Bisher ist es doch so: Während der Kunde über sein Smartphone jederzeit und überall sämtliche Informationen zu einem beliebigen Produkt abrufen kann, fehlt dem Verkäufer auf der Fläche oftmals diese Möglichkeit. Immer wieder belegen Studien: Viele Konsumenten halten sich aufgrund eigener Produktrecherchen im Netz für besser informiert als das Verkaufspersonal im Fachhandel. Das gilt vor allem für die junge Zielgruppe, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Kompetenz kann ein Verkäufer nur dann vermitteln, wenn er die Informationen zu jedem Produkt auswendig parat hat, was aber gerade zum Saisonwechsel, wenn viele neue Produkte in den Laden kommen, kaum zu leisten ist.
Im Sportfachhandel, wo Beratung und Fachwissen zur Kernkompetenz gehören, frustrieren solche Situationen Verkaufspersonal und Kunden gleichermaßen: Der Verkäufer fühlt sich hilflos und der Kunde schlecht beraten. Warum also nicht auch den Verkäufer digitalisieren und mit mobilen Geräten ausstatten, die in Situationen weiterhelfen, in denen echtes Detailwissen gefragt ist?
Das Problem haben bereits einige Sportfachhändler erkannt und statten ihr Verkaufspersonal mit Tablets aus. Ob Decathlon, JD Sports, Sport Scheck, die neuen Intersport-Filialen oder Globetrotter, sie alle setzen inzwischen auf den vernetzten Verkäufer. „Wir arbeiten seit einigen Monaten mit Tablets auf der Fläche“, sagt Ariane Graf, Sales Unit Manager bei Globetrotter München. Untergebracht in einem Case am Gürtel, ist das Gerät jederzeit zur Hand, wenn der Verkäufer es benötigt. Das Tablet wird genutzt, um Produktinformationen abzufragen, und wenn der Verkäufer wissen will ob andere Größen oder Farben eines Artikels vorrätig sind.
Bedienen lässt es sich wie ein Onlineshop und zeigt in Echtzeit Warenverfügbarkeiten an. „Außerdem können wir damit Aufträge anlegen, falls Artikel nicht im Haus vorrätig sind“, so Graf weiter. Der Verkäufer kann Produkte dann direkt zum Kunden schicken lassen und dabei z.B. die Versandkosten erlassen oder andere Discounts gewähren. Berührungsängste gäbe es auf Seiten des Verkaufspersonals nicht. Im Gegenteil, so Graf: „Die Verkäufer haben das sehr gerne angenommen, es ist einfach praktisch.“
Praktisch ist auch, dass die Produktinformationen immer auf dem aktuellsten Stand sind - im Gegensatz zu Katalogen, die nur einmal gedruckt werden. Auch Videos über die richtige Benutzung von Artikeln können abgerufen werden. Bei Sport Scheck können Verkäufer über eine In-Store-App außerdem Termine für Skischuhanpassung oder Tennisschlägerbespannung anlegen. Bei JD Sports bestellen Mitarbeiter aus dem Lager z.B. Schuhe zur Anprobe, die dann über ein Fließband in den Laden rollen.
Als weniger praktisch haben sich dagegen die stationären Desktops entpuppt, die fest installiert im Laden stehen. „Die Tablets lösen unsere festen Rechner ab“, sagt auch Ariane Graf. Die mobilen Geräte seien für Personal und Kunden wesentlich komfortabler. Nicht bewährt hat sich nach Meinung vieler Einzelhändler die Idee, der Kunde selbst könne an solchen Terminals nach weiteren Informationen oder anderen Produkten, die im Store nicht vorrätig sind, suchen.
Sie sollten als verlängerte Ladentheke den umfangreicheren Webshop mit dem begrenzteren Angebot im Store verbinden. Doch die meisten Kunden kommen genau deshalb in den Laden, weil sie nicht online shoppen wollen.
„Psychologisch war das die ganz falsche Botschaft“, sagt auch Jan Kegelberg, Chief Digital Officer bei SportScheck. Nach wenig überzeugenden Versuchen mit der Integration des Webshops auf die Ladenfläche hat der Multichannel Händler eine In-Store App entwickelt, die allein vom Verkaufspersonal genutzt wird. Erst wenn der Verkäufer mit dem Kunden zusammen die Geräte bedient, macht die erweiterte Ladentheke Sinn.
Die digitalen Geräte auf der Fläche eröffnen noch viel mehr Möglichkeiten als nur Produktinformationen oder Warenverfügbarkeiten abzufragen. Sie werden zur mobilen Kasse und ersparen dem Kunden das lästige Anstehen. Weltweit sind mobile Bezahlsysteme derzeit in der Testphase. Im Gegensatz zu den USA oder asiatischen Ländern gehört Deutschland hier nicht gerade zu den Vorreitern. Welches mobile Bezahlsystem am Ende am besten von Kunden und Händlern angenommen wird, ist noch längst nicht entschieden.
Auch hier scheinen oft noch alte Kaufgewohnheiten den technischen Innovationen im Wege zu stehen. Erst im Mai hat z.B. Wal Mart seinen mobilen Bezahlservice „Scan-and-Go“ über eine Smartphone-App eingestellt, weil die Kunden die neue Self-Service Technologie nicht nutzen wollten. Stattdessen versucht es der Handelsriese nun mit „Check Out With Me“, ein Service, bei dem Mitarbeiter über mobile PoS-Geräte den Bezahlvorgang übernehmen und auch eine Quittung vor Ort ausstellen können.
Letztlich geht es so weit, dass der Verkäufer im Laden genauso viele Informationen über die Kunden im Laden abrufen kann wie ein Onlineshop. Über seine digitalen Endgeräte kann der Verkäufer registrierte Konsumenten im Store tracken, kennt deren Einkaufshistorie, bevorzugte Marken und Sportarten und verfügt so auf Knopfdruck über eine Fülle an Wissen, das er als Basis für Beratungsgespräche nutzen kann. Künstliche Intelligenz kann weiter dabei helfen, relevante Produkte vorzuschlagen und die Beratung so gut wie möglich auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden auszurichten. Er kann personalisierte Discounts geben, in Echtzeit Preisvergleiche im Netz oder Kundenbewertungen abrufen und so die Bindung und das Vertrauen zum Kunden intensivieren.
Ganz so weit ist der Handel hierzulande natürlich noch nicht. Klar ist aber, dass die digitale Ausstattung des Verkäufers nicht dazu dienen soll, ihn zu ersetzen, sondern ganz im Gegenteil: Es soll ihn besser denn je befähigen, seinen Beratungsauftrag zur Zufriedenheit des Kunden zu erfüllen.