120 Unternehmen arbeiten weltweit mit der Fair Wear Foundation (FWF) zusammen. Die setzt sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein und hat am Fashion Revolution Day (24.4.), dem Tag des Hashtags #whomadymyclothes, zu einem Facebook-Live-Marathon geladen, an dem sich immerhin 20 Mitgliedsunternehmen beteiligten.
Herzstück der FWF ist ein Kodex für Arbeitspraktiken und Arbeitnehmerrechte, der „Code of Labour Practices“. Der Kodex beruht auf internationalen Standards und regelt insgesamt acht Punkte: unter anderem die Begrenzung der Arbeitszeit und die freie Wahl des Arbeitsplatzes, zudem dass es keine ausbeutende Kinderarbeit geben darf und ein existenzsichernder Lohn gezahlt werden muss.
Aus der Sport- und Outdoorbranche haben die FWF-Mitglieder Deuter, Kjus, Jack Wolfskin und Vaude beim Facebook-Live-Marathon mitgemacht. Die Unternehmen stellten sich den Facebook-Usern je 30 Minuten und haben einige Fragen beantwortet. Die wichtigsten Antworten fasst ISPO.com zusammen.
Das war eine der drängendsten Fragen der User, die die Unternehmen meist zu Beginn beantworten mussten. Es ist tatsächlich eine naheliegende. Denn die FWF vergibt keine Zertifikate, man kann nur Mitglied werden und hat dann die Möglichkeit, mit dem FWF-Logo zu werben.
Insofern versteht sich die FWF als eine Lerninitiative. Eine Mitgliedschaft bei der FWF allein sagt noch lange nichts über den tatsächlichen Status hinsichtlich der sozialen Fairness eines Unternehmens aus.
Jack Wolfskin ist seit 2010 bei der Fair Wear Foundation und hat inzwischen Leader Status, erzählt die CSR-Verantwortliche Melanie Kuntnawitz in dem Q&A, als sie ihre Marke vorstellt. Das heißt, Jack Wolfskin muss mindestens 90 % der Lieferanten aus der Wertschöpfungskette auf faire Arbeitsbedingungen überprüfen. Der Outdoor-Brand mache das bei allen Lieferanten und komme so auf 80 Fabriken, die sich nahezu jährlich einem Audit oder Monitoring und den nachfolgenden Maßnahmen und Kontrollen unterziehen müssen.
Ein User stellt eine der sicherlich wichtigsten Fragen für alle Konsumenten: Was bedeutet fair überhaupt? „Für jeden wohl etwas anderes“, sagt die CSR-Verantwortliche Melanie Kuntnawitz: „Für uns bedeutet es, Arbeitern ihre Rechte aufzuzeigen, Arbeitsplatzsicherheit und faire Löhne zu garantieren.“ Außerdem sei es sehr wichtig, einen Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufzubauen.
Und wie können Konsumenten herausfinden, ob eine Brand fair produziert?, fragt ein weiterer User. In der Tat sei die Kommunikation gar nicht so einfach, findet Kuntnawitz. Natürlich gebe es das Hangtag an der Kleidung, „und wir haben unendlich viel Information auf unserer Website. Dort haben wir auch unsere gesamte Lieferkette transparent gemacht." Allerdings, schränkt die CSR-Verantwortliche ein, würden diese Infos nur von sehr wenigen Kunden gelesen: „Aber die sind beeindruckt".
„Es steckt viel Arbeit dahinter, deine eigene Lieferkette transparent zu machen, alle Fabriken zu besuchen“, sagt Marco Hühn, Quality Manager bei Deuter. Zudem besuche auch nicht immer der gleiche Bereich eines Unternehmens die Fabriken, mal sei es das Qualitätsmanagement, mal die CSR-Abteilung. So ergebe sich nie das ganze Bild. „Wir brauchten Hilfe, unsere Arbeitsbedingungen zu überprüfen. Da hat uns die Fair Wear Foundation unterstützt.“
Seit 2011 ist Deuter daher Mitglied. Zudem unterstützt die FWF das Unternehmen mit der Überprüfung von Dokumenten und macht Interviews mit den Arbeitern. „Die Teilnahme bei Fair Wear ist sicher nicht unser Unique-Selling-Point“, sagt Hühn, „aber wir wollen es kommunizieren.“
Vaude hat bei der FWF wie etwa auch Schöffel oder Dynafit den „Leader Status“ erreicht, – als bisher beste Firma, wie Antje von Dewitz den Facebook-Usern stolz erklärt. Beim diesjährigen Brand Performance Check der FWF hat Vaude eine Auditquote von 100 Prozent und einen Benchmark Score von 94 Prozent erreicht. Als von Dewitz 2009 angefangen hat als Geschäftsführerin, hatte sie die Vision eines „grünen Unternehmens“. Nach und nach komme sie ihrer Vision einen Schritt entgegen. Und dazu zählen natürlich auch faire Arbeitsbedingungen. Nur „um unsere großen Ziele zu erreichen, brauchten wir Partner. Und wir haben Fair Wear gefunden, die unserer Meinung nach am strengsten und objektivsten arbeiten.“
Ähnlich empfindet das Sven Serena, der Executive VP Supply Chain bei Kjus. Er sieht allerdings noch einen weiteren Grund, warum die FWF seiner Firma hilft. „Wir sind eine Industrie der Menschen. Wir arbeiten mit Menschen in den Fabriken und wollen ihnen die besten Möglichkeiten geben.“ In den Jahren der Digitalisierung habe jedes Sportunternehmen großen Druck. „Aber der Druck sollte nicht an die Fabriken weitergegeben werden. Wir sollten uns bei den CSR-Projekten auf die Arbeiter konzentrieren. Das ist unsere Herausforderung derzeit.“
„Wir werden jedes Jahr kontrolliert, ob wir unsere Versprechen auch einhalten“, sagt Hühn. Die Arbeiter werden interviewt, die Fabriken untersucht. Deuter arbeite anders als manches Bekleidungsunternehmen ohnehin nur mit zwei großen Lieferanten in Asien zusammen. An deren drei Standorten hat die Outdoor-Brand gemeinsam mit FWF nun „Worker Empowerment Trainings“ eingeführt, um die Arbeiter und ihre Rechte zu stärken. Und die FWF überprüft ja nicht nur in den Fabriken, sondern auch in den Unternehmen selbst, ob die Mehrarbeit reduziert wird.
Auch Vaude gibt seinen Partnern Workshops, in denen sie lernen sollen, wie sie nicht mehr umweltschädlich produzieren. Oder wie sie energieeffizienter werden. Insgesamt sechs Workshops fanden bisher statt – und von Mal zu Mal habe sich bei den Partnern Verbesserung gezeigt. Das hat Vaude auch selbst im Denken weitergebracht. „Wir haben eine partnerschaftliche Herangehensweise”, sagt von Dewitz, „und da war es interessant zu sehen, dass sogar eine kleine europäische Firma, ein Familienunternehmen, so einen Einfluss haben kann.“
„Es ist kein Zertifikat, dass irgendetwas garantiert, aber wir finden, es ist der richtige Weg für uns als Firma“, sagt Sven Serena. „Du bist immer draußen in der Umwelt, wenn du Sport treibst. Daher musst du darauf aufpassen.“ Daher gehe sozial und umweltfreundlich immer einher in der Strategie bei Kjus.
Sven Serena schmunzelt erst, als er die Frage liest und antwortet dann: „Manchmal verbesserst du etwas, was sich dann nach Jahren wieder verschlechtert. Aber jetzt, seit der Zusammenarbeit mit der FWF, habe zum Beispiel eine Fabrik in Indonesien ihre Arbeitsverträge verbessert: „Die Leute da haben jetzt sichere Jobs.“ In Vietnam überwacht Kjus seit Längerem die Einkommen der Arbeiter in einer Fabrik.
Allerdings müsse man als Unternehmen stets überprüfen, ob die Standards über einen längeren Zeitraum eingehalten werden. Jeder Managementwechsel sei damit verbunden, dass sich Einstellungen ändern könnten. „Ohne Fair Wear würde ich aber daran zweifeln, ob wir das geschafft hätten“, sagt Serena.
Auch Kuntnawitz von Jack Wolfskin stellt heraus, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein steter Prozess ist:„Unser Ziel ist nicht der Mindestlohn, der bei allen unseren Partnern gezahlt wird. Wir wollen, dass die Löhne stetig stiegen, dass Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessert werden. Das bedeutet ständigen Dialog mit unseren Herstellern." Zu dem sei es enorm wichtig, individuelle Lösungen für alle Fabriken zu finden.
Auch Hühn schränkt ein, dass seine Firma nicht als Bestimmer, sondern als Partner in der Lieferkette auftritt. „Da dauert es natürlich, bis man Fair-Wear-Standards implementiert.“ Doch auch Deuter produziert mittlerweile nachhaltiger, verknüpfe wie viele Unternehmen nun immer mehr soziale Produktion mit umweltfreundlicher Produktion. Deuter will bis 2020 das schädliche Flourcarbone (PFC) komplett aus den Produkten verbannen, bis 2019 schaffe es das Unternehmen bereits bei den Schlafsäcken.
Ein Ziel, das Vaude nur allzu gut kennt: Die Outdoor-Brand arbeitet ja an einem ähnlichen Ziel, allerdings noch etwas umfangreicher: Auch Vaude verpflichtet sich ja bis 2020 freiwillig, alle schädlichen Substanzen aus der gesamten Lieferkette zu beseitigen. Alle Produkte sind dann schadstofffrei. Damit sollen künftig also sowohl Outdoor-Bekleidung als auch Rucksäcke, Schuhe und Zelte ohne PFC angefertigt werden.
Antje von Dewitz findet, dass sich das Netzwerk, das sie seither mit den Kollegen gesponnen hat, etabliert habe: „Und nur dann gibt es Erfolge.“ Hinzu komme natürlich die Entwicklung, dass es ja inzwischen auch bei den Kunden, die Nachfrage nach fair produzierter Ware wachse. „Ich glaube aber nicht, dass es eine generelle Bewegung ist“, sagt von Dewitz. „Wir leben im falschen ökonomischen System, das nur auf die finanziellen Daten schaut. Der Fokus liegt auf dem Profit.“ Sie wollte schon noch einmal festhalten, dass es noch einiges zu tun gibt, das Umdenken natürlich noch lange nicht komplett stattgefunden habe an diesem Fashion Revolution Day. Also an dem Tag, der das Umdenken in der Bekleidungsbranche befördern will.
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