Der ewige Ole: Im vergangenen März hat Biathlet Ole Einar Björndalen seine Karriere beendet - im biblischen Leistungssportalter von 44 Jahren. Nach acht Olympiasiegen, 20 WM-Titeln und 135 Weltcupsiegen - Rekorde für die Ewigkeit. Schwer vorstellbar, dass der Perfektionist und Gleichgewichtskünstler - als Kind zog er sich in einer TV-Show auf dem Seil balancierend bis auf die Unterhose aus und wieder an - nicht mehr wettkampfmäßig durch die Loipe pflügt.
Nun ist er Mitglied der IOC-Athletenkommission, lebt in Osttirol, hat gemeinsam mit der Ex-Weltklasse-Athletin Darja Domratschawa eine zweieinhalbjährige Tochter – und bekommt nun den renommierten ISPO Pokal 2019.
Im Interview mit ISPO.com spricht der Norweger über seine Pläne nach der Profikarriere, den großen Reiz der ISPO Munich und Dinge, die der Sport von eSports lernen kann.
ISPO.com: Sie haben als Athlet alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, was bedeutet da eine Auszeichnung wie der ISPO Pokal für Sie?
Ole Einar Björndalen: Der ISPO Pokal bedeutet mir sehr viel. Wenn ich mir ansehe, welche anderen großen und berühmten Personen der Sportbranche ihn bereits bekommen haben, dann sagt das schon alles. Ich bin sehr stolz, dass ich als Sportler aus dem kleinen Norwegen solch eine Auszeichnung erhalte.
Vor Ihnen haben unter anderem schon Vitali Klitschko und Hermann Maier den ISPO Pokal bekommen. Genau wie die beiden sind Sie ein absoluter Charakterkopf, waren Athletensprecher und sind Identifikationsfigur. Fehlen diese Typen in der heutigen Sportwelt?
Nein, ich denke nicht, dass es an Charakterköpfen im Sport fehlt. Manche Sportlergenerationen haben mehr von diesen Typen und mache weniger. Und jetzt kommt wieder eine Generation, die sehr interessante Sportlerpersönlichkeiten hervorbringt, auch wenn das andere Typen sind als zu meiner Zeit. Vitali Klitschko und Hermann Maier waren da schon ganz besonders Charakterköpfe. Ob ich auch so jemand bin, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe aber immer versucht mein Bestes zu geben - ob in der Loipe oder abseits des Sports.
Derzeit genießen Sie viel Zeit mit Ihrer Familie. Wann und wo werden wir Sie im geschäftlichen oder sportlichen Umfeld wiedersehen? Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Derzeit versuche ich soviel Zeit mit der Familie zu verbringen, wie ich nur kann. Das ist nicht immer einfach, denn ich habe nach wie vor viele Termine und Meetings. Zudem arbeite ich als Experte im norwegischen Fernsehen. Und dann gibt es noch ein paar Projekte, über die ich aber noch nichts sagen kann, weil sie noch nicht offiziell sind.
Sie haben als Tüftler Ihre eigene Ausrüstung immer wieder aufs Neue perfektioniert und angepasst. Haben Sie nicht Lust, auch in Zukunft im Sportartikelbereich tätig zu sein?
(lacht) Ich war immer ein begeisterter Tüftler und arbeite gerne mit unterschiedlichen Materialien. In Zukunft werde ich vielleicht noch tiefer in die Sportartikelbranche einsteigen. Im Moment arbeite ich aber immer noch mit Madshus zusammen und bin Teil des Entwickler-Teams.
Welche Rolle spielt eigentlich die ISPO Munich für die aktiven Sportler?
Die ISPO Munich ist sehr wichtig für uns Sportler. Hier werden die neuesten Entwicklungen und Trends präsentiert und ich finde es immer sehr spannend zu sehen, was die Konkurrenz auf den Markt bringt. Für mich war es aber immer schwierig, die ISPO Munich zu besuchen, da die Messe mitten in der Saison lag und wichtige Rennen anstanden.
Auch Ihre Frau Darja Domratschewa hat ihre Biathlon-Karriere beendet. Hat der gemeinsame Ausstieg als Paar den Abschied vom Profisport leichter gemacht?
Als ich meine Karriere beendete, hatte sich meine Frau Darja noch nicht endgültig entschieden, ob sie aufhört oder weitermacht. Aber natürlich fällt es einem leichter aufzuhören, wenn man zusammen eine Familie und ein Kind hat.
Auf und neben der Loipe waren Sie für Ihren Perfektionismus berüchtigt. Sind Sie seit dem Karriereende nachsichtiger mit sich selbst geworden?
Ich glaube nicht. Wenn ich etwas mache, dann gebe ich immer hundert Prozent, auch heute noch. Das kann durchaus anstrengend werden, aber so bleibe ich motiviert und habe mehr Spaß am Leben.
Seit dem Beginn Ihrer aktiven Karriere hat sich die Welt des Sports massiv verändert. Eine zentrale Diskussion widmet sich der Frage, ob eSports Sport ist. Auch auf der ISPO Munich ist eSports vertreten. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
eSports ist die Zukunft und man sollte mit der Branche ins Gespräch kommen und zusammen den „normalen“ Sport weiterentwickeln. Beide Branchen können viel voneinander lernen. eSports auf der ISPO Munich? Hmm, warum nicht? Der normale Sport sollte vor eSports keine Angst haben!
Können traditionelle Sportarten von eSports etwas lernen?
Ja, ganz sicher. Der eSport ist sehr schnell in der Entwicklung und es arbeiten meiner Meinung nach sehr smarte Menschen in dieser Branche. Was eSportler leisten, ist fantastisch, deren Konzentrationsvermögen ist erste Klasse. Man kann viel davon lernen, wie sie ihren Sport medial vermarkten und wie modern sie ihn mit all den Grafiken und Videostreams präsentieren.
eSports ist Teil einer zunehmend digitalisierten Welt – für unsere Kinder ist das selbstverständlich. Sie haben auch eine junge Tochter, wie wollen Sie ihr zwischen all den Digitalangeboten die Freude und die Vorzüge von Sport näherbringen?
Ihr zu verbieten, am Computer zu sein oder eSports zu betreiben, ist der falsche Weg. Es ist mir wichtig, dass meine Tochter den Unterschied zwischen diesen zwei Arten von Sport versteht. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich habe sehr viel Erfahrung im „normalen“ Sport und meine Tochter kann hier viel von mir lernen. Vielleicht wird mir eines Tages meine Tochter eSports beibringen.
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