Judtih Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, verwiese gleich beim Betreten der Bühne auf die Realität: Der Sport wird in der Politik oft unterschätzt. Sie verglich ihn mit der Autoindustrie und erklärte
Die Automobilindustrie macht in Deutschland 150 Milliarden Umsatz, der Sport aber immer noch 70 Milliarden. Und das bei mehr als doppelt so vielen Beschäftigten.
Für Gerlach liegt das Problem nicht darin, dass der Sport keinen wirtschaftlichen Wert hat, sondern dass er bei politischen Entscheidungen selten die gleiche Dringlichkeit erfährt. Das liege zum Teil an der Wahrnehmung. Sie überlegte, dass Im Gegensatz zur Autoindustrie, die mit unmittelbaren Krisen konfrontiert ist, bricht der Sport nicht auf dieselbe Weise zusammen. Dennoch sollte das Fehlen einer Krise nicht bedeuten, dass keine Investitionen getätigt werden.
Die wirtschaftlichen Zahlen erzählen nur einen Teil der Geschichte. In Bezug auf die Gesundheit bietet der Sport eine der besten Investitionsrenditen (ROI), wie Gerlach die Zuhörer*innen erinnerte
Die WHO sagt, dass jeder investierte Euro fast vier Euro an Gesundheitskosten spart.
Sie betonte, dass die Herausforderung darin besteht, die Investitionen in den Sport wirklich wirksam zu machen. Laut Gerlach erfordert der Erfolg einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die Prävention im Mittelpunkt steht und der sowohl jungen Sportler*innen als auch einer alternden Bevölkerung zugute kommt.

Für Judith Gerlach besteht das große Ziel darin, von einem auf Heilung basierenden System zu einem System überzugehen, in dem die Prävention eine zentrale Rolle spielt. Sie wies darauf hin
Unser System scheint sehr auf den kurativen Faktor ausgerichtet zu sein. Das werden wir auf Dauer nicht mehr zulassen können.
Sie betonte auch, wie wichtig es ist, mehr Menschen aller Altersgruppen zu erreichen. Von Kindern bis zu Senioren, bevor gesundheitliche Probleme auftreten. In Bayern gibt es bereits Programme, die genau darauf abzielen. Ein Beispiel ist eine Gutschein-Initiative für über 50-Jährige, die Menschen aus gesundheitlichen und sozialen Gründen wieder in Sportvereine bringen soll. Gerlach fügte hinzu
Es geht darum, dass man auch im Alter mobil und aktiv bleibt.
Auch die jüngere Generation ist ein wichtiger Schwerpunkt. Gemeinsam mit dem Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) wurde erörtert, warum viele Mädchen in der Pubertät aus dem Sport aussteigen. Darüber hinaus wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Angebote attraktiver zu gestalten. Ziel war es, Programme und Umgebungen zu gestalten, in denen sich junge Frauen willkommen und engagiert fühlen.
Jörg Ammon, Präsident des BLSV, stimmte zu, dass Prävention als Zukunftsmarkt für den organisierten Sport gesehen werden muss. Er bemerkte
Wir haben die fittesten Senioren und die fittesten Junioren aller Zeiten.
Frühere Programme, wie die Gutscheine für den Schulsport nach der Pandemie, zeigen, wie gut durchdachte Maßnahmen Menschen wieder an regelmäßige Bewegung heranführen können. Gerlach und Ammon betonten, dass ein echter Fortschritt erzielt wird, wenn die Prävention als Kernstück der öffentlichen Gesundheit etabliert wird und nicht nur als sekundärer Zusatz.
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Eine der wichtigsten Ideen, die diskutiert wurden, war das bevorstehende Bayrische Sportgesetz, das körperliche Aktivität zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens machen soll, indem es den Sport enger mit Gesundheit, Bildung und Gemeinschaftsentwicklung verknüpft.
Ammon glaubt, dass dies ein notwendiger Schritt ist. Mit Blick auf andere Länder nannte er das Beispiel Finnlands als Inspiration:
Wie kommt es, dass in Finnland 80 % der 18-Jährigen Mitglied in einem Sportverein sind, während es in Bayern nur 40 % sind?
Ammon erklärte, die Antwort liege oft in den nationalen Gesetzen und der Politik, die den Sport von klein auf in den Alltag einbinden. Ziel des Bayerischen Sportgesetzes ist es, die Beteiligung aller Altersgruppen zu erhöhen, den Zugang zum Sport in Schulen und ländlichen Gebieten zu verbessern und die Prävention als Grundlage der öffentlichen Gesundheit zu stärken. Deshalb sollen die Menschen ein Leben lang sportlich und aktiv bleiben, wobei auch die Themen gesunde Ernährung und die Nutzung von Naturräumen für den Sport im Freien diskutiert werden, wie Ammann feststellte
Gesundheit hat viel mit Sport im Freien zu tun.
Prof. Dr. Susanne Burger, Vorstandsvorsitzende des BLSV, betonte, dass das Gesetz dazu beitragen soll, Bewegung in institutionelle Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Ganztagsgrundschulen zu integrieren. Sie betonte
Es ist sehr wichtig, dass in diesen Einrichtungen das einzige Thema Bewegung auch wirklich in der richtigen Form vermittelt wird.
Das Gesetz könnte bessere Ausbildungsmöglichkeiten für Sportpädagogen und Trainer eröffnen. Das wiederum würde das Bewegungsangebot für Menschen aller Altersgruppen erweitern, vor allem in ländlichen Gebieten, wo der Zugang zu vielfältigen Sportangeboten eingeschränkt sein kann.
Wenn es richtig gemacht wird, könnte das bayerische Sportgesetz ein Modell für die Verbindung von Gesundheit, Bildung und Gemeinschaftsentwicklung in einem einzigen, kohärenten Rahmen sein.

Als sich das Gespräch der Technologie zuwandte, gab Gerlach zu, dass ihr Hintergrund als Ministerin für digitale Angelegenheiten ihren Optimismus geprägt hat.
Wir können uns jetzt gegenseitig komplett verfolgen,
sagte sie halb scherzhaft. Tools wie Schrittzähler, Schlaftracker und VR-Fitnessprogramme können die Menschen dazu bringen, sich mehr zu bewegen, solange sie die Aktivitäten im echten Leben nicht ersetzen.
Sie erzählte, wie VR-Spiele Menschen vom Sofa holen können, die normalerweise nicht ins Fitnessstudio gehen würden. Sie warnte.
Es hilft, solange man sich der Notwendigkeit echter Bewegung bewusst ist.
Burger sieht die Digitalisierung als große Chance für Sportvereine. Über die Plattform"Verein 360" sind mittlerweile alle 11.500 bayerischen Vereine mit 350 Sportarten digital vernetzt. Dadurch können die Vereine bestimmte Zielgruppen besser ansprechen und maßgeschneiderte Aktivitäten für Mädchen anbieten, die möglicherweise andere Bedürfnisse und Interessen haben als Jungen.
Burger wies darauf hin, dass viele junge Menschen, wie ihre eigene Tochter, nicht aktiv online nach Sportangeboten suchen. Stattdessen neigen sie dazu, sich direkt mit Angeboten auf ihren Plattformen auseinanderzusetzen. Deshalbe hat der BLSV seine Strategie dahingehend geändert, Vereinsangebote proaktiv über digitale Kanäle zu verbreiten.
Gamification fügt Elemente wie Belohnungen, Fortschrittsverfolgung und Herausforderungen hinzu, um den Anreiz für Aktivitäten zu erhöhen. Burger betont, dass kleine, sichtbare Erfolge den Menschen das Vertrauen geben können, weiterzumachen. In Kombination mit der sozialen Anziehungskraft, die das Training mit anderen ausübt, können digitale Tools dazu beitragen, dass aus guten Vorsätzen konsequentes Verhalten wird.

Eine immer wiederkehrende Herausforderung ist dass Mädchen im Teenageralter oft den Sport aufgeben. Burger erklärte, dass Jungen häufig weiterhin Leistungssport treiben, während viele Mädchen im Alter von 12 bis 13 Jahren aufgrund körperlicher Veränderungen, sich entwickelnder Interessen oder begrenzter attraktiver Möglichkeiten aufhören.
Sie plädierte für mehr wettbewerbsfreie Aktivitäten wie Hip-Hop-Tanz, Cheerleading und Klettern. Burger stellte klar
Es ist nicht so, dass Wettkämpfe schlecht sind, aber nicht jedes Mädchen möchte an den Wochenenden zu Spielen fahren.
Gerlach fügte hinzu, dass auch der Zugang eine Rolle spielt. In ländlichen Gebieten ist der einzige Verein vielleicht ein Fußballverein, der nicht alle Mädchen anspricht. Sie erinnerte sich an ihre eigene Erfahrung, als sie Volleyball und Basketball erst nach dem Umzug an eine neue Schule entdeckte. Sie bemerkte
Die Herausforderung besteht darin, diesen Zugang zu schaffen, die Möglichkeit zu schaffen.
Auch die Sichtbarkeit ist wichtig. Gerlach betonte
Das Bild von außen ist immer noch sehr männlich.
Mehr weibliche Vorbilder, von Spitzensportler*innenn bis hin zu lokalen Trainer*innen, können junge Frauen dazu inspirieren, Sportarten auszuprobieren, die sie sonst vielleicht nie in Betracht gezogen hätten.
Beide waren sich einig, dass ein vielfältiges Angebot, die Förderung einer stärkeren Vertretung von Frauen und die Sichtbarmachung von Programmen, insbesondere über digitale Medien, eine entscheidende Rolle dabei spielen werden, junge Frauen aktiv zu halten und mit Sportgemeinschaften zu verbinden.

Sportvereine sind in hohem Maße auf Freiwillige angewiesen, aber es ist nach wie vor eine Herausforderung, jüngere Menschen, insbesondere Frauen, für Führungsaufgaben zu gewinnen. Burger erklärte, dass die Vorstände von Vereinen oft von älteren Männern dominiert werden, was die Notwendigkeit unterstreicht, die Eintrittsbarrieren zu senken und mehr integrative Möglichkeiten für die Teilnahme zu schaffen
Eine Initiative ist Ehrensache.cloud, eine Plattform, die Vereine mit Freiwilligen zusammenbringt und Aufgaben vom Coaching bis zur Unterstützung von Veranstaltungen anbietet. Die Nutzer*innen können Profile erstellen, ihre Fähigkeiten auflisten und werden automatisch mit Angeboten zusammengebracht. Dieser proaktive Ansatz soll vor allem jüngere Generationen ansprechen, die vielleicht nicht aktiv nach ehrenamtlicher Arbeit suchen, aber auf personalisierte Angebote reagieren.
Flexibilität ist ebenfalls entscheidend. Gerlach forderte die Clubs auf, die traditionellen Sitzungszeiten und -formate zu überdenken. Sie fragte
Muss es immer das letzte Hinterzimmer im abgelegenen Restaurant am Freitag um 20.00 Uhr sein?
Sie schlug hybride Treffen vor, die es Mitgliedern, die im Ausland studieren oder arbeiten, ermöglichen könnten, sich weiterhin zu engagieren.
Ammon stimmte zu, dass das Vertrauen in junge Führungskräfte wichtig ist. Er erzählte, dass seine Tochter dank der Online-Treffen an der Clubleitung teilnimm., die es ihr ermöglichen, Sport, Freiwilligenarbeit und andere Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen.
Eine Anpassung der Strukturen an die Lebensgewohnheiten der heutigen Jugend könnte den Unterschied zwischen dem Kampf um die Besetzung von Ämtern und dem Aufbau einer neuen Generation engagierter Sportleiter ausmachen.
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Bewegungsmangel ist nach wie vor eine dringende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit und erfordert Maßnahmen, die weit über traditionelle Fitnessprogramme hinausgehen. Der bayerische Ansatz zeigt, dass die Prävention durch eine Mischung aus integrativer Sportpolitik, einem neuen Sportgesetz, das Gesundheit und Bildung miteinander verbindet und gezielter Finanzierung gestärkt werden kann. Digitale Tools und Gamification machen Bewegung attraktiver, während Freiwilligenplattformen und hybride Vereinsstrukturen dazu beitragen, jüngere Menschen - vor allem Frauen - in Führungs- und Trainerrollen zu bringen.
Für die Sportbranche eröffnen diese Trends bedeutende Möglichkeiten: Sie kann technologiegestützte Lösungen anbieten, gemeinschaftsbasierte Initiativen unterstützen und Programme gestalten, die unterschiedliche Altersgruppen erreichen. Durch Investitionen in digitale Innovationen, integrative Angebote und die Entwicklung von Freiwilligen können Marken und Sportorganisationen nicht nur die Inaktivität bekämpfen, sondern sich auch als wichtige Partner für die öffentliche Gesundheit und das gesellschaftliche Wohlergehen positionieren.
Weitere Einblicke in globale Herausforderungen, Sponsoring-Möglichkeiten und die Zukunft des Sports bietet die SPORTS BRAND MEDIA Konferenz auf der ISPO 2025, auf der internationale Experten zeigen, wie man Sport, Marken und Medien effektiv miteinander verbindet. Die Konferenz findet am 01. und 02. Dezember statt.
- Sport als Motor der öffentlichen Gesundheit: Sport bietet eine hohe Rendite für die Gesundheit, wird aber politisch und wirtschaftlich oft unterschätzt, was Chancen für die Sportindustrie eröffnet.
- Generationen übergreifende Prävention: Gezielte Programme für Kinder, Jugendliche und Senioren fördern langfristige Aktivität und eröffnen neue Marktchancen.
- Neues Sportgesetz: Die Gesetzgebung zielt darauf ab, den Sport in die Bereiche Bildung, Gesundheit und Gemeinschaft einzubinden und die Nachfrage nach Angeboten und Dienstleistungen zu erhöhen.
- Digitale Werkzeuge und Gamification: Digitale Tools und gamifizierte Ansätze steigern die Motivation und ermöglichen personalisierte Erfahrungen.
- Beteiligung von Frauen: Mehr Sichtbarkeit, Vielfalt und gezielte Programme tragen dazu bei, junge Frauen langfristig an den Sport zu binden.
- Zukunft des Ehrenamts: Digitale Plattformen und flexible Strukturen senken die Hürden für junge und weibliche Freiwillige.
- Chance für das Sportbusiness: Die Branche kann sich als Partner für Gesundheit, Prävention und Gemeinschaft positionieren und neue Produkte, Dienstleistungen und digitale Lösungen anbieten.
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