Mit derzeit rund fünf Millionen Indoor-Kletterern nehmen die USA auch in dieser Sportart eine führende Rolle ein – auch dank Kletterstars wie Chris Sharma oder Margo Hayes. Der US-amerikanische Interessenverband Climbing Wall Association (CWA) führte bei seiner jährlichen Jahreskonferenz in Loveland (Colorado) Hallenbetreiber und Industrie zusammen und zeigte die wichtigsten Trends für die Zukunft des Kletterns auf. Unser Autor Hannes Huch ist dabei gewesen und fasst die wichtigsten Trends zusammen.
Mehr zum Thema Indoor-Klettern erfahren Sie vom 30. Juni bis 3. Juli auf der OutDoor by ISPO in München. In Halle A6 bildet der Indoor Climbing Hub eine eigene Focus Area zum Klettern und Bouldern. Dort wird unter anderem Bill Zimmermann, CEO der Climbing Wall Association, über die Entwicklung auf dem nordamerikanischen Kletterhallenmarkt berichten.
Sehr viele Hallen wurden im vergangenen Jahrzehnt hier und jenseits des Atlantiks einfach deshalb eröffnet, weil es eine offensichtliche Möglichkeit für Kletterer ist, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Und weil Klettern in aller Munde ist und ein scheinbar endloses Wachstum im Indoor-Segment verspricht. Diese Zeit geht gewiss zu Ende.
In vielen deutschen Städten zeigt sich, dass der Markt gesättigt ist. Nun folgt die Konsolidierungsphase. Es reicht nicht mehr, nur selber gut zu klettern, um die Mammutaufgabe zu erfüllen, den immer anspruchsvolleren Kunden gerecht zu werden.
Diesen integralen Punkt betont auch Emily Moore, die Organisatorin der CWA-Konferenz: „Es wird immer wichtiger sich ganz genau zu überlegen, wofür man überhaupt steht. Warum tust Du, was Du tust? Das ist für Kunden und das Team enorm wichtig.“ Für Moore lässt sich das in vielen Bereichen ablesen: Leadership, Marketing, Coaching und selbst in den Bereich des Routenschraubens hinein.
Oder in anderen Worten: Viele Kletterhallen werden die Frage nach ihrem „Unique Selling Point“ beantworten müssen. Und das nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch professionell nach außen kommuniziert. Um ihr Profil zu schärfen und sich mit einem unverwechselbaren Charakter von ihren Mitbewerbern zu unterscheiden.
In der grauen Vorzeit des Indoor-Kletterns, gefühlt in den 80ern, zogen fanatisch motivierte Felsfreaks an selbstgebauten Miniwändchen, die meist in düsteren Kellern installiert waren. Es war die Notlösung, wenn am Fels – aufgrund der Witterung – gar nichts mehr ging. Noch heute gibt es in vielen DAV-Sektionen solche altehrwürdigen Räumlichkeiten. Hier blieben die Freaks unter sich, Newbies kamen nach ihrem ersten Besuch meist kein zweites Mal.
Mit dem Aufkommen der kommerziellen Boulderhallen schien die Stunde für diese staubigen Kammern geschlagen zu haben: Lichtdurchflutet, mit bestem Kaffee und Bouldern versorgt, zudem in mitunter wunderschöner Architektur (wie beispielsweise im Dresdner Mandala) – wer will da noch in den Keller und unter Neonlicht klettern?
Die Amerikaner haben nun das Beste aus beiden Welten vereint und nennen das „Kiosk“. Ein Kiosk ist eine Art Miniboulderhalle für ambitionierte Kletterer – ganz bewusst nicht in dunklen Kellerräumen – denn jeder weiß, wie schlecht diese Atmosphäre für die Motivation ist. Und Motivation ist nun mal alles, wenn man sich im Sport verbessern will.
Der zweite Schlüssel zum Erfolg bei diesen Kiosks ist die Fokussierung auf neuartige Systemwände.
Das „Moonboard“ der englischen Kletterlegende Ben Moon war die erste Kletterwand, die mit einem standardisierten Griffset und einer App ausgeliefert wurde. Benutzer konnten aufgrund der nummerierten Griffe und Tritte eigene Boulder kreieren, sie in der App speichern und damit in den Austausch mit einer weltweiten Community treten.
Der Haken am Moonboard: Durch den fixen Neigungswinkel von 40 Grad und Griffe der eher schlechten Sorte spricht es nur sehr ambitionierte Nutzer an. Man muss schon ordentlich was in den Armen haben, um überhaupt die Aufwärmboulder zu schaffen, was der bescheidene Brite Moon natürlich mit Genugtuung wahrnimmt.
Die Macher des „Kilterboards“ haben in typisch amerikanischer Art die Vision „das beste Board zu bauen, das es gibt“. Dies schlägt sich zunächst in sehr ergonomischen Griffformen nieder, in einer Art der LED-Beleuchtung, die den kompletten Griff hinterleuchtet und last but not least in der Möglichkeit, die Neigung frei zu wählen.
So können sowohl Einsteiger als auch Profis an der gleichen Wand trainieren, ohne sich zu langweilen oder Verletzungen zu riskieren. In den USA eröffnen bereits die ersten Kiosks, die gleich mehrere Kilterboards aufstellen, weil man damit auf relativ kleiner Fläche die Bedürfnisse von vielen Kunden bedienen kann.
Auch hier ist der User Generated Content ein Erfolgsfaktor, denn wer möchte sich nicht mit einer weltweiten Community austauschen und sein eigenes Scherflein zur Datenbank hinzufügen, sprich eigene Boulder in der App abspeichern.
Ein Aspekt, der gerne unterschlagen wird, wurde auch bei der CWA-Konferenz in Loveland eifrig diskutiert: Letztendlich ist ein gelungener Kletterhallenbesuch für den Endkunden vor allem ein emotionales Erlebnis. Und das lässt sich weder durch ausgeklügelte digitale Entwicklungen noch durch die allerneueste Griffform maßgeblich beeinflussen.
Es hängt immer noch ganz wesentlich davon ab, ob und wie es ein Betreiber schafft, eine Atmosphäre zu kreieren, in der sich das Sportlerherz angeregt fühlt, alles zu geben. Gleichzeitig muss die Halle zum Wohlfühlen einladen.
Dies hat natürlich auch mit dem ersten Punkt zu tun – einer überzeugenden Corporate Identity, die eine klare Sprache spricht.
Aber die Herausforderung eines rundum gelungenen Erlebnisses ist damit alleine nicht zu meistern. Ich stimme meinen nordamerikanischen Kollegen zu, dass es vor allem einer eigenen starken Begeisterung für diesen Sport bedarf, um die emotionalen Bedürfnisse seiner Kunden nachvollziehen zu können.
Auch in Amerika wurden dazu Bereiche des Neuromarketings (wie beispielsweise Limbic Map) diskutiert, um glückliche Kletterer zu wiederkehrenden Kunden zu machen.
Die Climbing Wall Association war ursprünglich ein Teil der sogenannten „Outdoor Recreation Coalition of America“, wurde jedoch nach einer Neustrukturierung der Mutter-Organisation im Jahr 2003 als unabhängige Tochter ausgegliedert. Ihre Mission sieht die CWA in der Förderung des Wachstums und der Professionalisierung der Kletterhallen-Industrie.
Als klassischer Interessenverband stehen sie nicht nur den Betreibern beratend zur Seite, sondern pflegen ein enges Verhältnis zur ausstattenden Industrie. Gemeinsam werden neue Sicherheitsstandards entwickelt oder Maßnahmen konzipiert, den Sport zu promoten und den Markt zu vergrößern.
Die CWA vertritt auf vielseitige Weise die Interessen der kommerziellen Kletterhallenbetreiber und verhandelt regelmäßig CWA-Mitglieder-Rabatte mit den Partnern aus der Industrie.
Über den Autor: Hannes Huch klettert seit 33 Jahren und ist Diplom-Designer. Er gründete mit dem „Café Kraft“ eine der international bekanntesten Boulderhallen und betreibt seit 2019 zusammen mit seiner Frau Marion Hett eine Design- und Strategieberatung für den Outdoor-Sektor: www.hetthuch.com