Yusra Mardini wurde in Syrien in eine Schwimmerfamilie hineingeboren: Ihr Vater war Schwimmtrainer und ehemaliger Leistungsschwimmer, ihre Schwester trainierte mit ihr Bahn um Bahn. Doch der Krieg begleitete sie ihre ganze Kindheit, und als ein Blindgänger in die Schwimmhalle einschlug, entschlossen sich die Eltern zur Flucht. Über das Meer wollten sie nach Europa – von Schleppern in ein kleines, wackeliges Boot mit etlichen Lecks gesetzt.
Als das Boot zu kentern drohte, sprangen Yusra und ihre Schwester ins Meer, ohne zu wissen, wie weit das rettende Ufer entfernt sein würde. Sie begannen zu schwimmen und zogen das Boot hinter sich her – fast drei Stunden lang, bis sie Griechenland erreichten.
Über Umwege gelangten Yusra Mardini und ihre Familie nach Berlin. Hier hatte sie nur ein Ziel: wieder schwimmen! Der Club Wasserfreunde Spandau kam beim Probetraining aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als dann das IOC (Internationale Olympische Komitee) für die Olympischen Spiele 2016 in Rio ein Team aus geflüchteten Sportler*innen zusammenstellte, war sie mit dabei.
Heute engagiert sich Yusra als Good Will Ambassador für die UNHCR. Sie ist die jüngste Botschafterin aller Zeiten. Ihre hollywoodreife Geschichte wurde vor Kurzem verfilmt.
Francis Ngannou stammt aus Kamerun. Er wuchs in ärmsten Verhältnissen auf, hatte kaum Zugang zu Bildung und begann schon mit 10 Jahren zu arbeiten. Aus Abscheu vor seinem Vater, einem Straßenkämpfer, weigerte er sich als Jugendlicher, einer der örtlichen Gangs beizutreten. Trotzdem entwickelte er im Alter von 22 Jahren ein Interesse am Boxsport und begann zu trainieren.
Mit 26 Jahren floh er nach Europa, wo er nach seiner illegalen Einreise die ersten zwei Monate in Spanien im Gefängnis verbrachte. Von dort zog er nach Paris. Die erste Zeit verbrachte er obdachlos, traf dann aber den professionellen MMA-Fighter Francis Carmont. Dieser entfachte wieder die Liebe zum Boxen in ihm und überzeugte ihn, zu MMA (Mixed Martial Arts) zu wechseln. Durch Carmont lernte Francis seinen zukünftigen Trainer kennen. Fernand Lopez, ebenfalls aus Kamerun und ehemaliger MMA-Fighter, erkannte das Potenzial des jungen Mannes und trainierte ihn nicht nur kostenlos, sondern ließ ihn auch im Studio schlafen.
Francis nutzte diese Chance und wurde 2021 der erste UFC-Schwergewichts-Champion aus Afrika. Aus Dankbarkeit engagiert er sich heute für die Kinder in seiner Heimat. Die Francis-Ngannou-Stiftung betreibt nun das erste MMA-Studio in Kamerun und richtet sich vor allem an Kinder, die sonst auf der Straße landen würden.
Simone Biles Erfolg war ihr nicht in die Wiege gelegt worden: Ihre alkohol- und drogenabhängige Mutter war nicht in der Lage, sich um sie und ihre Geschwister zu kümmern. Ihre Großeltern adoptierten sie schließlich und erlaubten ihr, nach Entdeckung ihres Talentes sich voll und ganz auf ihren Sport zu konzentrieren. Und das hat sich gelohnt, denn Biles legte eine steile Karriere als Turnerin hin und ist mit inzwischen 25 Weltmeisterschaftsmedaillen und sieben Olympischen Medaillen die wohl erfolgreichste Sportlerin ihrer Generation.
Aber auch abseits der Turnhalle ist Biles ein echtes Vorbild. Sie tritt als Stimme der BIPOC und aller Frauen im Sport auf und kritisiert offen Diskriminierung, Sexismus und Gewalt im Sport. 2018 machte sie im Zuge der #metoo-Bewegung die sexuellen Übergriffe ihres Mannschaftsarztes Larry Nassar öffentlich, die über hundert weitere Athletinnen betrafen. 2021 sprach sie im Kongress über die Geschehnisse und warf den Rechtsbehörden und Turn-Funktionären vor, trotz vorliegender Beweise weggesehen zu haben.
Und auch mit ihrer mentalen Gesundheit kämpft sie immer wieder. 2021 brach sie ihre Teilnahme an Olympia in Tokyo ab. Sie sprach offen über ihre Herausforderungen und ihr ADHS und ermunterte Leistungssportler*innen, auf sich und die eigenen Grenzen zu achten, was eine öffentliche Debatte anregte.
Chloe Kim startete früh durch: Mit nur 17 Jahren holte sie 2018 Olympisches Gold im Snowboarden und ist damit die bisher jüngste Gewinnerin in der Halfpipe. Kurz darauf sprach sie öffentlich über ihre Ängste und die Depression, die es ihr unmöglich machten, diesen Sieg als positives Gefühl wahrzunehmen. Nachdem sie das Podium verlassen hatte, warf sie ihre Goldmedaille in den Mülleimer.
Die asiatisch-amerikanische Sportlerin hatte lange Zeit unter rassistischer Diskriminierung leiden müssen, die teils auch von Mitsportler*innen und Funktionär*innen ausging. Nach einer Therapie entschloss sie sich, ihre Zweifel und negativen Erfahrungen nicht länger zu verheimlichen. Sie wurde zu einer lauten Stimme für Inklusion und Diversität im Sport, die sich auch abseits des Sports für die Themen ihrer Generation starkmacht. Dafür scheut sie weder die Öffentlichkeit noch neue Wege: Um ihre Message breiter in die Gesellschaft zu tragen, nahm sie an „The Masked Singer“ in Amerika teil und warb für mehr Repräsentanz von asiatisch-amerikanischen Menschen.
Die Australierin Kelly Cartwright trainierte mit 15 Jahren für eine vielversprechende Karriere im Netzball, als sie eine erschütternde Diagnose erhielt: Knochenkrebs. Dieser wuchs so schnell, dass die Ärzt*innen eine Amputation oberhalb des Knies empfahlen. Nach der mühseligen Reha wurde Kelly schnell klar, dass sie mit der Prothese nicht mehr auf altem Niveau Netzball würde spielen können. Statt Wut und Trauer entschied sie sich für Ehrgeiz. Sie wandte sich dem Laufen zu und baute mit ihrem Vater vor der eigenen Haustür eine Rennstrecke zum Trainieren. Sie war so fokussiert darauf, wieder Sport treiben zu können, dass sie ihren allerersten Wettbewerb nach ihrer Operation mit ihrer Gehprothese ablegte – sie wusste noch nicht, dass es auch Laufprothesen gibt.
2007 holte sie Australien in die Nachwuchsförderung für die Paralympics 2012, aber sie qualifizierte sich schon für Peking 2008 und erreichte dort den 6. Platz im 100-Meter-Lauf. 2011 folgten bei den IPC Athletics World Championships Gold im Sprint und im Weitsprung, sogar mit Weltrekord. Diesen Rekord brach sie 2012 bei den London Paralympics selbst und holte zudem Silber über 100 Meter.
2009 war sie außerdem die erste Frau mit einer Amputation oberhalb des Knies, die den Mount Everest bestieg. Nach ihren sportlichen Erfolgen nahm sie an der australischen Version von „Dancing with the Stars“ teil, um das Thema Amputation weiter in die Öffentlichkeit zu rücken.
Mike Schultz war ein aufstrebender Snowmobile-Star, der nationale und internationale Turniere gewann. 2008 aber zerschmetterte er sich bei einem schweren Unfall auf der Rennbahn sein linkes Bein, sodass es knapp über dem Knie amputiert werden musste. Als er nach der Not-OP erwachte, fragte er direkt, ob und wann er wieder aufs Schneemobil aufsteigen könne.
Er probierte verschiedene Prothesen aus, aber keine war für die ungewöhnliche Belastung des Rennsports geeignet. Statt den Sport an den Nagel zu hängen, nahm er selbst Werkzeug in die Hand und baute eine eigene Prothese. Er richtete die Mechanik ganz auf die dynamische Belastung, die feinmotorischen Bewegungen und die benötigte Kraft für seinen Sport aus. Der Erfolg gab ihm recht: Nur sieben Monate nach seiner Amputation trat er beim Supercross-Event der Summer XGames mit der selbstgebauten Prothese an und gewann Silber.
Anschließend gründete er BioDapt, um seine Sportprothesen für andere Sportler*innen mit speziellen Anforderungen zugänglich zu machen. Die neuesten Modelle können dynamischen Lasten bis zu 230 kg standhalten und decken Snowboard, Ski, Radfahren, Offroad-Motocross, ATV, Krafttraining, Reiten und Wassersport ab. Bei den Paralympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang trugen 16 Athleten aus 11 Ländern Prothesen von BioDapt. Und Mike selbst gewann eine Gold- und eine Silbermedaille im Snowboarding.
Sifan Hassan ist eine der Überraschungsstars 2023: Die erfolgreiche Mittelstreckenläuferin aus den Niederlanden lief in diesem Jahr in London ihren ersten Marathon – und gewann ihn auf Anhieb. Dabei war ihre Ausgangslage nicht vielversprechend. Das Lauftraining fiel auf den Ramadan, den muslimischen Fastenmonat. Obwohl sie tagsüber hart trainierte, aß und trank sie erst nach Sonnenuntergang.
Und auch der Marathon selbst begann alles andere als günstig für Sifan Hassan. Nicht nur einmal musste sie pausieren, um ihre schmerzende Hüfte zu lockern und zu dehnen. Schon nach der ersten Stunde verlor sie ihr Lauftempo. Ihre Konkurrenz war stark, unter anderem lief sie gegen die Olympiagewinnerin Peres Jepchirchir aus Kenia und die letztjährige Marathongewinnerin Yalemzerf Yehualaw (Äthiopien).
Doch Kilometer für Kilometer kämpfte sie sich vorwärts. Als sie in die letzte Runde startete und die führenden Läuferinnen sah, tobte das Publikum. Unter tosendem Applaus und Jubel konnte Sifan ihre Konkurrentinnen überholen und gewann nach ihren drei Olympischen Goldmedaillen in Tokyo über 1.500, 5.000 und 10.000 Meter in London auch die Marathondistanz.
Die Kubanerin Ana Quirot war Ende der 1980er-Jahre die dominierende Läuferin über die 400- und 800-Meter-Distanz. Zwischen 1987 und 1990 blieb sie über 800 Meter durchgehend ungeschlagen. 1993 explodierte in ihrer Küche ein Kerosinkocher und verletzte sie schwer. Ana, hochschwanger, erlitt an fast 40 Prozent ihres Körpers Verbrennungen dritten Grades und rang lange im Krankenhaus um ihr Leben. In dieser Zeit kam ihre Tochter verfrüht auf die Welt und verstarb nach knapp einer Woche.
Sieben große Operationen zur Transplantation der Haut und Versorgung der Wunden später kämpfte sich Ana zurück ins Leben und startete auch wieder in ihre sportliche Karriere. Nach zwei Jahren Heilungsprozess nahm sie 1995 in Göteborg an der Weltmeisterschaft teil und gewann souverän wieder ihre Königsdisziplin über 800 Meter. 1996 folgte Olympisches Silber und 1997 ein erneuter Weltmeistertitel.
Aries Merritt war einer der Top-Hürdenläufer, der 2012 nicht nur Olympia gewann, sondern auch einen Weltrekord über 110-Meter-Hürden aufstellte. Doch dann war plötzlich Schluss mit der steilen Karriere. Der US-Sprinter konnte seine Top-Leistungen nicht mehr abrufen, was für ihn und den Rest der Welt unbegreiflich war – bis ein Test eine seltene Generkrankung diagnostizierte. Sie griff seine Niere an und hatte bereits sein Knochenmark beschädigt. Die Ärzte hatten nur noch wenig Hoffnung, dass er je wieder an seine früheren sportlichen Erfolge anknüpfen könnte.
Doch mit der Gewissheit einer Therapiemöglichkeit kam auch der Ehrgeiz zurück. Aries Merrit biss sich durch und nahm 2014 sein gewohntes Training wieder auf. Mit Erfolg, denn 2015 holte er Bronze bei den Weltmeisterschaften in Peking. Den Wettkampf bestritt er unter erschwerten Bedingungen: Direkt nach dem Turnier ging es wieder ins Krankenhaus, wo ihm eine von seiner Schwester gespendete Niere transplantiert wurde.