Wer den Globetrotter Re:Think Store auf der ersten Etage einer kleinen Mall in Bonn betritt, dem springt sofort ein lebensgroßer grüner Bär aus Metall ins Auge. Das imposante Tier aus dem Markenlogo symbolisiert, worum es hier geht: Zirkularität. Es ist gefertigt aus Materialien, die beim Umbau des Ladenlokals anfielen – Platten, Gitter, Rollen … Recycling at it's best. „In dieses Projekt ist viel Herzblut geflossen, und es war keine leichte Aufgabe, aus einem ehemaligen Elektronikmarkt einen echten Globetrotter-Store zu machen“, sagt CEO Andreas Vogler.
Aus alt mach neu – dieses Konzept steht über allem im Re:Think Store. Die Kund*innen erfahren davon auf Grafikwänden und Infotafeln. Gut so! Sonst würden sie wohl gar nicht bemerken, dass sie sich gerade in einem Shop befinden, der sich auch beim Ladenbau dem Cradle-to-Cradle-Prinzip verschrieben hat.
Cradle-to-Cradle
Das Designprinzip wurde in den 1990er Jahren von Prof. Dr. Michael Braungart, William McDonough und EPEA Hamburg entwickelt. Es beschreibt die sichere und potenziell unendliche Zirkulation von Materialien und Nährstoffen in Kreisläufen. Ziel ist, dass alle Inhaltsstoffe chemisch unbedenklich und kreislauffähig sind, sodass kein Müll im heutigen Sinn mehr entsteht, sondern nur noch nutzbare Nährstoffe – wie in der Natur. Auf der Cradle-to-Cradle-Grundlage basiert auch das Konzept der Circular Economy, die auf eine naturverträgliche Gestaltung von Wirtschaftssystemen abzielt.
Alle Möbel im 2.150 qm großen Re:Think Store stammen entweder aus dem Fundus anderer Globetrotter-Standorte oder aus den Lagern der vertretenen Marken. Selbst die Umkleidekabinen bestehen aus alten Werbebannern und Vorhängen. Insgesamt sind rund 94 % der im Store verwendeten Materialien re-used. An den Lochwänden, an denen früher Staubsauger hingen, baumeln jetzt eben Rucksäcke. Das Konzept setzt aber auch bei den Services auf Nachhaltigkeit: Kund*innen können Artikel neu und gebraucht erwerben, ein Leihservice ist in Planung. Es gibt eine Ankaufstation für Secondhand-Ware und in der Werkstatt können Artikel repariert oder angepasst werden.
Das Vorzeigeprojekt von Globetrotter in Sachen Kreislaufwirtschaft überzeugt – und räumt aktuell einen Preis nach dem anderen ab: Red Dot Design Award in der Kategorie „Brands & Communication Design“, 1. Platz beim Best Retail Cases Award und jetzt auch noch der Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2023 in der Kategorie Sporteinzelhandel. Der Erfolg rührt auch daher, dass die deutsche Dependance der Retail Gruppe von Fenix Outdoor das Konzept bis ins Detail durchdacht und wissenschaftlich begleitet hat.
„Es reicht nicht, wenn wir die Umwelt etwas weniger zerstören. Wir müssen lernen, für diesen Planeten nützlich zu sein“, sagt Professor Michael Braungart den Zuhörenden bei einem Vortrag in der „Clubhütte“ des Bonner Re:Think Stores. „Wir sind das einzige Lebewesen, das Abfall macht. Warum sind wir dümmer als alle anderen?“ Der Chemiker und Verfahrenstechniker ist Miterfinder des Cradle-to-Cradle-Prinzips. Seine Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) hat den Umbau ausgewertet und aus den Ergebnissen einen „Circularity Passport Interiors“ (CPI) entwickelt. Dieser beschreibt, welche Produkte und Materialien genau eingesetzt werden und wie groß ihr CO₂-Impact ist. „Damit lassen sich künftig verschiedene Innenraumgestaltungsansätze hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks vergleichen und optimieren“, so Markus Diem, Geschäftsführer von EPEA. „Das hilft, Ressourcen zu sparen und Abfall zu vermeiden.“
Laut den Berechnungen von EPEA hätte ein konventionelles Ladenbau-Projekt vergleichbarer Größe rund 105 Tonnen CO₂-Äquivalente (CO2e) erzeugt. Durch das Re-Use Konzept wurden hingegen nur 3,12 Tonnen CO₂e emittiert. Das entspricht einer Einsparung von rund 97 %, was in etwa die Menge an CO₂ ist, die entstehen würde, wenn man die Erde circa ein Dutzend Mal mit dem Auto umrunden würde.
Nun zieht man als Retailer nicht allzu häufig mit einem Shop in einen ehemaligen Elektronikmarkt. Und im Produktions- und Lieferprozess eines Produkts entfallen auch lediglich drei Prozent der CO₂-Emissionen auf den Handel selbst. Trotzdem gilt es für die Branche, CO₂-Emissionen nach Möglichkeit einzusparen. Die gute Nachricht vorneweg: Das Problembewusstsein ist da, und die großen Player der Sport- und Outdoorbranche gehen das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile konsequent und strukturiert an. Die meisten Händler setzen dabei auf die drei „r“: re-use, repair, recycle.
Sport Conrad, gemeinsam mit Globetrotter und Bergzeit Finalist beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2023, hat sich auf den „Sport Conrad Mountain Path“ begeben. Diese Nachhaltigkeitsroadmap soll dazu führen, dass bis Ende 2030 der CO₂-Fußabdruck im Vergleich zum Basisjahr 2019 um 70 % (Scope 1 und 2) bzw. um 50 % (Scope 3) reduziert ist. Die Maßnahmen: Ökostromverbrauch, Verpackungsmaterialien und Druckaufträge reduzieren, Abfälle vermeiden, Ressourcen in den Kreislauf zurückführen, Standorte nach Umweltschutzkriterien modernisieren und eigenen Strom über PV-Anlagen erzeugen. Parallel macht Sport Conrad Druck bei den Herstellern, um die Kreislauffähigkeit der Produkte zu erhöhen. Einige Pilotprojekte gab es bereits, etwa „Recycle Your Boots“ von Tecnica, „Goggle Recycling“ von Scott oder „Skifell Upcycling“ von Doghammer. Auch mit Schuhen von Scarpa oder Schläuchen von Schwalbe laufen Recycling-Projekte.
Bergzeit hat eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die auf drei Handlungsfeldern (Save, Turn, Spread) basiert und einen möglichst ganzheitlichen Ansatz verfolgt: Die erste Säule dreht sich um den Ressourcenverbrauch, die zweite um Kreislaufwirtschaft und die dritte um das Konsumverhalten der Kund*innen. Save: Seit 2019 beziehen die Bergzeit-Standorte 100 Prozent Ökostrom, seit 2021 produziert der Retailer diesen auch selbst über eine eigene Photovoltaikanlage. Dadurch spart das Unternehmen unter Berücksichtigung des deutschen Strommixes jährlich rund 220 Tonnen CO₂ ein. Seit 2023 bietet Bergzeit gemeinsam mit dem Stromversorger Energiewerke Schönau (EWS) sogar einen eigenen Ökostrom-Tarif an. Turn: Der Online-Secondhand-Shop für Outdoor-Bekleidung, -schuhe und -hardware wird weiter ausgebaut. Spread: Die MUT-Strategie (Mensch/Umwelt/Tier) weist Kund*innnen Siegel aus, nach denen sie Produkte in Bezug auf soziale, ökologische und tierwohlbezogene Eigenschaften filtern können.
Bei Intersport heißt die Ökostrategie „Best in Sports: Up for Future“. Sie umfasst die fünf Handlungsfelder Mensch, Produktsortiment, Umwelt, Händler, Kunde. Produktdesign, Qualität und Langlebigkeit der Produkte gepaart mit mehr und mehr Reparaturmöglichkeiten sind mögliche Hebel, wie Kreisläufe zunehmend geschlossen werden sollen. Bis 2030 sollen zudem alle Intersport-Händler den Mindeststandard eines Nachhaltigkeits-POS-Konzepts umgesetzt haben. Im Fokus stehen dabei die CO₂-Einsparung und der Ausbau erneuerbarer Energien, etwa durch PV-Anlagen, sowie die Förderung der Kreislaufwirtschaft im Produktsortiment. „Der ökologische Fußabdruck eines Unternehmens beeinflusst das Kaufverhalten von Verbraucher*innen immer stärker. Aber es geht auch darum, unseren Mitgliedern und Mitarbeitenden eine Orientierung für ein nachhaltiges Handeln aufzuzeigen. Denn: Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit“, so Thomas Storck, CFO und stellvertretender Vorsitzender Intersport Deutschland eG.
Die Roadmap von Sport 2000 umfasst die Themen „Produkt und Lieferkette“, „Kultur und Mindset“, „Standort“ und „Berichterstattung“. Zur Realisierung arbeitet Sport 2000 International eng mit der Sport 2000 GmbH, der 5-Länder-Organisation aus Deutschland, der Schweiz und Benelux zusammen. „Mit Mitarbeiter*innen der Sport 2000 GmbH und von Sport 2000 International hat sich ein Team – das Green Vision Team – gefunden, das Hand in Hand arbeitet, um die definierten Ziele zu erreichen“, sagt Véronique Dell. In Deutschland erhalten die Sport 2000 Stores eine Klimaprofiberatung. Die Analyse dient dazu, den Energieverbrauch zu prüfen und Maßnahmen zu entwickeln, um Energien effizienter zu nutzen. „Dadurch lassen sich gleichzeitig Ressourcen sparen und Kosten senken“, erklärt die Project Managerin. Das Umweltteam von Sport 2000 Österreich arbeitet regelmäßig an der Optimierung des Energieverbrauchs, der Mülltrennung und der Bewusstseinsschaffung der Mitarbeitenden in der Zentrale. Sport 2000 Frankreich informiert mit dem Projekt „Objectif Tribu“ die Kund*innen über Kreislaufwirtschaft im Textilbereich. Man kann alte Schuhe und Textilien abgeben und erhält einen Rabatt auf den nächsten Einkauf.
Vaude Academy
Viele der hier erwähnten Nachhaltigkeitsstrategien wurden in Kooperation mit der Vaude Academy für nachhaltiges Wirtschaften entwickelt. Das Angebot umfasst Vorträge, Workshops sowie individuelle Beratungen und richtet sich an Unternehmen, berufliche Netzwerke und Organisationen. Es reicht von konkreten, individuellen Maßnahmen über die Gestaltung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie bis hin zur Einführung von Nachhaltigkeits-Managementsystemen.
Auch bei Sportscheck steht Nachhaltigkeit längst in der Unternehmensstrategie. Der Fokus beim Thema Kreislaufwirtschaft liegt aktuell beim Thema Re-use und Secondhand. Über einen neuen Circular Store testet Sportscheck in Kooperation mit reverse.supply, wie Re-use bei den Kund*innen ankommt. Und mit dem Partner I:CO, einem der größten Recycler Europas, wird ein Recycling-System aufgebaut.
Der Fünfjahresplan von Yonderland konzentriert sich auf die Förderung von nachhaltigen, kreislauffähigen Outdoor-Produkten, CO2-Neutralität, Abfallvermeidung und Schutz regionaler Freiräume durch Projektarbeit und Spenden. Die Nachhaltigkeitsaktivitäten des Handelskonzerns wurden bereits mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt die niederländische Kette Bever den „Sustainable Retailer of the Year 2022-2023“ Award. Gelobt wurde Bever für sein Engagement, die Kreislaufwirtschaft in der gesamten Wertschöpfungskette zu fördern. Darüber hinaus untersuchte die Jury die Nachhaltigkeitsstrategie und zeigte sich beeindruckt von den Pflege- und Reparaturdienstleistungen.
Decathlon setzt besonders im Heimatmarkt Frankreich auf erneuerbare Energien und baut sukzessive PV-Anlagen auf die Stores. Bis 2026 möchte das Unternehmen seine direkten und indirekten Treibhausgasemissionen um 40 % im Vergleich zu 2016 reduzieren. Mit der Teilnahme an der EU-Initiative „Green Consumption Pledge“ verpflichtet sich Decathlon zudem dazu, Kund*innen dabei zu helfen, nachhaltigere Käufe zu tätigen. Um die Ziele und Leistungsindikatoren für die nachhaltige Entwicklung in den drei Bereichen People, Planet und Profit bis 2026 messbar zu machen und zu erreichen, werden diese in einem weltweit geltenden Transition Plan festgehalten.
Das Outdoor Retailer Climate Commitment (ORCC), ein Klima-Netzwerk von aktuell elf europäischen Outdoor-Händlern, veröffentlicht regelmäßig eine Jahresbilanz. Darin ist dokumentiert, wie weit die Unternehmen in ihrem Bestreben, ihre CO2-Emissionen zu senken, vorangeschritten sind: Alle haben inzwischen konkrete Aktionspläne zur Verringerung ihrer Scope 1&2 Emissionen aufgestellt, insgesamt konnten 2023 12.843 Tonnen CO2 eingespart werden. Die Retailer arbeiten gemeinsam daran, den CO2-Footprint in der gesamten Lieferkette zu verringern. Der komplette Report, der auf der ISPO Munich 2023 vorgestellt wird, steht bereits zum Download bereit.
Letztlich liegt es nun an den Retailern, dass ihre Vorhaben nicht zu Lippenbekenntnissen verkommen. Und natürlich an den Kund*innen, die die sinnvollen Angebote annehmen müssen. Davon ist auch Globetrotter-CEO Andreas Vogler überzeugt: „Nachhaltigkeit braucht Transparenz und Beteiligung. Wir verfügen über eine wertvolle Ressource: Den direkten Zugang zu Millionen von Kund*innen, mit denen wir auch in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit im Austausch stehen. Durch die richtigen Angebote können wir es unseren Kundinnen und Kunden leichter machen, nachhaltig zu handeln.“
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