Wer sich im Premium-Segment positioniert, muss auch Verantwortung übernehmen. Davon ist Schöffel CEO Peter Schöffel überzeugt. Jahr für Jahr tritt er mit dem Erreichen des Leader-Status der Fair Wear Foundation den Beweis an, dass bei Schöffel das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. Sechsmal in Folge hat die Fair Wear das Outdoor-Unternehmen aus der Nähe von Augsburg bereits für seine vorbildliche Arbeit in der globalen Lieferkette ausgezeichnet. Der Fair Wear Chef Alexander Kohnstamm und Peter Schöffel geben Einblick in ihre Zusammenarbeit.
ISPO.com: Herr Schöffel, Sie haben zum 6. Mal in Folge den Leader Status der Fair Wear Foundation erreicht. Herzlichen Glückwunsch. Das klingt so, als wären die Anforderungen etwas zu niedrig für Sie?
Peter Schöffel: Man erreicht den Status nur, wenn man sich Jahr für Jahr steigert. Darin steckt viel Arbeit, insbesondere einer spezialisierten Abteilung, welche sehr gewissenhaft auf die Umsetzung der Vorgaben durch die Fair Wear Foundation achtet. Darauf sind wir stolz.
Alexander Kohnstamm: Auch bei den Olympischen Spielen gilt immer schneller, weiter, höher. Das ist bei uns auch so. Man kann mit einem rudimentären System anfangen, aber Schritt für Schritt kommt ein neues Element hinzu, und unser Performance Check fordert immer mehr. Wenn man immer nur das Gleiche macht, wird man nicht zum Leader.
Was muss stimmen, damit so eine Partnerschaft dauerhaft gelingt?
PS: Dafür braucht es drei Dinge: erstens den Willen dazu, beginnend bei der Spitze des Unternehmens. Zweitens das Können, um es richtig umzusetzen. Nur Wollen genügt nicht, denn du musst viele Prozesse komplett neu aufsetzen, sonst klappt es nicht. Und schließlich drittens, musst du bereit sein - wie bei allen strategischen Themen - mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen leben zu wollen.
Warum war Ihnen die Mitgliedschaft wichtig?
PS: Wir hatten schon vor 15 Jahren gute Beschaffungspartner. Aber unsere Partner saßen zunehmend in eigenen Büros und nicht mehr in den Fabriken selbst. Das heißt, wir hatten zwar ein gutes Bauchgefühl, aber uns fehlte der Beweis, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. Uns war klar, dass eine saubere Produktion in alle Stufen der Wertschöpfungskette ein Kernthema für uns sein muss. Es genügt nicht, zweimal im Jahr mit Produzenten zu sprechen. Wenn da etwas schiefläuft, schlägt das sofort auf uns zurück. Also haben wir uns gefragt, wie wir das gute Bauchgefühl rationalisieren können. Heute kann ich sicher sagen, dass Schöffel sauber arbeitet, und wir können das dokumentieren. Das ist der wichtige Unterschied zum guten Bauchgefühl.
Was hat sich in Ihrer Lieferkette seit ihrem Beitritt zur Fair Wear vor zehn Jahren geändert?
PS: Wir haben deutlich weniger Lieferanten, es gibt kein Subcontracting, es gibt massiv weniger Überstunden und mehr Arbeitssicherheit. Aber auch deutlich höhere Beschaffungspreise. Das geht nur mit Unternehmen, die bereit sind, in Themen wie Arbeitssicherheit oder Living Wages zu investieren. Die Regularien der Fair Wear sind sehr strikt, aber die Organisation hilft dabei, dass diese Vorgaben nicht behindern, sondern konstruktiv umgesetzt werden, damit Probleme wie etwa Überstunden vermieden werden können. Man muss besser planen und vorausplanen, und da sind wir dank der Fair Wear besser als vor zehn Jahren.
Herr Kohnstamm: Interessanterweise sind gerade Outdoormarken führend bei der Fair Wear. Wie kommt das?
AK: Schöffel ist da herausragend, sechsmal in Folge den Leader Status zu erreichen ist eine enorme Leistung. Ich denke, bei Schöffel ist ganz wichtig, dass die Entscheidung von der Spitze des Unternehmens getragen wird. Qualität hat auch eine soziale Komponente, die Produkte müssen auch gut hergestellt werden. Bei den Outdoormarken liegt es scheinbar in der DNA, es wirklich anders machen zu wollen. Vielleicht liegt es an den teureren Materialien, den langfristigeren Beziehungen mit Herstellern als beispielsweise im Vergleich zur Fast Fashion. Ich will nicht sagen, dass es dort nicht möglich ist, fair zu handeln, aber für kurzfristige Entscheidungen gibt es dort mehr Incentives.
Die Fair Wear fördert auch die Zusammenarbeit unter den Marken – was eher unüblich war. Wie funktioniert das?
AK: Wenn man als Marke Living Wages zahlen möchte, aber nur zu einem Anteil von zehn Prozent in einer Fabrik produziert, werden immer noch für 90 Prozent der Produktion keine höheren Gehälter gezahlt. Man muss also zusammenarbeiten und die gleiche Sprache sprechen.
Living Wages, also die Zahlung von Existenzlöhnen, ist auch eine Forderung der Fair Wear. Wie setzen Sie das bei Schöffel um?
PS: Living Wages sind ein sehr komplexes Thema, das wir nicht allein umsetzen können, woran wir aber arbeiten. Auf ein T-Shirt macht die Zahlung von Living Wages natürlich nur wenige Cents aus, aber in der Masse ist es viel. Dennoch bin ich der Meinung, als Premiummarke muss ich das leisten können. Das kostet natürlich, und dafür nehmen wir weniger Profit in Kauf. Ich bin mehr denn je überzeugt, dass wir uns als mittelständische Marke im Premium-Segment positionieren können und müssen, und dabei hat Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Darin sehe ich auch eine Riesenchance für den Handel, weil er ehrliche Geschichten erzählen kann, die hinter den Produkten stehen. Man sollte nicht nur über Wassersäulen sprechen, sondern über Herkunft und Produktionsweise. Das fordern die Kunden auch mehr und mehr ein.
AK: Es sollte nicht so sein, dass nur Premiummarken Living Wages zahlen können. Living Wages sind ein Menschenrecht. Im Grunde ist es sehr schade, dass wir überhaupt darüber sprechen müssen. Und es gibt immer noch viele Firmen, die nicht mal den gesetzlichen Mindestlohn zahlen.
PS: 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns zahlen wir immer. Aber bei der Zahlung von Living Wages ist man abhängig von den Produzenten, das können wir nicht selbst entscheiden. Wichtig ist es zu verstehen, wie sich Löhne und Preise zueinander verhalten, um verantwortlich handeln zu können.
AK: Jetzt in der Krise ist deutlich geworden, dass langfristige Beziehungen auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig sind. Zuverlässigkeit ist ein Two-Way-Stream, beide Seiten müssen sich an die Vereinbarungen halten um in Krisen aufeinander zählen zu können. Deshalb wird heute in der Finanzwelt auch mehr in nachhaltig ausgerichtete Unternehmen investiert, weil diese Risiken minimieren. Nachhaltigkeit ist kein Trend mehr, es ist eine strukturelle Sache. Der Markt kann nicht mehr zurück.
Herr Schöffel, wie geht es gerade Ihrer Lieferkette? Im Sommer haben Sie gesagt, Sie haben keine Aufträge storniert. Wie sieht es jetzt aus?
PS: Wir haben jetzt den Vorteil, dass alles etwas geplanter abläuft. Die Herausforderung liegt aktuell darin, die Beschaffung richtig zu steuern, aber ich glaube fest daran, dass wir nicht stornieren müssen. Spannend ist jetzt, dass wir seit der ISPO Munich 2020 aufgrund der Pandemie keinen Betrieb bei den asiatischen Produzenten und Stoffherstellern besuchen konnten und die Prozesse, die über die Fair Wear angestoßen wurden, selbstständig fortlaufen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was dabei rausgekommen wäre, wenn wir jetzt keine Produzenten hätten auf die wir uns verlassen können. Jetzt kommt auf den Tisch, wie man miteinander umgeht in Krisen. Wir brauchen starke Beschaffungspartner, deshalb müssen wir fair bleiben.
Herr Kohnstamm, wie halten Sie jetzt den Kontakt zu den Fabriken? Wie ist aktuell die Situation in den Bekleidungsbetrieben?
AK: Unser Beschwerdemechanismus für die Arbeiter in den Betrieben ist ganz wichtig gewesen. Den haben wir auch in der Krise aufrechterhalten können, auch wenn wir nicht mehr in den Fabriken sein konnten. Damit hatten wir viel zu tun. Es gab viele Beschwerden. Dieser markenunabhängige Beschwerdemechanismus ist einzigartig bei der Fair Wear, wir bieten ihn in allen zehn Ländern, in denen wir mit eigenen Teams aktiv sind, in der jeweiligen Landessprache an.
Mit welchen Zielen schauen Sie jetzt in die Zukunft?
PS: Wir wollen auch weiterhin Fair Wear Leader sein. Themen wie Living Wages oder Überstunden sind KPIs, die ich messen kann. Natürlich ist die aktuelle Situation herausfordernd. Es hätte mir acht Millionen Euro an Cash Flow gerettet, hätte ich im Sommer storniert. Aber ich halte Kurs, es wird keine Kehrtwende aus opportunistischen Gründen geben. Es braucht ein klares Bekenntnis, genau jetzt in dieser Sekunde daran festzuhalten.
AK: Meine Vision ist es, dass noch mehr Unternehmen bereit sind, sich den schwierigen Fragen zu stellen. Dann wird auch die Konkurrenzsituation zwischen den Unternehmen fairer. Ich bin außerdem sicher, dass in Europa ein Lieferkettengesetz kommen wird - sich darauf vorzubereiten, ist sehr vernünftig. Das heißt, auch der Markt erfordert es, nachhaltiger zu werden. Außerdem müssen wir als Industrie in Zukunft noch enger zusammenarbeiten und das neue „Normal“ definieren. Das Ziel ist einfach, die Frage ist, wie kommt man hin? Hier müssen wir kollektive Verantwortung zeigen und Maßnahmen entwickeln.
Bei weiterem Interesse zu Schöffel und dem Thema Nachhaltigkeit, sehen Sie sich gerne die Podiumsdiskussion „Soziale und ökologische Nachhaltigkeit Hand in Hand" mit
- Peter Schöffel (Managing Partner, Schöffel)
- Alexander Kohnstamm (Executive Director, Fair Wear)
- Dr. Katy Stevens (Head of Sustainabilty, European Outdoor Group)
am 05.02 um 17:40 auf der Main Stage der ISPO Munich Online.
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