
Ein Brett, zwei Achsen und vier Rollen – mehr braucht es nicht, um lässig über die Straße zu surfen und entspannt um die Ecke zu kommen.
Boarden ist ein Lebensgefühl. Frank Sommer, Berliner und Pionier der Longboard-Szene, zum Beispiel war elf Jahre alt, als er seiner Schwester die Rollschuhe mopste und unter ihre Rollen ein Brett schraubte. Zwei Jahre später bekam er sein erstes Skateboard und begann er mit dem Surfen.
Limousinen unter den Boards
Vor 18 Jahren entdeckte Sommer das Longboarden. Seit 2010 führt der gelernte Bankkaufmann in Berlin ein Longboard-Geschäft. Die Kunden kommen aus aller Welt, die Szene ist gemischt – von der 20-Jährigen bis zum über 60-Jährigen ist alles dabei.
Longboards gelten als die Limousinen unter den Boards: Die Bretter sind nicht so quirlig wie Skateboards, sie laufen ruhiger, die Achsenabstände sind weiter, mit den dickeren Reifen surft man auch über Kopfsteinpflaster und holprige Straßen problemlos.
Besonders Anfänger schätzen das sichere Fahrgefühl. Als Faustregel gilt: Je länger das Board, desto bequemer die Fahrt. Und mit zwei Tritten gleitet man fünf bis sechs Mal weiter als mit dem Skateboard. Sommer: „Skater sind Trickser, die Spielchen machen, Longboarder sind Cruiser, die Wege im buchstäblichen Sinn erfahren.“
Snowboard für den Sommer
Longboards entstanden in den Fünfzigern in den USA. Dort sollen Surffans, die nicht am Wasser wohnten, Rollen unter ihre Bretter geschraubt und damit die Berge heruntergekoffert sein. Andere behaupten, das Longboard sei eine Erfindung von Snowboardern, die auch im Sommer ihrer Leidenschaft frönen wollten.
Geschichten hin, Geschichten her. Ursprünglich höchstens als Trendsportart gesehen, ist das Boarden heute nicht mehr wegzudenken. Anfang der Sechziger erlebten die Bretter einen ersten Boom, in den darauffolgenden Jahren ging es mit deren Beliebtheit auf und ab.
Mitte der Achtziger gab es dann den nächsten Schub, das Skateboard wurde Kult, Tony Hawk war der erste Skater, der in der Rampe Millionen verdiente. Die Urform des Skateboards, das Longboard, aber geriet darüber in Vergessenheit. Erst vor ein paar Jahren kam das Brett – zunächst in den amerikanischen Metropolen – wieder ins Rollen parallel zum Comeback der Surf-Longboards auf dem Wasser.
Vom Trendsport zum Geheimtipp mit App
Unbefahrene abschüssige Berg- oder Passstraßen wurden zu Geheimtipps, die App „Longboard Spot Finder“ listet weltweit die besten Longboard-Spots auf. Denn manch einer geht mit dem Brett auch auf Reisen wie die drei Amerikaner Adam Colton, Aaaron Enevoldsen und Paul Kent, die 2009 mit dem Longboard die Anden überquerte und im vergangenen Jahr Marrokko unter die Rollen nahmen und dabei in 40 Tagen 2000 Kilometer zurücklegten.
Es gibt auch Menschen, die fahren täglich mit ihrem Board zur Arbeit wie andere mit dem Fahrrad. Berufspendler werden heute nicht nur in Manhattan oder Chicago gesichtet, sondern auch in vielen europäischen Metropolen.
Zum Teil sollen Longboarder in solchen Massen auftreten, dass es zu Ärger mit anderen Verkehrsteilnehmern kommt.
Longboard als Transportmittel
In Kanada verteilt die Polizei Tickets an Longboarder, die auf abschüssigen Straßen mit 50 Stundenkilometern unterwegs sind und den Autofahrer auf die Nerven fallen. Wieder andere Longboarder nutzen ihr Brett zum Einkaufen und transportieren gleich mehrere Kisten Bier oder ganze Sofas quer durch die Stadt.
Longboarden ist angesagt. Das zeigen nicht zuletzt die vielen Film-Dokumentationen, besonders gelungen der vierteilige Film „Endless Roads“ der Longboard Girls Crew aus Madrid. Die sieben Freundinnen sind zwei Wochen mit ihren Longboards und einem kleinen Bus kreuz quer durch Spanien gefahren.
Kofferraum mit Platz für's Board
Ihre Reise durch kleine Küstenstädte, durch sensationelle Landschaften und über endlos lange Landstraßen präsentieren sie wie einen Roadmovie – immer auf der Suche nach Glück und Freiheit in Form von perfekten Turns und Slides. Sonne satt, hippe Musik und gute Laune inklusive.
Mittlerweile entdecken selbst die Autobauer die Longboards: Peugeot lässt in einem Werbefilm eine Gruppe von jungen Leuten einen Berg hinabdüsen, die Haare wehen, die Hemden flattern, die Rollen surren.
Unten angekommen empfängt die Skater ein Auto mit offenem Kofferraum, in dem sie zügig ihre Bretter verstauen und losfahren. Fragt sich nur, wie sie eigentlich auf den Berg gekommen sind.