Sportbusiness/10.06.2020

Icebug und der Neustart: „Wir werden nicht nur überleben, wir werden aufblühen“

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Das ist die sehr persönliche Geschichte eines Firmenchefs: David Ekelund von Icebug spricht offen über seine Überlegungen und Strategien, wie sein Unternehmen durch die Krise navigieren will. Von einer starken Hypothese ausgehend erläutert er wertvolle Erkenntnisse des Designteams, spricht über und verlorene Saisons, verrät aber auch, warum er zuversichtlich ist, dass die Outdoor-Branche am Ende florieren wird.

Das Icebug-Team arbeitet am Restart nach den Einschränkungen durch Covid-19.
Das Icebug-Team arbeitet am Restart nach den Einschränkungen durch Covid-19.

Im Jahr 2001 gründeten David Ekelund und seine Mutter die Outdoor-Schuhmarke Icebug. Rund 20 Jahre später leitet der Sohn noch immer die Geschicke des schwedischen Unternehmens, das sich Nachhaltigkeit zur obersten Priorität gemacht hat. Zusätzlich zu seiner Rolle als Co-CEO für Icebug ist Ekelund auch Vorsitzender der Scandinavian Outdoor Group, die 66 Marken aus Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und Island umfasst. Das ergibt einen einzigartigen Blickwinkel auf die Branche. Hier sind seine persönlichen Gedanken in seinem Gastbeitrag:

Unser Umsatz für den Zeitraum März bis Mai ist im Vergleich zu 2019 dieses Jahr auf die Hälfte geschrumpft. In unserer Prognose für das Gesamtjahr 2020 liegt der Rückgang gegenüber dem letzten Jahr bereits bei 20%.

Anfang Mai haben wir einige Hypothesen über das Geschehen rund um die Corona-Krise aufgestellt. Diese Hypothesen wurden bisher durch unsere Daten recht gut bestätigt. Im Moment sind sie unser bestes verfügbares Wissen. Hier stelle ich unsere Top-5-Strategien und unseren strukturierten Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen vor, da ich glaube, dass dies sowohl für andere Outdoor-Marken als auch für uns zusammen als Outdoor-Branche von Bedeutung ist.

Die fünf Strategien haben einen digitalen Schwerpunkt. Die ersten drei drehen sich eigentlich alle um die Hypothese, dass wir uns in einer Digitalisierung im Zeitraffer befinden. Wenig davon war gänzlich unbekannt, aber was sonst in zwei bis drei Jahren passiert wäre, hat sich nun in zwei bis drei Monaten entwickelt: Die Arbeit aus dem Home-Office nimmt zu, der physische Einzelhandel verliert Marktanteile an das Internet und der Vertrieb wird digitalisiert. Diese strukturelle Veränderung wird Bestand haben, es wird kein Zurück nach Covid-19 geben.

Die ISPO Re.Start Days sind die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der Sport- und Outdoorbranche. CEOs renommierter Marken halten Vorträge, Athleten inspirieren mit Keynotes und Branchenverbände präsentieren exklusive Studien. In Workshops diskutieren alle Teilnehmer über Lösungswege, die Händler, Marken und Zulieferer aus der Krise herausführen.

Strategie 1: Die Vorteile des Home-Office nutzen

Als wir im großen Stil auf Remote Work umgestiegen sind, mussten wir uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir arbeiten. Wir hatten bereits Microsoft Teams als Tool für die Zusammenarbeit, aber erst jetzt sind wir richtig damit umgegangen. Wir haben Transparenz zum Standard gemacht und so weit wie möglich auf gemeinsam genutzte Dokumente statt interne E-Mails umgestellt.

Dadurch sind fast alle Informationen für jedermann zugänglich geworden. Auf diese Weise eröffnete sich eine immense Möglichkeit, mehr kollektive Intelligenz aufzubauen. Gerade für diejenigen, die auch vorher nicht ständig aus dem Büro gearbeitet haben, ist es jetzt viel einfacher geworden, sich gleichberechtigt an der Arbeit zu beteiligen.

Wenn es um den Abverkauf geht, müssen viele der Besprechungen, die wir immer persönlich durchgeführt haben, jetzt digital durchgeführt werden. Auch das bringt Veränderungen mit sich: Die Besprechung muss viel strukturierter, das Material anders gestaltet werden, damit die Produkte auf einem Bildschirm wirklich rüberkommen.

David Ekelund (Chairman der Scandinavian Outdoor Group)
David Ekelund ist Vorsitzender der Scandinavian Outdoor Group.
Bildcredit:
ISPO.com

Strategie 2: E-Commerce an erster Stelle

Wir haben bereits vorher ein Projekt zur Verbesserung unseres Direct to Customer Business in die Wege geleitet. Nun sind wir direkt dazu übergegangen, es auch in die Tat umzusetzen. Wir nutzen nun die durch die Interaktion mit dem Endverbraucher generierten Daten viel zielgerichteter, um uns über die Vorlieben zu informieren. Das half etwa bei den verbesserten Produktbilder für SS21.

Wir haben uns auch bei Facebook- und Google-Algorythmen weitergebildet, so dass wir im Mai 2019 im Vergleich zum Vorjahr die Besucherzahlen der Website massiv gesteigert und unsere eigenen Webshop-Verkäufe um mehr als das Siebenfache erhöht haben.

e-Com an die erste Stelle zu setzen, ist der größte Perspektivwechsel für uns seit 14 Jahren. Wenn wir der Hauptverkäufer von Icebug-Produkten an den Endverbraucher werden, steigern wir nicht nur den Umsatz des Icebug-Webshops, sondern werden auch ein viel stärkerer Partner für unsere Vertriebspartner und Einzelhändler, indem wir ihnen helfen können, unsere Produkte besser zu verkaufen.

Während des Corona-Lockdowns hatten wir auch ein Programm mit dem Motto shop on-line, support your local", bei dem Einzelhändler, die nicht öffnen durften, ihre Kunden auf unseren Webshop hinweisen und somit Anteile an den Einnahmen erhalten konnten.

Abgesehen von einem eigenen Webshop und Omni-Channel ist es für die künftige E-Commerce-Strategie von Marken natürlich notwendig, einen klaren Plan für den Umgang mit Online-Marktplätzen zu haben.

Strategie 3: Schneller dank 3D-Design

In kurzer Zeit hat das Designteam gelernt, 3D-Renderings von neuen Styles zu erstellen, die dem Bild eines fertigen Musters sehr nahe kommen.

Dies verkürzt die Entwicklungszeit drastisch, da wir schneller zu wirklich guten physischen Prototypen kommen, wenn die Entwickler die Übersetzung von 2D zu 3D, von einer flachen Skizze zu einer physischen Probe, nicht mehr manuell vornehmen muss. Außerdem ist es so möglich, neue Ideen mit Kunden zu testen, ohner physische Muster anfertigen zu müssen.

Strategie 4: Offene Arme für Outdoor-Neulinge

Nach Covid-19 werden mehr Menschen regelmäßig laufen oder Outdoor-Aktivitäten ausüben. Diese Pandemie zeigt uns deutlich, wie wichtig Gesundheit ist. Aktivitäten im Freien ist in den letzten Wochen noch beliebter geworden. Einerseits, weil es sonst nicht viel zu tun gab, andererseits, weil die Verbindung zur Natur den Menschen Trost spendet.

Wir bei Icebug arbeiten schon lange an Events, die zu viel Spaß machen, als dass man sie nicht mit anderen teilen will. Einige davon haben wir jetzt erfolgreich so angepasst, dass sie mit Social Distancing vereinbar sind, aber ebenso wichtig ist es, weiterhin zu versuchen, die Eintrittsbarrieren zu senken.

Es gibt viele Outdoor-Neulinge und die Outdoor-Gemeinschaft hatte lange Zeit das Problem, nicht als sehr integrativ wahrgenommen zu werden. Um neue Leute für Outdoor-Ausrüstung zu interessieren - und ich glaube, das ist für die langfristige Relevanz unserer Branche von entscheidender Bedeutung -, müssen wir sie so ansprechen, dass sie sich damit identifizieren können. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Neuankömmlinge bei uns willkommen fühlen!

Strategie 5: Balance aus Kollektion 2020 und Neuheiten

Wirklich neuartige Produkte und Positivität werden in der nächsten Zeit selten sein. Viele sehen das Frühjahr 2020 und teilweise sogar der Herbst 2020 als verlorene Jahreszeiten. Aufgrund des Lockdowns gibt es noch viele Lagerbestände aus dem Frühjahr. Unterbrochene Lieferketten werden dazu führen, dass viele Herbstprodukte sehr spät geliefert werden. Das wird einen großen Einfluss auf Entwicklung und Innovation für 2021 haben, viele Marken haben dort bereits das Bremspedal durchgetreten.

Bei Icebug hatten wir bereits eine Übertragungsstrategie, hauptsächlich aus Gründen der Nachhaltigkeit. Wir schmeißen keine guten Produkte weg, nur um etwas Neues verkaufen zu können. Damit ersparen wir es auch dem Einzelhandel, am Ende der Saison Lagerbestände zum Saisonende abstoßen zu müssen. Wir haben diese Übertragsstrategie etwas ausgeweitet, aber wir werden auch dafür sorgen, dass wir eine ausgewogene Menge an Neuigkeiten bringen, um zu zeigen, dass wir an die Zukunft glauben.

„Wir werden nicht nur überleben, sondern langfristig gedeihen“

Es gibt noch ein paar weitere Hypothesen zum Sport- und Outdoor-Markt:

  • Lieferketten werden zerbrechen oder zumindest unterbrochen
  • Die Kaufkraft wird geringer sein
  • Im Falle eines Konkurses von Einzelhändlern wird es wahrscheinlich zu einem Überangebot an Lagerbeständen auf dem Markt kommen.

Aber damit mussten wir uns noch nicht wirklich auseinandersetzen, also haben wir noch keine Prioritäten gesetzt und Strategien hierfür entwickelt.

Wir sind nicht die Einzigen, die sich den Herausforderungen stellen. Ein "digital first"-Ansatz für den B2B-Verkauf und die Suche nach den richtigen Wegen, sich mit den Endverbrauchern zu verbinden, ist etwas, das alle Marken, die die Nase über Wasser haben, derzeit tun. Wie gut sich Icebug während und nach Covid-19 schlägt, wird von der Geschwindigkeit der Veränderungen abhängen, und dasselbe gilt für die gesamte Outdoor-Branche.

Wir haben den Menschen etwas sehr Wichtiges zu bieten, indem wir ihnen helfen, herauszukommen, sich zu bewegen und sich mit der Natur zu verbinden. Und unseren Antrieb für eine nachhaltige Transformation.

Wenn wir daran festhalten, bin ich zuversichtlich, dass wir nicht nur überleben, sondern langfristig aufblühen werden.

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