Radwandern – für viele Outdoor-Sportler der Inbegriff von Freiheit, Natur und entspanntem Abenteuer. Die Assoziationen können aber auch deutlich negativer Ausfallen: langweilig, schwerfällig, langsam und nicht wirklich in der Natur.
Beide Sichtweisen sind nicht zwingend falsch, es kommt letztlich eben darauf an, wie viel Freiheit es denn generell auf einem Rad-Abenteuer sein darf. Wer den Freiheitsgrad ausreizen will, für den ist Radwandern sicher nicht das Richtige. Stattdessen dürfte der neue Trend Bikepacking den Nagel auf den Kopf treffen.
Denn Bikepacking ist nicht nur Radwandern als Anglizismus verkleidet, sondern tatsächlich eine ganz neue Art, die Natur mit dem Rad zu erkunden. Auch auf der OutDoor by ISPO vom 12. bis 14. Juni erfahrt ihr, was hinter der Bewegung steckt und was das Equipment zu bieten hat.
ISPO.com stellt den immer beliebteren Trendsport vor, gibt Tipps für die Ausrüstung und empfiehlt Abenteuer für den Sommer.
Kurz gesagt: Bikepacking ist die Ultra-Light-Variante des Radwanderns. Statt der klassischen „6-Taschen-Variante“ mit zwei Satteltaschen, zwei Taschen am Vorderrad, Gepäckstück am Lenker und Gepäckträger wird beim Bikepacking so wenig wie möglich mitgenommen (dazu später mehr im Detail), um maximale Geländegängigkeit zu ermöglichen.
Dieses Prinzip leitet direkt zum nächsten Unterschied über. Während Radwandern überwiegend auf asphaltierten Straßen oder Forstwegen stattfindet, bewegen sich die Bike-Packer auch auf Single-Trails und erweitern so ihren persönlichen Abenteuerspielplatz enorm. Die neue Leichtigkeit des Seins hat einen weiteren Vorteil, denn wer weniger Gewicht mit sich herumschleppt, ist nicht nur wendiger im Gelände, sondern auch schneller unterwegs.
Schnell auf dem Asphalt, flexibel in der Ziel- und Streckenwahl und dementsprechend ohne Luxusartikel auf dem Fahrrad unterwegs. Weniger ist mehr: eine Biwak-Ausrüstung, etwas Wechselkleidung und etwas Werkzeug für das Bike sollten genügen. Aus diesen Komponenten ergibt sich auch in der Dauer der Trips der deutlichste Unterschied zum Radwandern.
Bikepacking eignet sich hervorragend für Micro-Adventures, also Mini-Abenteuer. Eine Übernachtung, sogenannte Overnighter, oder ein Wochenende in der Natur mit maximalem Freiheitsgrad sind die Paradedisziplin für das Bikepacking. Wer keine großen Ansprüche in punkto Luxus hat, kann natürlich auch deutlich länger unterwegs sein.
- Bike: Am besten eignet sich zum Bikepacking die neue Gattung der Gravel-Bikes, die einerseits auf Asphalt durch ihre nicht ganz so breiten Geländereifen immer noch gut rollen, durch ihre Geometrie auf der anderen Seite aber auch im Gelände guten Komfort liefern. Zudem sind Gravel-Bikes mit vielen Befestigungsmöglichkeiten direkt am Rahmen ausgestattet. Prinzipiell taugen aber natürlich auch Mountainbikes, Rennräder, Cyclocrosser oder sogar Fatbikes für das Bikepacking, jedoch müssen dann in manchen Bereichen Abstriche in Kauf genommen werden.
- Taschen: Prinzipiell gibt es drei Stellen, an denen Taschen am Bike optimal für das Bikepacking angebracht werden können: eine unter dem Sattel, eine am Oberrohr des Rahmens und die Dritte am Lenker. Brauchbare Taschen gibt es natürlich von den großen Herstellern wie Ortlieb, Apidura oder Vaude, wer es etwas exotischer mag, kann sich auch bei den Italienern von Miss Grape oder Gramm aus Berlin mit Taschen eindecken.
- Ausrüstung: Je nachdem wie minimalistisch das Abenteuer werden soll, kann die Packliste variieren, darum hier wirklich nur die Essentials: Biwak-Ausrüstung, GPS-Navigation oder Karten, Werk- und Flickzeug, Ersatzschlauch, Multitool, Erste-Hilfe-Set, WC-Ausstattung, Wechselkleidung, Regenausrüstung, Nahrung, Licht, Bargeld, Mobiltelefon, Powerbank.
Noch mehr Know-how und das perfekte Equipment zum Bikepacking gibt es auf der OutDoor by ISPO vom 12. bis 14. Juni!
Gerade am Anfang eignen sich Fernwanderwege ganz gut, um ein Gefühl für das Bikepacking zu bekommen. Vor allem die Navigation sollte sitzen, bevor man sich wie Extremsportler Anton Krupicka in die Wildnis verabschiedet. Im Prinzip gilt aber immer: Du machst dein eigenes Abenteuer, geh raus und fahr los!
Ein Beispiel für eine zweitägige Einsteiger-Tour wäre zum Beispiel vom Tegernsee über den Spitzingsee zum Schliersee. Die Tagesetappen sind nicht zu lang, das Terrain ist abwechslungsreich und reicht von Asphalt über Forstweg bis hin zum Trail. Die Zivilisation ist im Notfall immer recht nah und die Wege sind immer gut ausgeschildert.
Für die diejenigen Biker, die die Kennenlernphase längst abgeschlossen haben und Bikepacking mehr als nur ein Micro-Adventure sein soll, hat ISPO.com noch ein paar der schönsten Rennen weltweit parat.
Aber bitte nicht vergessen: Bei Bikepacking-Rennen geht es weder um Preisgeld noch um Pokale. Jeder fährt sein eigenes Tempo, das individuelle Abenteuer steht im Vordergrund. Self supported ist wichtiger als schnell ankommen, Abkürzungen sind gegen den Ehrenkodex. Spaß steht immer vor Ehrgeiz.
- Bikepacking Trans Germany: Von Basel zum Kap Arkona, 652 km durch Deutschland. 20.000 Höhenmeter über Aspahlt, Feldwege, Wurzeln und Sand. Keine Startgebühr, kein Preisgeld. Teilnehmerzahl unbegrenzt.
- Torino-Nice Rally: Etwas mehr als 700 km von Turin nach Nizza über alte Militärstraßen und Alpenpässe. Unter anderem stehen der Colle delle Finestre, der Colle dell’Agnello und die Strada dell’Assietta auf dem Programm.
- Three Peaks Bike Race: Was zunächst recht machbar klingt, entpuppt sich schnell als richtiges Biest. Von Wien nach Barcelona, circa 2000 Kilometer durch Europa. Die Route muss selbst gewählt werden, lediglich die drei Gipfel müssen absolviert werden. 2019 mussten das Stilfser Joch, der Colle delle Finestre und der Ordina-Arcalis in Andorra überquert werden.
- Kiwi Brevet: Wer es etwas exotischer mag und für den Reise-Strapazen vor den Bike-Strapazen kein Problem sind, der kann sich für das Kiwi Brevet auf Neuseelands Südinsel anmelden. Das Rennen findet alle zwei Jahre statt und führt über eine 1111 Kilometer lange Schleife über 20.180 Höhenmeter durch die atemberaubende Natur der Insel.
- Silk Road Mountain Race: Etwas besser zu erreichen, aber definitiv nicht minder anstrengend ist dieses Rennen. 1700 Kilometer und circa 26.000 Höhenmeter durch die abgeschiedene Wildnis Kirgisistans. Entlang der alten Seidenstraße geht es von Bischkek nach Tscholponata am Yssykköl-See. Eines der vielen Highlights dürfte sicher der Tong-Pass auf über 4000 Metern sein.