Autor:
ISPO-Blogger Sandra Mastropietro

Pandemie, Home-Schooling und Eltern im Home-Office

Corona-Pandemie für Kinder und Eltern: Alles kein Kinderspiel!

ISPO-Bloggerin Sandra Mastropietro ist Trailrunnerin, Mentaltrainierin ... und Mutter. Derzeit muss sie, wie viele andere, Home-Office und Home-Schooling, Sport und genug Bewegung für ihre Tochter unter einen Hut bekommen. In Teil 3 ihrer Serie bei ISPO.com hat sie die perfekte Interview-Partnerin für die Bedürfnisse und Wünsche von Kindern in Corona-Zeiten gefunden: ihre achtjährige Tochter.

Marina und Sandra Mastropietro.
Marina und Sandra Mastropietro.

„Für Eltern ist es eine Kunst, alles zu registrieren, sich jedoch auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das erfordert, dass man Zeit miteinander verbringt.” Das schreibt der Familientherapeut Jesper Juul. Aber was ist das Wesentliche? Vor der Pandemie war diese Frage vermeintlich leicht zu beantworten. Es war die Zeit, die man als Familie – welche Konstellation auch immer das sein mag – zusammen verbrachte.

Und nun? Nun scheint das Wesentliche plötzlich allgegenwärtig. Auch bei der Arbeit aus dem Home-Office, die auf einmal mit Home-Schooling unter einen Hut gebracht werden muss. Und dann wäre da ja noch der Sport, der bei mir so wichtig ist und natürlich Bewegung und genug Zeit in der Natur für unsere Kinder. Doch wenn „wir Großen“ schon ins Straucheln geraten, wie fühlen sich dann erst „die Kleinen“? Und wie können wir es schaffen, allen gerecht zu werden?

Während ich also dasitze und mir im Rahmen der Recherche für meinen Artikel über Work-Life-Balance im Home-Office ein Interview mit dem Familientherapeuten Jesper Juul durchlese, kommt meine Tochter zu mir und beginnt, in mein „heiliges Notizbuch“ zu kritzeln. „Mama, wenn ich groß bin, möchte ich auch Geschichten schreiben”, sagt sie, als sie ein paar Worte auf ein Blatt Papier kritzelt und ich befinde mich in einem Zustand irgendwo zwischen „vor Rührung dahinschmelzen” und „nur eine halbe Stunde konzentriert am Stück arbeiten, bitte, bitte“!

Und dann kommt mir eine Idee, oder vielleicht auch eine Erleuchtung. Wer kann authentischer erklären, wie sich Kinder in dieser Ausnahmesituation fühlen, als ein Kind? So habe ich also ein Interview mit meiner achtjährigen Tochter geführt – und einige erstaunliche Antworten erhalten. Und dann haben wir noch ein Workout für Mama und Tochter erfunden. Doch lest selbst:

Sandra: Marina, was bedeutet Corona für dich? Ich meine nicht das Offensichtliche, wie Krankheit”, Virus” etc. - sondern so ganz allgemein. Woran denkst du, wenn du diesen Begriff hörst?
Marina: Für mich ist Corona ein anderes Leben. Ein Leben in dem ganz viel verboten ist und das ist doof, aber auch ein Leben in dem wir mehr Zeit haben. Das ist schön. Ich finde auch schön, dass wir Kinder jetzt so “alte Sachen” machen wie Steine bemalen und Briefe schreiben.

Wir verbringen gerade viel Zeit gemeinsam daheim, auch wenn das leider nicht heißt, dass wir unbedingt mehr spielen als sonst, da ich häufig am Computer bin/sein muss. Wie würdest Du Dir denn den Tag gestalten, unter Berücksichtigung, dass ich von zuhause arbeiten muss?
Also wenn ich an die Oster-Ferien zurückdenke: Dann darf ich morgens ausschlafen und du bringst mir das Frühstück ans Bett. Dann Entspannungsvormittag mit Hörspiel und ein paar Folgen einer Serie. Dann ist deine Mittagspause, da spielen wir im Hof Tennis oder Ball oder bauen einen Parcours, den wir dann überwinden müssen. Danach haben wir Hunger und machen uns Nudeln oder gar eine Dampfnudel. Dann ist kreativer Nachmittag. Ich schreibe an meine Freundinnen Briefe und male Bilder für Leute, denen es nicht so gut geht und du kannst arbeiten. Aber nur eine Stunde oder vielleicht auch zwei. Danach machen wir einen Spaziergang und werfen die Bilder in Briefkästen von alten Leuten, dass die sich freuen können. Und später kannst Du wieder arbeiten und ich telefoniere mit meinen Freunden.

Sandra: Das klingt fantastisch! Und wie machen wir das, wenn es wieder in die Schule gehen würde? Und wie denkst du darüber, dass die Schule jetzt schon so lange zu ist, freust du dich immer noch darüber?
(ernste Tonlage) Nein Mama, ich gehe wirklich gerne in die Schule und ich vermisse meine Klasse, meine Lehrerin und die Hofpause auf dem Klettergerüst und die Spiele. Es ist ja nicht wie Sommerferien, dass wir wegfahren und ich mich mit Freunden treffe. Es ist eher wie krank sein, ohne mich schlecht zu fühlen. Und manchmal fühle ich mich sogar ein bisschen krank, auch wenn ich es nicht bin. Das ist, weil ich meine Freundinnen so vermisse. Ich wünsche mir, dass wir nächste Woche vielleicht einfach morgens um 8 Uhr einen Videoanruf mit der Lehrerin und der Klasse machen können, und die uns dann ein bisschen erklärt. Die Matheaufgaben hast du auch gut erklärt, aber Frau Müller (Name geändert) hätte es bestimmt mit Kuchenstückchen oder Gummibärchen gemacht. Das ist viel lustiger. Und wenn das mit dem Videoanruf nicht klappt, dann kannst du mich ja trotzdem wecken, wenn du aufstehst und ich mache die Rätsel-App, das ist wie ein Aufgabenblatt in der Schule. Oder man macht es so, dass halt jeden Tag nur ein paar Kinder in die Schule dürfen, immer andere, sodass jeder mal war. Da kann man ja auch Abstand halten, wenn es kleine Gruppen sind.

Ja, die Rätsel-App ist cool, und die Mathe-App auch. Sag mal, wir sind ja sehr aktiv. Was findest du denn am besten und was würdest du denn gegebenenfalls anderen Kindern empfehlen, die sich auch langweilen?
Einen Parcours bauen! Das ist so lustig. Mit allem, was so in der Wohnung oder Garage rumsteht. Jeden Tag einen anderen. Und dann den Hampelmann-Rekordversuch, da war ich ganz k.o. danach und konnte gut “entspannen”. Außerdem finde ich toll, wenn wir gemeinsam joggen gehen. Oder wenn wir selbst Übungen erfinden! Eigentlich empfehle ich allen Kindern, das zu machen, was sie Corona für ein bisschen vergessen lässt. Bei mir ist das neben Sport mit dir auch noch Backen und dann so zu tun, als wären wir in einem Café.

Das ist ein schöner Abschluss, danke mein Schatz!

Ich möchte noch eine Sache mit den Eltern teilen, die das hier lesen. Führt als Familie ein Corona-Tagebuch, in dem ihr jeden Tag beschreibt, was ihr gemacht habt, was gut war, was schlecht und was ihr euch für den nächsten Tag vornehmt. Es ist eine besondere Zeit, die besondere Maßnahmen erfordert ... und im besten Falle werden wir das Buch in ein paar Jahren rausholen und uns mit einem Lächeln daran erinnern, was wir in dieser Zeit als Familie geschafft haben und wofür es sich jeden Tag lohnt, dankbar zu sein.
 

Abschließende Anmerkung der Autorin: Jeden Tag danken wir - absolut zurecht - allen Krankenschwestern, Logistikern, Verkäufern und sonstigen systemrelevanten” Berufen. Ich möchte meinen persönlichen Dank hier auf alle Kinder und Eltern erweitern. Danke für eure Geduld, euren Lebensmut und euer weitgehendes Verständnis!

Eure Sandra - und Marina :)
 

PS: Wer sich gewundert hat, was meine Tochter mit “Übungen erfinden” meint - hier die Auflösung

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