Sportbusiness/13.12.2019

So geht Erlebnisshopping im Sport: L&T setzt auf die Welle

Wir benötigen Ihre Zustimmung, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren!

Diese Funktion ist nur verfügbar, wenn eine entsprechende Zustimmung erteilt wurde. Bitte lesen Sie die Details und akzeptieren Sie den Service, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren.

Bewerten
Merken

Was passiert eigentlich, wenn in einem Sporthaus Wellenreiten, Höhentraining, Gastronomie und Shopping miteinander kombiniert werden? Man erschafft ein unverwechselbares Einkaufserlebnis.

Die sogenannte ‚Hasewelle‘ (benannt nach dem angrenzenden Fluss Hase) im L&T Sporthaus läuft täglich außer Montags und ist am Wochenende immer ausgebucht
Die sogenannte ‚Hasewelle‘ (benannt nach dem angrenzenden Fluss Hase) im L+T Sporthaus läuft täglich außer Montags und ist am Wochenende immer ausgebucht

Genau darum ging es dem Handelsunternehmen Lengermann & Trieschmann aus Osnabrück, als es 2018 sein neues, 5.000 Quadratmeter großes L&T Sporthaus eröffnete. Statt in eine E-Commerce Infrastruktur mit ungewisser Zukunft als Onlinehändler zu investieren, entschied sich das Management von L&T für den Ausbau der lokalen Stärke. Direkt angrenzend an das bestehende Modehaus entstand ein Sportfachgeschäft mit echtem Freizeitwert.

Die fast 35 Millionen Euro teure Anstrengung hat sich gelohnt: Das L&T Sporthaus mit seiner stehenden Surfwelle im Untergeschoss und der markanten Architektur gehört inzwischen zu den Attraktionen der Osnabrücker Innenstadt. Zahlreiche internationale Auszeichnungen hat das mutige Konzept bisher erhalten, darunter den internationalen EuroShop RetailDesign Award 2019 des EHI Retail Institute und den des „Store of the Year 2019“ des Handelsverband Deutschland (HDE). Thomas Ganter, einer der drei Geschäftsführer von L&T, erläutert das Konzept und verrät, was er seit der Eröffnung dazugelernt hat.

Die Welle: Ein echter Reichweitenbringer

ISPO.com: Sie sind Anfang 2019 zum Store des Jahres 2019 gekürt worden, wie oft mussten Sie seitdem Gäste durch Ihr Haus führen?
Thomas Ganter: Fast wöchentlich. Wir werden geradezu mit Zuneigung überschüttet, was uns natürlich unheimlich freut. Allein im November besuchten uns drei Gruppen. Sogar in Japan kennt man uns: Im Sommer hatten wir ein japanisches Pärchen im Haus, das die Welle schon Monate im Voraus für ihre Deutschlandreise gebucht hat.

Haben Sie so viel Resonanz erwartet?
Ein stückweit entspricht das natürlich unserer Marketingidee, aber mit so viel Feedback haben wir nicht gerechnet. Wir sehen viele Foren, die unsere Idee weitertragen, allein die Videos unserer Welle erreichen auf Social Media über drei Millionen Aufrufe. Vorher hatten wir gerade mal 3.500 Facebook Freunde. Die Welle ermöglicht uns schon eine enorme Reichweite.

Wie kamen Sie auf die Idee, eine stehende Welle zum Surfen ins Haus zu bauen?
Wir wollten ein Handelserlebnis schaffen, ein interaktives Angebot. In den 90er Jahren kamen die Kletterwände im Sporthandel auf, die Kunden dazu animieren sollten, im Laden Sport zu treiben und Spaß zu haben. Aber ehrlichgesagt haben wir nur wenige Leute gesehen, die das tatsächlich genutzt haben. Uns war klar, wenn wir so was machen, dann muss es auch täglich genutzt werden, und man muss den Spaß sehen, den die Leute dort haben. Unsere Welle läuft jeden Nachmittag und am Wochenende sind wir durchgehend ausgebucht.

Thomas Ganter, Geschäftsführer von L+T: „Wir sind mittlerweile Teil der Freizeitindustrie“
Thomas Ganter, Geschäftsführer von L+T: „Wir sind mittlerweile Teil der Freizeitindustrie“
Bildcredit:
L+T

Menschen identifizieren sich immer weniger mit Produkten

Sie haben aber nicht nur die Welle, bei Ihnen im Haus kann man auch Fitnesskurse machen und Höhentraining. Wozu das?
Wir sagen immer, wir verkaufen ein Lebensgefühl, wir sind mittlerweile Teil der Freizeitindustrie.  Wir wollen kein seelenloses Produkt verkaufen, sondern eine Emotion, eine Haltung. Die Menschen identifizieren sich immer weniger mit Produkten. Im L&T City Gym kann man Sport treiben und Sport live sehen. Auf 840 Quadratmetern haben wir Geräte- und Kursräume, darin kann man unter Höhenluft trainieren. Wir haben sogar Spitzensportler hier, die das gerne nutzen. Sport machen und Sport kaufen - alles unter einem Dach. Vom Breitensportler über Amateure bis hin zum Spitzensportler haben wir sie alle.

Warum betreiben Sie diesen ganzen Aufwand?
Wir haben uns vor etwa acht Jahren ernsthaft Gedanken gemacht: Wollen wir als L&T den E-Commerce mitmachen? Wie gehen wir mit dem Onlinehandel um? Wir haben irgendwann beschlossen, für uns macht das keinen Sinn. Wir sind ein lokaler Händler. Es ist bis heute kein zweiter Standort geplant, und wir werden nie so viel Marketing Geld haben, um genügend Traffic in den Onlineshop zu bekommen, um ein relevanter Onlineplayer zu werden.

Was also sonst? Das Familienvermögen steckt am Standort, und das wollen wir verteidigen. Wir sind davon überzeugt, es wird immer einen stationären Handel geben, aber er muss attraktiv sein. Wir wollten ein echtes Erlebnis bieten. Und wir wussten, im Sport waren wir angreifbar, weil wir dort noch nicht so gut aufgestellt waren. Unser Plan war also: Wir machen uns im Sport groß, damit wir im Textilien-/Sport Einzelhandel weiterhin konkurrenzfähig bleiben.

Stationäres Erlebnis statt Onlinehandel

Sie betreiben keinen Onlinehandel, aber Sie nutzen digitale Technologie im Laden. Womit genau arbeiten Sie?
Im Bereich Digital Signage sind wir recht verhalten und konzentrieren uns auf Screens mit Lageplänen und Produktinfos, man kann darüber z.B. Änderungen tracken, Style Coaches buchen und natürlich auch die Welle. Alles zahlt auf den Aspekt Service ein. Demnächst werden wir Dynamic Pricing testen, die KI ist schon programmiert. Bisher kennt der Retail ja nur Preisverläufe nach unten – wir wollen auch nach oben testen.

Mit den starken Playern im Onlinehandel und dem zunehmenden Direct-to-Consumer Business der Marken ändern sich die Beziehungen zwischen Handel und Industrie. Wie behaupten Sie sich als lokaler Händler?
Wir sehen es kritisch, dass die Industrie zunehmend über eigene Kanäle verkauft. Viele Artikel bekommen wir als Händler gar nicht mehr, das macht uns natürlich das Leben schwer. Auch das war sicher ein Aspekt bei der Entscheidung für ein solches Sporthaus-Projekt: Wir wollen uns als den Treffpunkt in Osnabrück und Umgebung positionieren, als eigene Marke, um ein wichtiger Partner für die Industrie zu bleiben. So kommen wir an Artikel, die anderen nicht zur Verfügung stehen.

Vom Laden direkt ins Gym: 840 Quadratmeter des Sporthauses belegt der Gym Bereich mit mehreren Kurs- und Geräteräumen. Hier wird auch Höhentraining angeboten
Vom Laden direkt ins Gym: 840 Quadratmeter des Sporthauses belegt der Gym Bereich mit mehreren Kurs- und Geräteräumen. Hier wird auch Höhentraining angeboten.
Bildcredit:
Regina Henkel

Surfen passt nicht auf alle Zielgruppen

Das Sporthaus ist seit 2018 in Betrieb. Was haben Sie seither dazu gelernt?
Es gibt ein wichtiges Learning: Als wir für die erste Saison des Sporthauses 2018 eingekauft haben, haben wir auf eine junge Zielgruppe zwischen 15 und 30 Jahren gesetzt. Warum? Weil wir die Annahme hatten, die Hauptzielgruppe liegt genau dort. Hier haben wir uns getäuscht. Der junge Kunde kommt nicht zum Surfen – vielleicht ist es ihm zu teuer, vielleicht mag er lieber Teamsport. Stattdessen finden die Kunden ab 40 Surfen cool.

Für die sind 34 Euro für eine Stunde Spaß nicht zu viel. Oft treffen sich ganze Familien und surfen gemeinsam, oder die Frauen gehen so lange shoppen. Man lernt es sehr schnell. Insgesamt war es eine spannende Erkenntnis, aber im Grunde genommen ist das Ergebnis perfekt, denn diese Zielgruppe ist natürlich sehr attraktiv. Jetzt drehen wir das Sortiment im Erdgeschoss.

Wie bekommen Sie jetzt die jungen Kunden ins Haus?
Wir haben andere Highlights geschaffen, z.B. über Kooperationen. Wir haben eine Kooperation mit dem VFL Osnabrück und verkaufen in der Fußballabteilung Tickets für die Spiele – die gibt es sonst nur noch direkt am Stadion. Neben dem Ticket-Shop haben wir eine Torwand aufgebaut, die täglich von jungen Schülern nach der Schule zum Kicken genutzt wird. 

Be creative. Digitalisierung, neue Zielgruppen und veränderte Sportgewohnheiten fordern den Sporthandel heraus. Wie Sporthändler damit umgehen können, wird auch auf der ISPO Munich diskutiiert werden. Seien Sie dabei!

Themen dieses Artikels