschleuniger für das Thema Nachhaltigkeit sein? Und wenn ja: Wie macht Keen sich das zu Nutze und was hat der Konsument davon?
Die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass das Feedback der Verbraucher immer schneller und direkter kommt.

Für uns gilt: Je mehr direkte Interaktion es mit dem Verbraucher gibt, umso besser. Die Online- und sozialen Medien, Podcasts, YouTube, Mama- und Family-Blogs etc. sind meinungsbildend geworden und fordern uns als Hersteller zum direkten Reagieren auf. Kommunikation ist keine Einbahnstraße mehr.

Wir schätzen das sehr und haben darauf auch mit einem Ausbau unseres Fan-Service-Teams reagiert. Das Team setzt sich gewissenhaft mit Fragen und Anregungen auseinander und sammelt alles in einem Feedback-Pool. Er wird regelmäßig ausgewertet und fließt direkt in die Produktentwicklung ein.

Es gilt zudem als Unternehmen sehr transparent zu sein. Die Branche befindest sich in einem großen Umerziehungsprozess und das ist gut so. Tue Gutes und rede darüber bzw. lasse darüber reden.

Ökologische Verantwortung fördern

Keen fördert weltweit Umwelt- und Sozialprojekte. Gibt es Projekte speziell für Kinder?
Ja, die gibt es natürlich. Keens Engagement geht weit über die Produktentwicklung und eine nachhaltige Wertschöpfungskette hinaus. Wir wollen aktiv noch mehr für die Umwelt tun und etwas zurückzugeben. Wir wollen zum Schutz der Orte beitragen, an denen Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen.

Das 2013 ins Leben gerufene Spendenprogramm „Keen.Effect“ ist dabei elementar. Im Rahmen dieses Förderprogramms werden zahlreiche Projekte auf der ganzen Welt unterstützt und lokalen Nonprofitorganisationen unter die Arme gegriffen, die sich mit Umweltschutz oder sozialen Themen befassen.

Keen konzentriert sich dabei auf die Finanzierung von Projekten, die Kindern und jungen Menschen bis 18 Jahre die Natur nahebringen und deren ökologische Verantwortung fördern. Das Programm gewährt über einen Zweijahreszyklus bis zu 20.000 US-Dollar pro Projekt. 2019 wurden im Rahmen von „KEEN Effect Youth Grant“ 13 weltweite Projekte unterstützt, die mit knapp 220.000 Stunden dazu beigetragen haben, dass Kinder wieder mehr an die Natur herangeführt werden.

Naturerlebnisse mit Effekt: Keens Youth Grant Programm bringt Kinder weltweit in die Natur.
Bildcredit:
Keen Footwear

Was zeichnet die Projekte aus?
Egal, ob es sich dabei um ein Camp am Meer in Florida, ein Projekt mit Rangern am Mississippi-Fluss, urbane Outdoor-Aktivitäten in Washington oder London, eine „Young women empowering“-Initiative in Seattle oder Forest Champions Ausbildungen in Wales handelt: Bei allen von Keen unterstützten Projekten haben vor allem sozial benachteiligte Kinder die Möglichkeit, in und von der Natur zu lernen – und zwar in ihrem unmittelbaren Umfeld.

Draußen in der Natur zu sein, ist wie eine Art Therapie, die leider in zunehmendem Maße für so viele Kinder schwer zugänglich ist. Nur wenn Kinder wieder eine Verbindung zur Natur herstellen, können sie lernen sich für ihren Erhalt einzusetzen. Das kann ganz subtil oder gewaltig sein und sogar dazu führen, dass die Snapchat-Fütterung plötzlich ausbleibt.

Und zum Schluss: Verraten Sie uns konkrete Nachhaltigkeitsziele für die kommenden Jahre?
Corona hat uns etwas ausgebremst. Wir mussten schmerzlich erkennen, wie fragil die Wertschöpfungskette ist. Kann beispielsweise ein von uns zertifizierter Zulieferer von Schnürsenkeln aus Indien aufgrund des Lockdowns nicht liefern, stockt die Fertigung. Dann gilt es schnellen Ersatz zu finden. Ersatz, der ebenfalls unseren CSR-Kriterien entspricht. Das wird ein wichtiger Pfeiler werden in der Weiterentwicklung unserer Strategie.

Darüber hinaus gehen wir unseren Weg konsequent weiter und werden die gesamten Prozesse kontinuierlich optimieren. Auch die Etablierung von eigenen Fabriken wird ausgebaut werden. Im Bereich der Kinderschuhe wollen wir die Verwendung von nachhaltigen Materialien noch tiefer im Sortiment verankern und in die Breite entwickeln.

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