Als sich China für westliche Marken öffnete, entstanden zahlreiche Joint Ventures – und es galt als echtes Statussymbol, eine westliche Marke zu besitzen. Vor dreißig Jahren war das Image entscheidend: Viele einheimische Marken wählten bewusst westlich klingende Namen, um den Absatz zu fördern. Doch eine Generation später ist das nicht mehr der Fall. Heute reicht ein Name allein nicht mehr aus. Man muss Leistung zeigen. Man muss optisch überzeugen. Und es spielt keine Rolle mehr, ob eine Marke aus dem Ausland stammt oder aus dem chinesischen Markt.
Die Konsument*innen von heute sind anspruchsvoll – sie wollen das Beste. Auch wenn internationale Marken weiterhin Chancen haben, ist der Zugang zum Markt kein Selbstläufer mehr. Die Konkurrenz ist stark, denn chinesisches Design hat an Selbstvertrauen gewonnen. Es herrschen neue, gleichberechtigte Wettbewerbsbedingungen. China ist längst nicht mehr das Land der Nachahmung – die heutigen Marken verfügen über eigene Visionen und Marktmacht.
Ob Flagship-Stores oder Shopping-Malls: Globale Marken wie Adidas, Nike, Uniqlo, Lululemon oder Under Armour gehören zum gewohnten Stadtbild. Zunehmend gewinnen auch ON Running und Hoka an Beliebtheit – besonders bei der jungen Zielgruppe. Gleichzeitig setzen chinesische Marken wie Anta und Li Ning starke Akzente – mit eigenem Profil und klarer Preispositionierung.
Chinas volumenstarke Sportmarken wachsen kontinuierlich – nicht zuletzt, weil sie auf ein global verfügbares Repertoire hochwertiger Materialien zurückgreifen: leistungsfähige Garne und Stoffe, wie sie etwa Anta nutzt – ausgezeichnet mit dem ISPO Textrends Award für Performance-Materialien. Auch im Design überzeugt man – vor allem durch ein tiefes Verständnis für den sogenannten Asian Fit, ein Aspekt, den viele westliche Marken beim Markteintritt unterschätzt haben.
China ist inzwischen eine bargeldlose Gesellschaft – alles läuft digital. Und glaubt man eines: Wer sein Smartphone vergisst, hat ein echtes Problem. Ausgestattet mit Alipay – der unverzichtbaren App, um „Didi“ (Chinas Antwort auf Uber) zu bestellen und sämtliche Zahlungen per QR-Code abzuwickeln, von Lebensmitteln über Zug- und Flugtickets bis hin zum Einzelhandel (vielleicht ein bisschen zu einfach – sorry an meine Bankberaterin!) – machte man sich also auf den Weg, Shanghais spannendste Orte rund um Sport und Outdoor zu entdecken. Und das Fazit? Beeindruckend!
Chinas Konsument*innen sind in Bewegung – auf der Suche nach Sport, Wellbeing, urbanen Outdoor-Erlebnissen und Gesundheit. Überall in der Stadt finden sich Shopping-Malls, die weit mehr bieten als Einkaufsmöglichkeiten: Jede einzelne vermittelt ein Gefühl von Luxus und schafft immersives Erleben – maßgeschneidert für unterschiedliche Altersgruppen und Einkommensniveaus.
Erster Halt: der vierstöckige Flagship-Store von Arc’teryx – ein echtes Erlebnis. Im obersten Stockwerk befindet sich ein kleines Museum, das auf faszinierende und lehrreiche Weise die Geschichte der Brand erzählt. Schon beim Betreten wird man durch eine nachgebaute Berglandschaft geführt, in der die aktuellen Kollektionen geschickt zwischen Felsformationen inszeniert sind – eine Hommage an die Wurzeln von Arc’teryx im Klettersport. Über eine industrielle Treppe geht es Stockwerk für Stockwerk weiter – großzügig, informativ, und begleitet von aufmerksamem Verkaufspersonal. Im vierten Stock angekommen, taucht man schließlich tief in die Markenhistorie ein.
Neben einem umfassenden Überblick über die Entwicklung der Brand zeigt Arc’teryx hier auch sein Engagement für nachhaltiges Wirtschaften: Das RE-Programm umfasst eine vorbildlich geführte Station, bei der alles auf Ressourcenschonung und Langlebigkeit ausgerichtet ist. ReGEAR bringt gebrauchte Produkte zurück in den Einsatz. ReCARE gibt Tipps zur richtigen Pflege. Und mit ReCUT werden Textilreste sinnvoll weiterverwendet. Reparaturen können direkt vor Ort durchgeführt werden.
Nach dem Rundgang – und mit einer Einkaufsüte der neuen T-Shirt-Kollektion inklusive ikonischem Fossil-Logo in der Hand – lädt das hauseigene Arc’teryx Café dazu ein, das Erlebte Revue passieren zu lassen.
Arc’teryx ist Teil von Amer Sports Inc. – einem globalen Verbund ikonischer Sport- und Outdoor-Marken wie Salomon, Wilson, Peak Performance und Atomic. ANTA, Chinas führende Sportmarke, hält dabei die größte Beteiligung an Amer Sports. Zum erweiterten Markenumfeld gehören auch FILA (Italien), Descente (Japan) und Kolon Sport (Südkorea) – gemeinsam bilden sie eines der breitesten Sortimente im Sportbereich, von der Masse bis zum Premiumsegment.
Es ist leicht nachzuvollziehen, warum ANTA die Nummer eins im chinesischen Markt ist: starke Kollektionen, attraktive Preispositionierung für jede digitale Zielgruppe und eine leistungsfähige F&E – zuletzt mit einem ISPO Textrends Award ausgezeichnet. Als offizieller Partner der chinesischen Olympiamannschaft betreibt ANTA eigene Stores, in denen Top-Performance-Textilien aus der hauseigenen Entwicklung auch dem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig verfolgt die Marke ambitionierte Nachhaltigkeitsziele: Mit den im April gestarteten Zero Carbon Mission Stores positioniert sich ANTA klar im Kampf gegen Emissionen.
Die Marktdominanz von ANTA Sports ist unübersehbar: Im Jahr 2024 erzielte das Unternehmen mit einem Umsatz von 70,8 Milliarden RMB (rund 8,86 Milliarden Euro) einen neuen Rekordwert – ein Anstieg von 13,6 % gegenüber dem Vorjahr.
China ist weltweit bekannt für seine Teekultur – und doch sorgt aktuell eine ganz andere Branche für Aufmerksamkeit: Kaffee. Allein Starbucks betreibt über tausend Filialen in Shanghai, darunter die Roastery – der größte Starbucks-Standort außerhalb der USA. Der Ort wird fast wie ein Museum besucht: mit eigenen Röstanlagen vor Ort und eindrucksvoller Inszenierung. Daneben haben sich zahlreiche lokale Marken etabliert, oft mit eigenen Loyalty-Apps und Rabattprogrammen, die im Stadtbild omnipräsent sind.
Diese neue Kaffeekultur zieht auch in den Handel ein. Wie beim Arc’teryx Café gehört in vielen Stores eine eigene Kaffeebar inzwischen zum Markenerlebnis. Das ist Retail auf einem ganz neuen Niveau.
Nächster Stopp: Bosideng – ISPO Award-Gewinner und mit über 3.000 Filialen eine feste Größe im chinesischen Sport- und Outdoormarkt. Als führender Anbieter hochwertiger Daunenbekleidung besuchte man den Flagship-Store, um einen Blick auf die aktuelle Frühling/Sommer-Kollektion zu werfen. Im Fokus: UV-Schutz – nicht nur als Schutzfunktion, sondern auch als gezielte Maßnahme gegen das Bräunen der Haut. Der Sportbezug verlagert sich sichtbar: weg vom Wintersport, hin zu Wandern, Radfahren, Tennis und Golf – allesamt wachsende Sportarten, verbunden mit urbanem Lebensstil. Die Kollektion basiert auf hochentwickelter F&E.
Bosideng verfolgt im Flagship-Store einen klaren Family-Ansatz – alle Altersgruppen werden angesprochen. Das zweite Stockwerk ist komplett der Kinderkollektion gewidmet. Auf der Eingangsebene und im vierten Stock zeigt die Marke stolz ihre Herkunft: verständlich erklärte Performance-Technologien und Designer-Kooperationen mit Größen wie Jean Paul Gaultier und Kenzo werden in einem Markenmuseum präsentiert.
Auch hier: eine Kaffeestation für Kund*innen, dazu eine Flasche Bosideng-Wasser beim Betreten. Alles zielt auf ein durchdachtes Einkaufserlebnis – das Gefühl, der Schnitt, der Moment. Doch wie steht es um den Verkauf?
Chinas Retail-Modell ist eng mit dem E-Commerce verwoben. Stationäre Stores dienen zunehmend als Showroom: Man probiert an, fühlt Materialien, erlebt die Marke – der Kauf selbst erfolgt dann oft online. Um den physischen Verkauf dennoch zu stärken, locken viele Läden mit exklusiven In-Store-Rabatten. Doch der Trend ist klar: Der Kaufabschluss verlagert sich ins Digitale.
„Clicks versus Bricks“? In China kein Gegensatz – sondern ein starkes Zusammenspiel. Und es geht längst nicht nur um klassischen Onlinehandel: Livestream-Shopping ist für viele Marken unverzichtbar geworden. Während des Besuchs bei Bosideng war das Livestream-Team live im Einsatz – auf Plattformen wie Red Book oder Taobao.
Interessant dabei: Obwohl Bosideng über ein eigenes Studio für Livestreams verfügt, sendet das Team inzwischen bevorzugt direkt von der Verkaufsfläche. Die Idee dahinter: Die Zuschauenden erleben echte Kund*innen im Store, was Nähe schafft, Vertrauen aufbaut und eine gewisse Kaufdynamik entfacht. Die Atmosphäre wirkt fast wie eine kleine Liveshow – zwischen Lichtreflektoren, Smartphone-Wänden und Verkaufsprofis, die sich mit beeindruckender Energie durch das Sortiment bewegen, präsentieren, erklären und verkaufen.
Chinas E-Commerce ist der globalen Entwicklung weit voraus. Von automatisierten Logistikzentren, die Bestellungen schon während des Streams verschicken, bis hin zur Lieferung in Rekordzeit – der Westen hat in puncto Digitalisierung und Konsument*innenerlebnis noch einiges aufzuholen.
Beim Betreten eines Kailas-Stores – einer chinesischen Outdoor-Marke für Apparel und Ausrüstung, gegründet 2003 – wird sofort klar: Diese Brand hat sich konsequent weiterentwickelt und zählt heute zu den wenigen chinesischen Marken mit erfolgreichem Zugang zum internationalen Markt. Ausgezeichnet mit dem ISPO Award 2024 für den Kailas Yan GTX High, fiel die Entscheidung leicht: Der FUGA EX330 mit Vibram-Sohle aus dem speziellen Grip Lab musste mit.
Kailas betreibt zahlreiche eigene und Franchise-Stores in Kanada, der Schweiz, Spanien, Griechenland, Japan, Singapur und Malaysia. Ergänzt wird das stationäre Netz durch eine starke Präsenz auf internationalen Sport-E-Commerce-Plattformen.
Kailas zeigt exemplarisch, wie viel kreative Kompetenz und F&E-Stärke heute in chinesischen Marken steckt – und wie diese auf globaler Bühne längst auf Augenhöhe agieren. Ihr Erfolg sollte andere chinesische Brands ermutigen, diesen Weg ebenfalls zu gehen.
Ein weiteres Beispiel in Richtung „Active Living“ ist Banana In. Diese Mainstream-Brand orientiert sich am japanischen Retail-Konzept von Uniqlo: Kollektionen werden klar entlang ihrer Material- und Performanceeigenschaften strukturiert. Ursprünglich als Marke für funktionale Unterwäsche gestartet, umfasst das Sortiment heute auch Urban- und Outdoor-Performancewear.
Was Banana In besonders macht, ist die spielerische Komponente: Neben dem ikonischen Bananenlogo gibt es In-Store-Optionen zur Individualisierung – Kund*innen können kreativ werden und ihr eigenes Design gestalten. Ein Erlebnis, das Funktionalität mit Persönlichkeit verbindet.
In einem Land mit über einer Milliarde Menschen einzigartig zu sein – genau das treibt Chinas Gen Z an. Zwischen globalen und nationalen Sportmarken, die Einkaufsstraßen und Malls dominieren, sucht die junge Generation nach dem nächsten Kick – nach Individualität, kultureller Tiefe und Ausdruck.
Im TX Huahjai Youth Energy Center in Shanghai wird spürbar, was die neue Konsument*innengeneration antreibt. Das kreative Zentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt zweier chinesischer Retail-Schwergewichte: der Bailian Group und der Urban Revitalization Force (URF) Group. Das Konzept: kuratierter Retail, der Kunst, Kultur und Konsum auf überraschende Weise verbindet. Das Ergebnis? Eine Markenwelt mit Haltung, Stil und klarer Handschrift. Stand-alone-Konzepte treffen auf Musik, Street-Art und subkulturelle Akzente – und trotzdem finden sich Marken wie Vans oder Nike direkt nebenan. Es funktioniert.
Gegenüber: das Hai 550 – ein mehrstöckiges Eco-Konzept mit rauem, urbanem Flair. Auf dem Erdgeschoss-Level: Xuperman, eine urbane Tischtennismarke. Daneben: ein Kaffeewagen, der eher Festival-Vibes als Einkaufscenter-Flair verbreitet. Ein bewusster Kontrast zur Hochglanz-Ästhetik klassischer Malls. Statt Marmor: Beton, statt Perfektion: Ecken, Kanten und Nachhaltigkeit.
Hier geht es nicht nur ums Einkaufen. Es ist ein Treffpunkt, ein Raum für Ideen, ein Ort zum Sehen und Gesehenwerden. Vielleicht ist genau das der Anfang einer neuen Retail-Ära – vor allem für Nischenmarken, die hier Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit gewinnen können.
Und wenn Gen Z diese neue Dynamik geprägt hat – was kommt dann erst mit Gen Alpha?
Ein letztes Fazit aus Shanghai: Was für eine Reise durch Chinas Retail-Landschaft. Und dabei ist das erst der Anfang – das sichtbare Stück des Eisbergs für Sport- und Outdoor-Marken im chinesischen Markt. Selbst wenn man Shanghai und Peking zusammennimmt, machen beide zusammen nur rund fünf Prozent des Landes aus. Blickt man auf aufstrebende Städte wie Chengdu, wird das Potenzial noch deutlicher: niedrigere Lebenshaltungskosten, höhere verfügbare Einkommen.
Shanghai ist als First-Tier-City vergleichbar mit Metropolen wie London, New York oder Paris – und gleichzeitig Schaufenster für die restlichen 95 % des Marktes. Was hier funktioniert, strahlt ins Landesinnere aus.
Für alle, die zur ISPO Shanghai reisen: Unbedingt WeChat einrichten und die Alipay-App vorab laden – in Kombination mit einer digitalen eSIM seid ihr bestens ausgestattet.
Doch Trendsetting endet nicht in Shanghai. Auf der ISPO Munich 2025 wartet die nächste Bühne – international, inspirierend, relevant. Hier trifft sich die Sport-Branche, um ihre Brands zu präsentieren, Ideen zu testen und Kollaborationen zu fördern. Kuratierte Matchmaking-Formate, praxisnahe Workshops und eine engagierte Fach-Community sorgen dafür, um mit wertvollem Input und neuer Dynamik nach Hause zurückzukehren.
- Der Wandel beginnt in Shanghai: Sport ist längst mehr als Bewegung – er wird zum Lebensstil. Besonders Chinas Gen Z macht ihn zum Ausdruck von Individualität. Herkunft allein reicht nicht mehr. Entscheidend sind Qualität, Funktion und Design.
- Heimische Marken holen auf: Adidas und Nike bleiben relevant, doch Marken wie Anta und Li Ning zeigen, was möglich ist: starke Produkte, faire Preise, überzeugender Auftritt – selbstbewusst und innovativ.
- Handel wird Erlebnis – digital und vor Ort: In China verschmelzen digitale und reale Welt: kontaktloses Bezahlen ist selbstverständlich, genauso wie Live-Verkauf über Apps. Stores werden zu Erlebnisorten, in denen man nicht nur kauft, sondern spürt, testet, erlebt.
- Marken mit Haltung: ANTA investiert in Forschung und Nachhaltigkeit. Kailas und Bosideng zeigen: Wer auf Leistung setzt und dabei authentisch bleibt, kann auch international erfolgreich sein – ohne sich zu verbiegen.
- Junge Zielgruppen wollen mehr: Einkaufen wird zum Treffpunkt. Kreative Konzepte, Orte mit Charakter und Verantwortung sprechen vor allem junge Menschen an. Sie suchen Marken, die zu ihrem Leben passen – nicht nur Produkte.
- Blick in die Zukunft: Was in Shanghai beginnt, breitet sich aus: Städte wie Chengdu zeigen, wie viel Potenzial im Landesinneren steckt. China wird zum Taktgeber – nicht nur als Markt, sondern als Motor für die Zukunft des Sports.
- Sports BusinessErfolgreiche Markenstrategien: Community im Sports Retail
- Awards
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- Health
- ISPO Beijing
- ISPO Munich
- ISPO Shanghai
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