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Hanwag
INTERVIEW/23.05.2024

„Das ist kein Schuh, das ist State-of-the-Art!“

Thomas Gröger, Hanwag
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Vom Geröllfeld auf den Laufsteg: Die deutsche Traditionsmarke Hanwag feiert auf den Fashion Weeks in Paris und Tokio krasse Erfolge mit ihren Berg- und Trekkingschuhen. Wie es dazu kam und warum alle Outdoor-Brands, die mit dem High-Fashion-Markt liebäugeln, keine zu hohen Erwartungen haben sollten, erzählt uns Hanwag-CEO Thomas Gröger in einer neuen Folge „Challenges of a CEO“.

Stellt euch vor: ein Showroom im malerischen Paris, Craftbier-Flaschen aus dem Eiskübel, Gäste in 500 Euro teuren Jogginghosen. Und ich mittendrin in bayerischer Tracht und unserem Retro-Rotpunkt – der Bergschuh, mit dem Hanwag im Februar 2023 zum allerersten Mal auf einer internationalen Modemesse vertreten war.

Outdoor-Fashion liegt im Trend

Aber erstmal zurück auf Anfang. Eine ehemalige Hanwag-Mitarbeiterin ist in Stockholm sprichwörtlich über ein Paar originale Rotpunkt-Schuhe gestolpert: Eine Person trug den Hanwag-Klassiker aus den 80er-Jahren einfach auf der Straße. Wir konnten ihr das Paar Schuhe abkaufen und stellten es in unserem Office in Bayern in die Vitrine.

Ungefähr zur gleichen Zeit meldete sich die Münchner Fashion-Agentur Akkvrat. Unsere Schuhe seinen „voll cool“, sie wollten Hanwag im Fashion-Segment positionieren. Wir haben abgelehnt. Auch bei der zweiten und dritten Anfrage. Aber Inhaber Atith Kotsombat ließ nicht locker und so haben wir ihn und sein Team beim vierten Anruf zu uns eingeladen. Und was ist ihnen beim Besuch prompt ins Auge gestochen? Der Rotpunkt in unserer Vitrine. Der würde auf der Fashion Week durch die Decke gehen.

Von Bayern nach Paris: Dank einer ehemaligen Mitarbeiterin und der Hartnäckigkeit einer Fashion-Agentur erobert Hanwags Rotpunkt-Klassiker aus den 80ern die Modewelt.
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Vom Berg auf die Fashion Week

Ich war skeptisch. Mit „Fashion“ assoziierte ich weiße Sneakers und hohe Emissionen. Hanwag ist das genaue Gegenteil: In jedem Paar unserer Schuhe stecken hunderte Stunden traditionelles Handwerk. Bei uns hat das Design immer einen technischen Zweck. Wir machen keine Schuhe, die schön aussehen, wir machen Schuhe für den Berg, für die Trekkingtour oder eine Fernwanderung.

Wir sind eine kleine Firma mit begrenzten Ressourcen. Auch deshalb haben wir zunächst nein gesagt. Nachhaltigkeit, Historie, authentische Produkte – genau das sei im High Fashion Segment gefragt, belehrte uns die Agentur. Nicht die schnellen Kopien von der Stange, die weißen Sneaker. Outdoor sei in der Mode der große Trend und Hanwag müsse mit einer bunten Neuauflage des Rotpunkts auf die Fashion Week nach Paris. Das fanden wir dann schon cool.

Hanwag auf der Pariser Fashion Week: vom traditionellen Handwerksbetrieb zur coolen Outdoor-Brand.
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Nun kenne ich die Outdoor-Branche seit 30 Jahren, war auf allen Messen. Aber die Fashion Week ist keine Messe, wie wir Outdoor-Brands sie kennen. Man mietet sich einen Laden oder eine Bar in der Innenstadt und stellt dort aus. Einen Stand brauchten wir gar nicht. Das war für mich etwas ganz Neues.

Unser Storytelling war endlich gefragt

Unter den Menschen, die in unseren Showroom kamen, war keiner normal angezogen. Das sind alles Individualisten. Aber sie interessierten sich wirklich für die Hanwag-Story: für unsere Historie, die nachhaltige Fertigung in Europa und 100 Jahre Schuhhandwerk. In der Outdoor-Branche haben wir diese Themen rauf- und runtergebetet. Am Ende ging es oft nur um den Preis.

Hanwag CEO Thomas Gröger in seiner Produktionshalle.
Thomas Gröger ist stolz auf die Firmenhistorie von Hanwag.
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Dort auf der Pariser Fashion Week stand unsere Story endlich im Mittelpunkt. Die Rückmeldung war: Das ist kein Schuh, das ist State-of-the-Art! Ich sehe Fashion-Welt seither aus einem ganz anderen Blickwinkel.

Wir haben den Retro-Rotpunkt dann nicht nur in Paris, sondern auch in Tokio, München und New York gelauncht. Und was soll ich sagen – in Sachen Brandbuilding und Erschließung neuer Zielgruppen hätte es nicht besser laufen können.

Wir entwickeln keine Fashion-Schuhe extra für Paris

Unsere Bergschuh-Klassiker in Braun und Grau hätten nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Wir sind farbenfreudiger geworden und Begriffe wie „Color Blocking“ fallen jetzt bei Hanwag gar nicht mehr so selten. Ganz wichtig ist mir aber, dass wir nicht mit der Fast Fashion Industrie in Verbindung gebracht werden. Hanwag entwickelt keine Fashion-Produkte. Die Schuhe bleiben die gleichen.

Vom Rotpunkt haben wir nur eine limitierte Menge gefertigt, die schnell abverkauft war. Seither kommen immer öfter Anfragen von internationalen Händlern, nicht nur für den Rotpunkt, auch für andere Modelle. Den Alaska gibt es jetzt auch in knalligem Orange und wir sprechen gerade viel über unseren Grid Stone – ein Halbschuh, den ich nicht als modern bezeichnen würde. Aber Atith Kotsombat meint, dass unser Klassiker genau das verkörpere, was die High-Fashion-Welt gerade braucht. Also schauen wir mal, wie wir das umsetzen können.

Was nehmen wir aus dieser Erfahrung mit?

Unsere Schuhe nehmen wir von den internationalen Fashion Weeks natürlich auch mit auf Outdoor-Messen wie die OutDoor by ISPO. Denn unsere langjährigen Händler sollen auf den Zug mit aufspringen können. Und das passiert auch. Schon bei der letzten ISPO Messe war das Thema Fashion riesig.

Für uns bei Hanwag ist ganz klar, dass wir auch in Zukunft keine Fashion-Produkte entwickeln wollen. Ich denke auch nicht, dass das funktionieren würde. Wir sind nicht aktiv in den Modemarkt gegangen, wir wurden von der High Fashion gefunden. Für alle, die mit dem Markt liebäugeln, kann ich nur sagen: Schnallt die Erwartungen nicht zu hoch. Wir sind Outdoor-Brands, keine Fashion-Brands, die über Nacht hunderttausende Schuhe verkaufen.

Dennoch haben wir im High-Fashion-Bereich einen neuen Absatzmarkt gefunden, der für uns gerade funktioniert. Dass in diesem Umfeld unser Storytelling so gut ankommt, macht Spaß! Und wenn der Trend wieder vorbei ist, dann ist es eben so. Wir waren ganz vorne mit dabei, das ist doch einfach ganz toll.