Rennräder für Geländetouren mit breiteren, profilierten Reifen sind in Europa seit den 1960er Jahren als Querfeldeinräder im Einsatz. Heute fallen diese Räder in die Kategorie der Crossbikes. Hieraus entwickelten sich in den vergangenen Jahren Gravellbikes, die seit 2015 zunächst in den USA für Aufsehen sorgten und dann auch in Europa immer mehr Anhänger fanden.
Ein Pionier der Gravelbike-Szene ist die US-Marke Salsa, die aus dem Mountainbike- und Tourenräder-Bereich kommt. Nach und nach erweiterten auch Branchengrößen wie Specialized, Trek, Cube oder Giant ihre Modellpalette und entwickelten eigene Gravelbikes. Das geländetaugliche Rennrad für die Langstrecke ist heute bei vielen Hersteller fester Bestandteil des Bike-Sortiments.
Die Auswahl an Rädern für unterschiedliche Ansprüche und Budgets ist dementsprechend groß und Edelschmieden wie BMC aus der Schweiz, Stevens und Veloheld aus Deutschland setzten immer wieder neue Impulse.
Die Mischung macht’s! Gerade beim Gravelbike. Rennradfahrer sind mit einem Gravelbike nicht mehr allein auf glatte Asphaltstraßen angewiesen, sondern können auf ihrer Trainingsrunde auch Kieswege oder sanfte Waldtrails befahren. Für Mountainbiker sind die vielseitigen Bikes eine gute Ergänzung, wenn die Ausfahrt eher auf Kondition und längere Strecken als auf technische Trails und anspruchsvolle Downhills ausgelegt ist. Mit einem Gravelbike wird so aus dem wilden Geländeritt eine lange Offroad-Tour über Forstwege und steile Asphaltrampen. Gerade im abwechslungsreichen Terrain ist ein Gravelbike voll in seinem Element.
Rüstet man das Gravelbike zusätzlich mit Gepäckträger und Schutzblechen aus, wird das Rad zum sportlichen Tourenbike für mehrtägige Radwanderungen. Manche Hersteller rüsten zudem ihre Gravelbikes mit Nabendynamo und fester Beleuchtung aus, wodurch das Bike alltagstauglich wird.
Auf den ersten Blick sieht ein Gravelbike wie ein Rennrad mit breiten, profilierteren Reifen aus. Doch es ist nicht nur der Look, durch den diese Fahrräder auffallen. Gravelbikes darf man auch nicht mit einem klassischen Crossrad verwechseln. Ein Crossrad hat eine dynamische Geometrie mit flacher Sitzposition und ist eher für Wettkämpfe und Kurzeinsätze im Gelände konzipiert.
Beim Gravelbike ist die Sitzposition aufrechter als beim Rennrad oder Crossrad. Das Oberrohr ist kürzer, das Steuerrohr länger und der Lenkwinkel flacher. Das ist gerade bei Langstrecken und Mehrtagestouren angenehmer. Der flache Lenkwinkel und der durch längere Kettenstreben vergrößerte Radstand verbessern die Laufruhe und sorgen auf Trails für ein sicheres Fahrgefühl. Auch das Tretlager liegt beim Gravelbike konstruktionsbedingt etwas tiefer als beim Rennrad. Dadurch wandert der Schwerpunkt nach unten, was das Handling im Gelände zusätzlich erleichtert.
Einige Hersteller verbauen leichte Dämpfungs- und Federelemente. Diese werden zum Teil in das Steuerrohr oder die Sattelstreben integriert und sollen den Fahrkomfort auf Schotter und Trails verbessern.
Beim Rahmen hat man die Wahl zwischen Alu, Stahl und Carbon. Für einen Carbonrahmen spricht sein geringeres Gewicht. Doch preislich liegen Räder aus Carbon deutlich über den Aluminium- und Stahlvarianten. Die im Rahmen verbauten Materialien beeinflussen auch die Fahreigenschaften.
Carbonrahmen sind steifer und dämpfen somit weniger als Aluminium- oder Stahlrahmen. Schlussendlich ist es also nicht nur eine Frage des Budgets, für welche Bauart man sich entscheidet, sondern auch eine Frage der persönlichen Vorlieben.
Die Reifen der Gravelbikes sind in der Regel zwischen 30 und 55 Millimeter breit und mit einem geländetauglichen Profil ausgestattet. Bei der Laufradgröße wird von den Herstellern derzeit die gesamte Bandbreite von 26 , 27,5, 28 und 29 Zoll angeboten. Dabei sind die vom klassischen Mountainbike inspirierten Reifen mit 26 und 27,5 Zoll wendiger und flinker. Laufräder mit 28 und 29 Zoll schlucken Schlaglöcher besser, rollen leichter über Hindernisse und sorgen für mehr Fahrkomfort und Tempo.
Auch Tubeless-Systeme sind bei Gravelbikes verbreitet. Warum? Ohne Schlauch, der gegen Durchschläge anfällig ist, kann so mit einem sehr niedrigen Luftdruck gefahren werden – das erhöht den Fahrkomfort und die Traktion im Gelände.
Scheibenbremsen gehören bei Gravelbikes zum Standard. Das hat einen einfachen Grund: Bei Regen und viel Matsch oder bei hoher Zuladung auf Mehrtagestouren verfügen sie über eine bessere Performance als klassische Felgenbremsen. Günstige Modelle haben mechanische Scheibenbremsen, höherwertige Bikes nutzen hydraulische Scheibenbremsen.
Auch hier entscheidet der jeweilige Geschmack, und die Hersteller bieten diverse Ausstattungen an: Von der klassischen Rennradübersetzung 2×11 mit Kompaktkurbel (50/34) über die Crossradübersetzung 2×11 (46/36) bis hin zu den 1-fach-Schaltungen (1×11 oder 1x12) . Die 2-fach-Variante sorgt für eine feinere Abstufung, während die 1-fach-Variante Gewicht und Wartung spart und mit nur einem Schalthebel ein leichteres Handling ermöglicht.
Fahrräder mit E-Motor gibt es auch im Segment der Gravelbikes. Gerade auf längeren Etappen und auf anstrengenden Mehrtagestouren mit Gepäck zahlt sich ein E-Motor aus. Das etwas höhere Gewicht wirkt sich nicht negativ auf die Fahreigenschaften im Gelände aus. Denn der E-Motor sorgt nochmals für ein Absenken des Schwerpunkts und so für ein ausgewogenes Bikehandling auf Wurzelpassagen und Trails.
Auf Schotter, Waldwegen und Forstwegen kommen E-Gravelbikes ebenfalls bestens zurecht, rollen unbeschwert bergauf und sorgen bei Steilauffahrten für den gewünschten Extra-Schub. Mit Reichweiten von über 100 Kilometern steht einer langen Bergetappe mit dem Gravelbike nichts im Wege. Allerdings sorgt ein E-Motor nicht nur für zusätzliche Power, sondern auch für einen deutlich höheren Preis.
Ein Einsteigermodell mit solider Ausstattung gibt es ab etwa 900 Euro. Wer tiefer in die Tasche greifen möchte, kann je nach Ausstattung und Material auch bis zu 5.000 Euro und mehr ausgeben. Die Einsteigermodelle verfügen bereits über hochwertige Alu- oder Stahlrahmen sowie gute Komponenten, die vielleicht etwas mehr wiegen, dafür jedoch funktional überzeugen. Hier liegt das Gewicht meist bei über zehn Kilogramm.
Wer über 2.000 Euro für sein Gravelbike ausgeben möchte, kann bereits über einen Carbonrahmen nachdenken. Carbon-Modelle haben ein Gewicht zwischen 8,5 und 9,5 Kilogramm. Allerdings: Carbonrahmen haben oft keine Gewindeösen zur nachträglichen Montage von Schutzblechen oder Gepäckträgern.
Bei E-Gravelbikes geht es ab 2.000 Euro aufwärts los – und für ein E-Leichtgewicht aus Carbon kann man durchaus an die 10.000 Euro ausgeben. Grundsätzlich spielt das Gesamtgewicht beim Gravelbike keine so entscheidende Rolle wie etwa beim Rennrad, wo im Highend-Bereich jedes Gramm eingespart wird. Wichtiger sind hier die Vielseitigkeit und der sportliche Fahrkomfort – ob mit oder ohne E-Motor.