ISPO Munich/15.07.2024

Sportmode im Wandel: Wie Sport und Mode sich beeinflussen

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Sport und Mode sind schon lange ein Dreamteam. Seit Jahrzehnten beeinflussen sie sich gegenseitig, lernen voneinander und sind zu einer schier unerschöpflichen Quelle für Innovationen und neue Trends geworden. Die traditionellen Grenzen zwischen den beiden Bereichen verschieben sich kontinuierlich. Sportmode – als Zentrum der Entwicklung – vereint Funktionalität und Stil wie kaum ein anderes Segment. Durch ihre Nähe zu Lifestyle und Popkultur prägt Sportmode nicht nur den Look von morgen, sondern auch die Haltung dahinter.

Den aktuellen Höhepunkt dieser fortwährenden Liaison zwischen Sport und Fashion haben die Olympischen Spiele in Paris veranschaulicht. Im Vorjahr hat der französische Luxusgüterkonzern Moët Hennessy Louis Vuitton (LVMH) einen aufsehenerregenden Sponsoringvertrag für die Olympischen und Paralympischen Spiele Paris 2024 unterzeichnet. Sensationelle 150 Millionen Euro zahlte das Unternehmen dafür, um gleich eine ganze Reihe von hauseigenen Marken im reichweitenstarken und emotionalen Sportumfeld prominent präsentieren zu dürfen. Damit rückt das Thema Sportmode noch stärker in den Fokus – nicht  nur die Medaillen werden vom LVMH-Juwelier Chaumet entworfen, auch die Uniformen ausgewählter Teams werden von den LVMH-Marken Louis Vuitton, Dior und Berluti gestellt.

Den ganzen Sommer über veranstalteten zudem zahlreiche Modehäuser der Gruppe Ausstellungen und Events rund um den Sport, und zum ersten Mal traten bei den Spielen von LVMH gesponserte Athlet*innen an, darunter der Weltmeister im Schwimmen Léon Marchand, die Europameisterin im Kunstturnen Mélanie de Jesus dos Santos und der olympische Goldmedaillengewinner im Fechten Enzo Lefort. Damit rückte auch das Thema Sportmode stärker in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. „Die ‚Premium‘-Partnerschaft zwischen LVMH und den Olympischen Spielen ist das bisher größte Zeichen für die neue Bedeutung des Sports für die Mode“, schreibt das US-amerikanische B2B-Modemagazin Business of Fashion anlässlich der Kooperation.

Von Gorpcore bis Blokecore: Die Mode feiert die Authentizität des Sports

Doch auch die Mode selbst hat in den letzten Jahren kaum eine Möglichkeit ausgelassen, ihre Affinität zum Sport zum Ausdruck zu bringen. Von Athleisure über Gorpcore, Tenniscore und Balletcore bis hin zum topaktuellen Blokecore – die Mode liebt diese plakativen, sportinspirierten Looks, die sich über Social Media rasend schnell verbreiten. Blokecore schaffte es mit seinen fußballinspirierten Outfits spätestens im EM-Jahr 2024 vom viralen Social Media Trend vom Sportplatz auf die Straße. Auch Tenniscore ist mit seiner Old Money Ästhetik, mit Poloshirts, Zopfmustern und Faltenröcken seit den letzten Saisons modisch ganz weit vorne – nicht zuletzt dank prominenter Unterstützung. Denn sogar Hollywood befeuerte das Thema Tennis mit dem Kinofilm „Challengers“, in dessen Hauptrolle der US-Megastar Zendaya als Tenniscoach zu sehen ist. (Ausgestattet wird der Film und seine Tennisszenen übrigens nicht etwa von Nike oder Adidas, sondern von den Luxusmodemarken Loewe und Longchamp.)

Urban Outdoor, Contemporary Outdoor, Gorpcore – oder wie auch immer man den Outdoor-inspirierten Freizeitlook gerade nennt – gehört mit seinen authentischen und derben bis hochtechnischen Looks zu einem der stärksten modischen Trends der letzten Jahre, der noch lange nicht ausgedient hat. Tatsächlich verkörpert Gorpcore ein neues Lebensgefühl der Gen Z, die sich nicht zuletzt als Folge der Pandemie nach Erlebnissen mit und in der Natur sehnt. Gorpcore und die neue Outdoorbewegung insgesamt sind daher weit mehr als nur eine kurzfristige Modewelle. Eher scheint es so zu sein, als ob Gorpcore gekommen sei, um zu bleiben – und einen festen Platz in der modernen Sportmode einzunehmen.

Collaborations leben von einem vielschichtigen Spannungsfeld

Die Verschmelzung von Sport und Mode hat in der Mode- und Sportindustrie einen tiefgreifenden Wandel verursacht. So haben in den letzten Jahren immer mehr Modemarken damit begonnen, ihre Kollektionen um Sportmode zu erweitern. Zum einen im Luxussegment: Kaum eine Luxusmodemarke kommt heute ohne Sportcapsule oder sogar ein eigenständiges Sportlabel aus. Aus Konsument*innensicht ist das nur logisch: Warum sollten sich Luxuskund*innen bei ihren sportlichen Aktivitäten mit Sportmarken begnügen, die vor allem im Mainstream positioniert sind? Zum anderen hat sich auch der Massenmodemarkt in Richtung Sport bewegt. Auch Fast-Fashion-Marken wie H&M oder Zara bieten Sportkollektionen an, weil deren sportliche Kund*innen modische Funktionsbekleidung suchen. Erst im Herbst 2023 hat H&M beispielsweise Reitsportbekleidung eingeführt.

Im letzten Jahr brachten Adidas und Prada ihren ersten gemeinsamen Fußballschuh heraus.
Bildcredit:
Adidas x Prada

Sportler*innen sind die neuen Superhelden der Mode

Der Siegeszug der Sportmode verläuft parallel zur wachsenden Begeisterung für Sportler*innen. Der französische Modedesigner Jean-Charles de Castelbajac hat einmal gesagt: „Sportler*innen verkörpern die ultimative Form des friedlichen Held*innen“. Sie stehen für positive Werte wie Teamgeist, Leistung, Fairness und Spaß, die in unserer Gesellschaft wichtig sind. Mit Sportler*innen können Marken Haltung und Purpose demonstrieren, ohne zu polarisieren oder Widerspruch befürchten zu müssen. Wiederum sind es zunehmend auch Modemarken, die sich der Athlet*innen für ihre Botschaften bedienen und ihren kommerziellen Wert erkennen. Laut der Unternehmensberatung PwC soll der Sportsponsoring-Markt von 63 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 109 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 anwachsen. Ein schönes Beispiel ist die neue Kampagne von Louis Vuitton mit den beiden Tennislegenden Roger Federer und Rafael Nadal. Statt auf dem Tennisplatz werden die beiden ehemaligen Kontrahenten als Weggefährten beim Bergsteigen fotografiert. Damit kreiert das Modelabel eine visuelle Metapher für ihre steilen Karrieren, ihren Ehrgeiz, aber auch ihren gegenseitigen Respekt, der hier sogar in Freundschaft mündet.

Die ehemaligen Tennis-Kontrahenten Federer und Nadal beim Bergsteigen in der aktuellen Louis Vuitton Kampagne.
Bildcredit:
Louis Vuitton

Verstärkt durch die sozialen Medien ist der Einfluss dieser Superheld*innen auf Mode und Gesellschaft stetig gestiegen. Heute wird genau beobachtet, was Sportler*innen in ihrer Freizeit oder auf dem Weg ins Stadion tragen. Das macht sie für Modemarken immer interessanter – vor allem im Kontext aktueller Sportmode, die längst über das Spielfeld hinaus wirkt. Als der italienische Tennisprofi Jannik Sinner mit einer Gucci-Tasche in Wimbledon erschien, was angesichts des strengen Dresscodes eine Überraschung war, ging das Bild durch alle Medien. Gleichzeitig werden Athlet*innen selbst zu Modeikonen, wie beispielsweise Basketballprofi LeBron James, der in der aktuellen Louis-Vuitton-Kampagne modelt. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, von Michael Jordan, der sich schon in den Achtzigerjahren von Kopf bis Fuß in durchdachten Outfits zeigte, bis Serena Williams, deren Catsuit-Outfit bei den French Open für Furore sorgte. Sie und viele weitere Sportler*innen gründeten nach ihrer Profi-Karriere eigene Labels, von René Lacoste bis Tom Brady.

Schließlich wollen inzwischen auch die Clubs die Strahlkraft des Sports modisch optimieren und heuern professionelle kreative Berater*innen an, um Produktdesign, Fanartikel und Kooperationen zu leiten. So entwirft beispielsweise Stella McCartney Trikots für den Londoner Fußballklub FC Arsenal.

Sportswear ist der beständigste Trend der letzten hundert Jahre

Sport hat schon immer den Komfort in die Mode gebracht. Wer einmal diesen Komfort erlebt hat, möchte nicht mehr zurück. Der Sportmarkt lebt von technischen Innovationen bei Materialien und Schnitten, und immer stehen ganz grundlegende physiologische Aspekte wie Bewegungsfreiheit und Schutz im Zentrum der Entwicklungen. Dass sich die Mode aus dem Repertoire des Sports bedient, ist daher kein neues Phänomen. Im Gegenteil: Ein Blick in die Modegeschichte der letzten hundert Jahre belegt, dass Sportmode und Sportler*innen immer wieder wichtige Impulse für die Entwicklung von Mode und Gesellschaft gegeben haben.

Bildcredit:
Mode Et Sport / Musée Des Arts Décoratifs Paris

„Sportswear ist der beständigste Trend der letzten hundert Jahre“, lautet sogar das Fazit einer neuen Arte-Dokumentation zum Thema Sportmode anlässlich der Olympischen Spiele in Paris. Das klingt durchaus plausibel: Basics wie Turnschuhe, Polohemden, Sweatshirts oder Daunenjacken sind Beispiele dafür, wie Sportprodukte vom Sport in die Mode wanderten und dort heute nicht mehr wegzudenken sind. Sogar Trainingsanzüge, Badelatschen, Leggings und Jogginghosen haben sich inzwischen aus den Sportstätten hinausbewegt und sind ein selbstverständlicher Teil der Alltagsmode geworden. Diese sportlichen Passformen, die Bewegung zulassen, und Stoffe, die pflegeleicht, dehnbar und atmungsaktiv sind, stehen symptomatisch für eine sich wandelnde Gesellschaft, in der Flexibilität, Leistung und Gesundheit immer wichtiger werden.

Händler*innen entdecken bei Zeitgeist by ISPO die Zukunft der Sportmode
Bildcredit:
Messe München GmbH