Sportbusiness/15.03.2023

Ehrlich und schonungslos: Das bewegt die Outdoor-Branche

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Weniger Masse an Produkten, mehr Nachhaltigkeit und Community-Gedanken: Das sind die großen Themen der Outdoor-Branche. 2023 kann das Jahr werden, in dem die Industrie die großen Herausforderungen nicht nur erkennt, sondern auch umsetzt. Da sind sich die Outdoor-Medien-Profis einig. Wir haben mit den Insidern der Branche gesprochen - ehrlich, schonungslos und motiviert.

Lieferkettenengpässe machen der Outdoor-Branche weiter zu schaffen.  

Die Branche muss zusammenhalten

„Die Leute sind hungrig, draußen Erlebnisse zu erfahren.“ Astrid Schlüchter, SAZ

Egal, ob Trailrunning, Skifahren oder Radfahren: Der Mensch liebt es, sich draußen zu bewegen. Outdoorsport boomt - nicht zuletzt wegen der Pandemie und ihre Nachwirkungen. Und: Der Mensch liebt es, Geld für sein Hobby auszugeben. Von beiden Komponenten profitiert die Outdoor-Branche. Vor allem das Wandern begeistert immer mehr Menschen und ist längst kein Sport mehr nur für Gipfelstürmer. Wandern ist im Mainstream angekommen - um zu bleiben.  

Die gute Nachricht ist: Der Boom in der Outdoor-Branche geht weiter. Die schlechte Nachricht ist: Die Industrie sieht sich auch zahlreichen Herausforderungen gegenüber, die die Branche bewältigen muss. Produktüberschwemmung, Lagerdruck und Lieferengpässe sind im Jahr 2023 die großen Themen, die Unternehmen besonders im Blick behalten müssen. Ob auf dem Sport- und Medientag oder bei Netzwerktreffen: Die Branche diskutiert und sucht nach Lösungen. Wir haben mit den Outdoor-Medien-Profis und Expert*innen gesprochen. Menschen, die seit Jahren hautnah an der Industrie dran sind, die Branche verstehen und Trends früh entdecken. 

„Für die Branche gibt es natürlich wahnsinnig viele Herausforderungen. Wir sehen draußen den Krieg, wir sehen, dass die Preise steigen, wir haben Lieferengpässe. Ich denke, die Outdoor-Branche kann das meistern, wenn sie zusammen hält, und das tut sie.“ Astrid Schlüchter, SAZ

1. Lange Liebe statt kurzer Affäre

Das Motto „Lange Liebe statt kurzer Affäre“ war nicht nur im Fokus des Consumer Insights Reports, sondern gilt für die ganze Branche, Produkte gibt es auf dem Markt genug. Jetzt ist es an der Zeit, grün zu wachsen, und zwar über Serviceleistungen.

„Ich glaube, wir sind uns einig, dass unser ganzes Wirtschaftssystem auf Wachstum basiert. Aber wenn das Wachstum einfach zu einem Kollaps führt - der Natur, der Umwelt - dann kann das so nicht funktionieren. Also müssen wir gucken, dass das Wachstum nicht mehr über ein Produkt erreicht wird, sondern über Dienstleistungen.“ Susanne Kern, Outdoor Kompass

Ein heißes Thema im Bereich der Serviceleistungen sind Repair-Services und Recycling. Die Branche kommt laut Expert*innen nicht daran vorbei, endlich das große Thema „Kreislaufwirtschaft“ final zu Ende zu denken und zu leben. Produkte müssen repariert, recycelt, upcycelt und wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel voraussetzt.

Die Wiederaufbereitung von Waren wird unseren Expert*innen nach genauso wichtig, wie sie überhaupt recyclefähig zu machen. Dabei steht die Produktion sortenreiner Produkte an oberster Stelle. Ob Polyester, Merinowolle, Baumwolle oder Biobased Synthetics: Reine Produkte müssen noch für die Masse verfügbar gemacht werden, wofür die Infrastruktur aktuell nach Einschätzung unserer Medien-Profis noch nicht ausgelegt ist.

Die Industrie muss laut Outdoor-Journalist*innen daher bereits in den Vorstufen ansetzen und diese unterstützen, gerade in die Produktion von biobasierten Kunststoffen.

Der Patagonia Repair Truck auf der ISPO Munich 2022
Bildcredit:
ISPO Munich
„Muss ich immer neue Produkte in einen Kreislauf bringen, der ja kein Kreislauf ist?“ Susanne Kern, Outdoor Kompass

2. Volle Lager mit passenden Kollektionen

Eine weitere aktuelle Herausforderung sind laut unserer Medien-Profis übervolle Lager. Die Schwierigkeiten der letzten Monate und Jahre führten zu großen Kauf und Orderzurückhaltungen, wodurch Händler mit vollen Lagern zu kämpfen haben. Kein Grund, komplett auf Angebote zu verzichten! Jetzt gilt es, auf die Händler:innen zu reagieren und passende Kollektionen zu entwickeln. Diese sollten laut Outdoor-Expert*innen so aufbereitet sein, dass sie noch in den Beständen im Handel passen und diese ergänzen, damit es im Laden ein harmonisches Bild ergibt. Somit kann Innovation und Altware Hand in Hand verkauft werden.

„Eine der größten Herausforderungen dürfte die Anzahl der Produkte sein, die bereits auf dem Markt sind. Wir hatten einen schlechten Winter, deshalb gibt es noch eine Menge bestehender Ausrüstung. Wir müssen also abwarten, wie sich das entwickelt.“ Frank Wacker, Outdoor Magazin

3. Lieferkettenengpässe und Transparenz

Nichts Neues, nicht wahr? Lieferkettenengpässe beschäftigen die Outdoorbranche schon eine ganze Weile und werden auch weiterhin ein ganz großes Thema bleiben. Gerade mit neuen EU-Gesetzgebungen, wie dem seit 1. Januar 2023 geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), werden Unternehmen weiter vor Herausforderungen stehen, bis sich Unternehmen “eingegroovet” haben. Dabei werden diese zwei Themen nach Einschätzung unserer Medien-Profis besonders relevant werden: die Transparenz zu den Produktionspartnern und Lieferanten sowie die Einigung auf Standards, Regularien, Softwarelösungen und vielem mehr, die für die gesamte Branche funktionieren.

„Das wird die ganze Industrie auf Trab halten, und zwar nicht nur in 2023, sondern sicherlich die nächsten zehn Jahre.“ Susanne Kern, Outdoor Kompass

Die Industrie steht vor einem Neuanfang

What doesn’t kill you, makes you stronger  – oder? Denn mit der richtigen Herangehensweise können Unternehmen, wenn sie früh genug reagieren, diese Herausforderungen zu ihrem Vorteil nutzen. Da sind sich alle Outdoor-Medien-Profis einig. Das Wichtigste dabei ist das Umdenken. Ein Umdenken, das bei den Konsument*innen bereits stattgefunden hat und welches sie jetzt von Marken verlangen. Für die Industrie wird es laut unserer Expert*innen wichtig sein, zu realisieren, dass das immer gleiche Wachstum ein Limit hat. Viel mehr geht es darum, den eigenen Impakt auf Gesellschaft und Natur wahrzunehmen und daraus Wachstumschancen zu ziehen. Beispiele gefällig? Eva Karlsson mit Houdini oder Yvon Chouinards mit Patagonia leben Nachhaltigkeit und grünes Wachstum. Patagonias Repair Truck ist dabei nur eines von zahlreichen Beispielen, die anderen als Inspiration dienen sollte.

„Die Chancen sind dabei wirklich auch einen Neuanfang zu wagen und zu sagen, wir gehen weg von den Zwängen und versuchen ein neues Geschäftsmodell zu finden, was eben einerseits kapitalistisch funktioniert, aber andererseits auch mit den Dingen, die unsere Gesellschaft und unser Planet braucht.“ Susanne Kern, Outdoor Kompass