Digitalisierung/02.07.2018

Günter Althaus: Wie der stationäre Handel die digitale Transformation überlebt

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Die Digitalisierung ist ein existentielles Problem  für die kleinen Sportartikel-Läden – diese These vertreten zahlreiche Retail-Experten. Und tatsächlich wandern immer mehr Kunden in die Online-Shops ab. Als Präsident des Mittelstandsverbunds und CEO der ANWR Group (u.a. Sport 2000) kennt Günter Althaus die Sorgen der Händler allzu gut – und erklärt, weshalb und wie der stationäre Handel die digitale Transformation überleben wird.

Günter Althaus, CEO der ANWR Group, auf der ISPO Digitize Bühne. 
Günter Althaus, CEO der ANWR Group, auf der ISPO Digitize Bühne. 

Die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze ist längst geknackt, die Umsätze im deutschen E-Commerce für Sport- und Outdoor-Artikel wachsen und wachsen. Größeres Sortiment, ständige Verfügbarkeit, kulante Rückabwicklung – es spricht einiges dafür, dass dieser Trend anhalten wird.

Ist kein Platz mehr für die vielen kleinen Sportläden, die sich über Deutschland verteilen? „Wir haben zuletzt 600 Stores geschlossen. Und diese Entwicklung wird weitergehen, weil Überversorgung herrscht. Ich muss das so hart sagen: Weil manche Stores keine Existenzberechtigung haben“ – mit diesen schonungslosen Worten hat Günter Althaus auf der ISPO Munich 2018 für Unruhe bei vielen Händlern gesorgt. Althaus selbst spricht von einem „Shitstorm“, den er damals mit seinen drastischen Worten ausgelöst habe

Günter Althaus: „Totgesagte leben länger!“

Der 50 Jahre alte Manager ist als Vorstandsvorsitzender der ANWR Group für den Einkaufsverband Sport 2000 verantwortlich, dem rund 1.000 Händler mit mehr als 1.200 Sportgeschäften angehören. In seiner Keynote beim ISPO Digitize Summit wählte Althaus erneut klare Worte, die aber vor allem Hoffnung und Zuversicht vermitteln sollten. „Der stationäre Handel stirbt? Ich sage: Vorsicht! Totgesagte leben länger!“

Der stationäre Handel wird die digitale Transformation überleben, da ist sich Althaus ganz sicher. Weil der Sporthändler einen großen Vorteil habe, den Online-Shops nicht nachbauen können: „Es sind unsere Sinne. Fühlen, riechen, schmecken, tasten. Das ist etwas, das das Internet nicht nachbauen kann“, sagt der Manager.

Was er damit konkret meint? „Zum Beispiel beim Thema Fashion: Studien zeigen, dass bestimmte Farben beim Menschen eine emotionale Wirkung auslösen. Das geht aber nicht im Internet, weil es dabei auf die Einflüsse natürlichen Lichts ankommt.“

Fehler bei der Mitarbeiter-Förderung

Der wichtigste Faktor sei aber der Mitarbeiter im Sportgeschäft, sagt Günter Althaus. „Der USP werden die Mitarbeiter sein – das ist eine große Chance, aber auch die größte Herausforderung. Wir haben in den letzten 10, 15 oder 20 Jahren den Fehler gemacht, unsere Mitarbeiter nicht genug zu fördern.“

Damit meint Althaus ausdrücklich nicht Schulungen zu Produkten und Sport-Equipment. Ganz im Gegenteil. „Wir haben zu lange auf das Thema Fach-Know-how gesetzt. Wir haben unsere Mitarbeiter auf Fachschulungen geschickt, da haben sie viele Details über die Produkte gelernt. Aber das kannst du ja auch alles im Internet nachlesen.“



Umdenken bei Führungskräften nötig

Die Konsequenz: „Unsere größte Investition muss ins Personal gehen“, fordert Althaus. „Wenn wir das zu spät angehen, werden wir keine Chance haben, das beste Personal zu bekommen.“

Dazu sei auch ein Umdenken bei den Führungskräften nötig. „Es geht nicht ums Wissen, sondern ums Lernen“, mahnt Althaus. „Die Entscheidungen sind heutzutage so schnell, dass man jeden Tag dazulernen muss. Starre Hierarchien stehen innovativen Prozessen oft im Wege.“

Günter Althaus bei seiner Keynote auf dem ISPO Digitize Summit. 
Günter Althaus bei seiner Keynote auf dem ISPO Digitize Summit. 
Bildcredit:
Messe München GmbH

„Zusammenspiel macht Stärke von Sport 2000 aus“

Und wie soll sich der kleine Sporthändler den digitalen Herausforderungen stellen? Sicherlich nicht als Einzelkämpfer, meint Althaus. „Nicht zusammenzuarbeiten ist die größte Bedrohung, die der Mittelstand hat“, sagt er. Sport 2000 habe deshalb Strukturen im Onlinebereich geschaffen, von denen alle Mitglieder nachhaltig profitieren könnten.

„Wir haben große Datenbanken aufgebaut, in denen wir die Trends analysieren und daraus Vorhersagen für die Zukunft ableiten können“, erklärt Althaus. „Das Zusammenspiel aus Spezialisten und Generalisten hilft uns und macht unsere Stärke aus.“ Die kleinen Fachhändler könnten so frühzeitig Trends aufspüren, von denen dann auch die Generalisten profitieren. „Gemeinsam haben wir eine unschlagbare Power“, meint Althaus.

Sport 2000 baut an einem neuen Onlineportal

Auch im Bereich des E-Commerce will Sport 2000 in Zukunft noch stärker mitmischen. „Wir bauen an einem neuen Sportportal“, berichtet Althaus. „Wir sind siegessicher, weil wir beides mitgemacht haben: Wir kennen den stationären und den Online-Handel.“

Ziel sei es, so Althaus, den Konsumenten nachhaltig auf seinem Weg zu begleiten – offline und online. Wie? Zum Beispiel mit einem 3D-Fuß-Scanner, der vor Ort in den Läden die Daten sammelt und dann in ein Online-Kundenprofil lädt. „Der Kunde kann diese Daten immer wieder abrufen und nutzen“, sagt der Sport 2000-Chef. „Mit diesem Datenschatz binden wir Kunden an unser Portal.“

Sport 2000 möchte „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten

Wird dieses Konzept angesichts der riesigen Online-Konkurrenz aufgehen? Die Ausführungen von Günter Althaus beim ISPO Digitize Summit stießen jedenfalls auf positive Resonanz. Die Zahlen von Sport 2000 sind ja auch keinesfalls Besorgnis erregend. „Wir sind im ersten Halbjahr 2018 um acht Prozent gewachsen, obwohl wir einige Händler verloren haben“, sagt Althaus. „Es kommen ja auch neue hinzu.“

Eines ist ihm jedoch sehr wichtig: Es gehe Sport 2000 nicht darum, sich gegenüber den vielen Sportfachhändlern als Lehrmeister aufzuspielen, sondern „zu inspirieren, um sich dem Thema Digitalisierung zu stellen“, sagt Althaus. „Es geht darum, andere in die Lage zu versetzen, besser zu werden. Man kann es auch ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ nennen.“

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