Nach einer Weltreise starteten Gründer Yoram „Yoki“ Gill und seine Ehefrau Danielle 1989 mit der Produktion von Reiseaccessoires ihr eigenes Business. Zwei Jahre später brachte das kreative Couple aus Israel Outdoorsandalen auf den Markt. Innovative Trinksysteme folgten. 1991 stellte Source erstmals auf der ISPO Munich aus. Auch 2019 war das eigentümergeführte Unternehmen mit einem Stand auf der Outdoor by ISPO vertreten. Johanna Stöckl hat für ISPO.com die Firmenzentrale in Israel besucht.
Tirat Carmel heißt das 10 Kilometer südlich von Haifa gelegene 22.000-Einwohner-Städtchen, in dem seit 1995 das Headquarter von Source samt dazugehöriger Fabrik auf einem 10.000 Quadratmeter großen Areal beheimatet ist. Die Kleinstadt im Ballungszentrum Haifas erstreckt sich zwischen Mittelmeerküste und dem hügeligen Hinterland des 84 Quadratkilometer großen Naturschutzgebietes der so genannten Karmelhöhen.
Hier also schlägt das Herz von Source, einer Outdoor-Brand, die es als smarter Underdog auf ihren Spezialgebieten längst mit den großen Playern der Branche aufnehmen kann. Source produziert hochwertige Outdoorsandalen und ausgeklügelte Trinksysteme. 250 Mitarbeiter sind am Firmensitz beschäftigt. Viele arbeiten seit über 20 Jahren für das Unternehmen. Näherin Manal, erfährt man, ist als Angestellte erster Stunde seit 30 Jahren mit an Bord.
Verteilt auf zehn Hallen fertigen hier Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichsten Glaubens die Produkte von Source. „Unsere Company bildet als Mikrokosmos die israelische Gesellschaft ab. 47 Nationalitäten sind bei uns beschäftigt“, sagt Gründer Yoram Gill, den hier alle „Yoki“ nennen.
Der Gründer erscheint leger gekleidet zum Interviewtermin. Olivegrüne Hose, blaues Hemd, bequeme Schuhe. Die grauen Haare nach hinten gebunden. Einer der erfolgreichsten Unternehmer Israels könnte auf den ersten Blick auch als Zen-Meister, mindestens jedoch als tiefenentspannter Yogi durchgehen.
Gill spricht bedacht und mit leiser Stimme. Im Laufe des Gespräches fällt beiläufig ein Satz, der wohl als Lebensmotto verstanden werden muss: „Simplicity is the best solution“ (Einfachheit ist die beste Lösung). Weil das Einfache die beste Lösung ist, sich in der Reduktion mitunter Erfolg bzw. Glück begründen, hat der 60-jährige Autodidakt den Leitsatz nicht nur auf seine mehrfach ausgezeichnete Produktpalette, sondern konsequenterweise auch gleich auf sein Leben übertragen.
Bis vor ein paar Jahren lebte Gill samt Familie im nahen Künstlerdorf En Hod spartanisch in einer Jurte. Seiner heute 21-jährigen Tochter zuliebe hat er etwas oberhalb dann doch ein einfaches Haus gebaut und für sie WLAN installieren lassen. Die verwendeten Materialen beim Bau: Natursteine aus dem Garten, Lehm, Hanf, Ton und Holz. Gill fährt ein Elektroauto. Auf Flugreisen verzichtet er gänzlich.
Wie befreiend und erfüllend ein reduziertes Leben sein kann, haben Yoki Gill und seine Frau Danielle, die sich im Unternehmen vorrangig um soziale Belange kümmert, in jungen Jahren auf einer mehrjährigen „Grand Tour“ durch USA, Kanada, Japan und Südamerika erfahren. „Alles, was wir brauchten, passte in zwei 15-Liter Rucksäcke. Die Reise hat unser Leben nachhaltig verändert.“
Zurück in Israel beschloss man, sich selbständig zu machen. Erste Visionen – einen Outdoor-Shop zu eröffnen oder Guidebooks für Weltenbummler herauszugeben – wurden zugunsten einer viel größeren Idee verworfen: der Entwicklung von hilfreichen Reiseutensilien und hochwertigem Outdoor-Equipment. 13-jährig erhielt Yoki anlässlich seiner Konfirmation, der „Bar Mizwa“, immerhin so viel Geld geschenkt, dass sich der passionierte Tüftler eine Nähmaschine leisten konnte: „Nähen ist interessant, weil man zweidimensional arbeiten muss, um eine dritte Dimension zu erzeugen.“
In einer 1-Zimmer Wohnung in Tel Aviv entstanden auf eben dieser Maschine vor 30 Jahren in Handarbeit erste Fabrikate: Bauchtaschen, Walkman-Bags, Regenponchos etc. Beliefert wurden drei Shops, die von Gills Unikaten überzeugt waren. Selbst genähte Gürtel-Portemonnaies, groß genug, um darin auch Pässe zu verstauen und faltbare Waschbeutel entwickelten sich zum Verkaufsschlager. Groß die Nachfrage: Alleine 40 Kulturbeutel zum Aufhängen mussten täglich im Apartment in Tel Aviv produziert werden.
1989 war Source also geboren. Der Firmenname leitet sich vom hebräischen Wort „Shoresh“ ab und bedeutet so viel wie Quelle, Ursprung bzw. Wurzel. Das von Yoki Gill seinerzeit auf einem Notizblock entworfene Logo – eine stilisierte Lotusblüte – hielt sich bis 2010. Mittlerweile hat sich das Markenzeichen geändert: Auf blauem Hintergrund erscheint der Schriftzug „Source“ in Weiß. Der Claim „Vagabond Systems“ wurde 2010 durch den Slogan „Human.Nature“ ersetzt.
1991 brachte Yoki Gill die erste Trekkingsandale auf den Markt. „Dieser Schritt war naheliegend. Israel ist eine Sandalen-Nation.“ Sandalen mit dem patentierten X-Strap-Riemensystem sind bis heute ein Kernprodukt von Source. Was die bequeme Sandale ausmacht? Ein durchgehender Riemen, gummierte antibakterielle EVA-Sohle, Klettverschluss. Durch das Riemensystem mit sechs Ankerpunkten können die Fersen- und Spannriemen zudem unabhängig voneinander bewegt werden. 1200 Paar werden täglich in der Fabrik gefertigt. Alleine auf dem Heimatmarkt werden jährlich 200.000 Stück verkauft.
Als Israel im vergangenen Jahr 70 Jahre Staatsgründung feierte, ermittelte das Wirtschaftsministerium in einer Konsumentenumfrage „das beliebteste Produkt des Landes“. Die Wahl fiel auf Source Sandalen. Das luftige Schuhwerk ist in Israel derart populär, dass der Markenname längst auch zum Gattungsbegriff wurde. Die Kult-Schlappen haben mittlerweile auch die Laufstege Israels und als fancy Stilbruch die Hipster- und Fashionwelt erobert. Dass Yoki Gill mitunter der Zeit voraus ist, hat er mehrfach bewiesen. Source Sandalen werden nicht etwa in einem Karton, sondern seit 30 Jahren in einem farbigen Stoff-Schuhbeutel geliefert.
„1991 war ein entscheidendes Jahr für uns“, erinnert sich Yoki Gill, „wir stellten erstmals erfolgreich auf der ISPO Munich aus.“ Im Sortiment: Sandalen, Gürteltaschen, Kulturbeutel, Regenponchos und Lederrucksäcke. Im kleinen Büro des Firmengründers steht eine unscheinbare Kommode in der Ecke. Darin penibel nach Jahren geordnet, in Schubladen abgelegt: Fotos von wichtigen Ereignissen, Skizzen, Notizen, handgezeichnete Falt-Kataloge etc. Im Preziosenschrank findet sich u.a. ein Bild vom ersten Messestand in München. „Aufregend war das“, erinnert sich Gill, „als Start-up hatten wir wenig Geld. Der damalige Messestand musste in einen Koffer passen. Bambusstangen und Zubehör haben wir vor Ort gekauft.“
1993 ein weiterer Meilenstein in der Unternehmensgeschichte: Nach jahrelanger Entwicklungsarbeit kommt das erste Source Hydration Pack auf den Markt. Im Gegensatz zur Konkurrenz verwendet Source für seine Trinkblasen nicht Polyurethan, sondern Polyethylen, was einen großen Unterschied ausmacht: „Weil unser Material ähnlich glatt wie Glas ist, kann ein Festsetzen von Bakterien und die Bildung von Mikrofilmen ausgeschlossen werden“, erklärt Yoki Gill. Dadurch seien die Trinkblasen selbstreinigend. Aktuell erzielt Source 70 Prozent seines Umsatzes im Outdoorbereich mit Trinksystemen. Die Outdoorprodukte von Source sind mittlerweile in über 25 Ländern erhältlich. Darunter USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Schweiz, Australien, Südafrika und natürlich Deutschland, wo man mit Globetrotter und Intersport kooperiert.
- Source spendet jährlich fünf Prozent des Reingewinns an Tirat Carmel für soziale und ökologische Projekte. Von den Spenden hat die Kommune u.a. einen Kindergarten, der von Kindern aus sozial schwachen Familien besucht wird, renoviert.
- Das höchste Gehalt darf bei Source maximal das Fünffache des niedrigsten Lohns ausmachen.
- Geschäftsbücher und entsprechende Jahresabschlüsse liegen allen Mitarbeitern offen.
- Source verpflichtet neben der eigenen Company Lieferanten, Distributeure und Händler, ein Prozent des Umsatzes, den sie mit Source Produkten erzielen, an die firmeneigene Stiftung „Give One Chance Foundation“ für soziale und ökologische Projekte abzugeben.
- Auf den Dächern der Fabrikhallen sind Solarzellen installiert, überschüssiger Strom wird ins Netz verkauft, anfallender Müll in der einer Verbrennungslange recycelt. Seit 2019 wirtschaftet die Source Fabrik emissionsfrei.
- 2014 wurde Yoki Gill, der neben NGOs mittlerweile auch die lokale Politik in Wirtschaftsfragen berät, von der israelischen Handelskammer als besonders verantwortungsvoller Unternehmer ausgezeichnet.
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