Wintersport/13.01.2020

Aline Bock: „Als Frau muss man mehr Leistung bringen“

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Die Freeride-Weltmeisterinnen Aline Bock und Anne-Flore Marxer haben mit ihrem Filmprojekt „A land shaped by women“ für Aufsehen gesorgt – in der Freeride-Szene und darüber hinaus. Mit dem Film haben sie dem Thema Gleichberechtigung und Boardsport Aufmerksamkeit verschafft. Im Interview beschreibt Aline Bock, wie frustrierend viele Ungerechtigkeiten im Business für sie sind.

„A land shaped by women“ zeigt Aline Bock und Anne-Flore Marxer
Der Film „A land shaped by women“ zeigt Aline Bock und Anne-Flore Marxer bei ihrem Roadtrip nach Island. Boarden, Surfen und viele Gespräche mit den unterschiedlichsten isländischen Frauen standen auf ihrer Agenda.  

Mit wunderschönen Aufnahmen vom Surfen und Splitboarden auf Island untermalen die beiden Actionsportlerinnen Anne-Flore Marxer und Aline Bock ihre Botschaft von „A land shaped by women“: Gleichberechtigung. Island ist (laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums) Spitzenreiter in Sachen Gleichberechtigung und die isländischen Frauen kämpfen entschlossen dafür.

So wie Anne-Flore Marxer und Aline Bock, die mit ihrem Filmprojekt einen riesigen Erfolg haben und weltweit schon über zehn Auszeichnungen erhielten. Doch im Boardsport ist Gleichberechtigung noch nicht angekommen, sagen die Beiden. Aline Bock macht ISPO.com deutlich, was das ganz konkret im Leben einer Profisportlerin und Filmemacherin bedeutet.

Be creative. Frauen als Zielgruppe sind auch ein Thema auf der ISPO Munich 2020. Am Montag, den 27. Januar beginnt ab 18.30 Uhr der Themenabend mit Keynote-Speakerin Oona Horx-Strathern über die Rolle der Frau und aktuelle Megatrends. Zur Anmeldung geht es hier.

Mehr Infos zum Programm auf der ISPO Munich 2020 im Eventkalender.

Frau Bock, Sie und Anne-Flore Marxer haben eine Filmtour absolviert. Wie wurde Ihr Film „A land shaped by women“ angenommen?
Alina Bock: Der Film wurde sehr, sehr gut angenommen. Wir hatten eine Premierentour durch ganz Europa und waren bei fast jedem Stopp ausverkauft. Das Feedback nach dem Film von Medien und Zuschauern war so, wie wir es uns erhofft hatten: Das Publikum fühlte sich motiviert und inspiriert und fragte sich, was es selbst für Gleichberechtigung tun könnte. Wir bekamen auch Anfragen, ob wir den Film in Bildungseinrichtungen oder jungen Flüchtlingen zeigen wollen. Das ist für uns eine große Ehre.

Natürlich gab es auch Kritik und wir hörten öfter die Frage, warum wir keine Männer gezeigt haben. Die Antwort ist einfach: wir wollten explizit Frauen eine Plattform bieten, da bei 80% der Outdoorfilme ausschließlich Männer gezeigt werden und dann fragt auch niemand, warum keine Frauen zu sehen waren.

Große Sponsoren nicht interessiert

Mit dem Thema Gleichberechtigung haben Sie beim Publikum offenbar ins Schwarze getroffen ... auch bei den Sponsoren?
Bei meinen Sponsoren, Vaude und Thule, waren Frauen die Budgetverantwortlichen und die waren von Anfang an von dem Konzept begeistert. Dank ihnen hatten wir die Möglichkeit, den Film zu realisieren. Aber einen großen externen Sponsor zu finden, war unmöglich, ich hoffe das ändert sich in Zukunft.

Das Budget für Filme wird in der Branche immer knapper. Wie erging es Ihnen bei der Finanzierung für den Film und die Tour?
Durch die drei Filme, die ich im Laufe meiner Karriere mitproduziert habe, weiß ich, dass es in der Filmbranche sehr schwierig ist, Filmbudgets von Sponsoren zu bekommen. Vor allem als Frau. Die Budgets, die Männer in der Branche bekommen, sind wesentlich höher. 90% der Actionfilme sind von Männern konzipiert und Männer sind die Protagonisten – nur mit etwas Glück ist auch eine Frau zu sehen.

Island war der perfekte Ort um Material für den Film zu sammeln, denn dort wird Gleichberechtigung sehr groß geschrieben. 
Bildcredit:
Eleonora Raggi

Frauen im Sport sind medial unterrepräsentiert

Wie sehen Sie die Entwicklung zum Thema Gleichberechtigung im Boardsport allgemein in den vergangenen Jahren und was kann man heute für weibliche Sportlerinnen verbessern?
Meiner Meinung nach, hat sich ein bisschen was geändert, aber nicht viel. Es ist immer noch so, dass Firmen Teams, die überwiegend aus Männern bestehen, unterstützen. Die haben dann vielleicht ein bis zwei Frauen im Team und brüsten sich damit. Das ganze Budget fließt aber trotzdem zu den Männern und die Frau hat eigentlich keine Chance, gleichberechtigt neben ihren Teamkollegen zu stehen.

Das Argument ist meist, dass hauptsächlich Männer-Snowboards verkauft werden. Aber genau hier sehe ich das Problem: Wenn eine Firma 90% Männerboards herstellt und bewirbt, fühlen sich Frauen davon auch überhaupt nicht angesprochen. Damit es ausgewogen ist, müsste man eigentlich gleich viele Frauenbretter und Männerbretter auf den Markt bringen und die Budgets gleichberechtigt verteilen. Snowboarden wird Frauen schwer zugänglich gemacht, da wir einfach unterrepräsentiert, wenn überhaupt repräsentiert werden. Gerade in den Medien.

Wir haben eine Reportage mit der Süddeutschen Zeitung gemacht und sie haben uns erörtert, dass sie in ihrem Sportteil zu 90% über Männer berichten. Wenn Frauen also gar nicht repräsentiert werden, verbreitet sich das Bild, dass Frauen keinen Sport machen, da er zu gefährlich, schwierig etc. für sie sei.

Was muss man also tun, um auch als weibliche Sportlerin Gelder für ein (Film-) Projekt zu bekommen?
Ich habe das Gefühl, dass man sich als Frau mehr beweisen und mehr Leistung bringen muss, um das gleiche Budget zu bekommen. Und das ist sehr frustrierend. Nach zwei erfolgreich produzierten Filmen ist es für mich nicht verständlich, warum ich für meinen dritten Film weniger Budget bekommen habe, als ein Projekt, was Männer vorgeschlagen haben. Ich hoffe, dass ich es nach diesem sehr erfolgreichen Projekt und dem großen medialen Interesse, nun bei Folgenprojekten einfacher haben werde.

Wie ist das bei Ihnen gewesen, als Sie noch Freeride World Tour (FWT) gefahren sind?
Wir Frauen wurden in der Berichterstattung, die die FWT selbst erstellt, kurz abgehandelt und einmal sogar ganz vergessen. Wie und wo sollen junge Mädchen denn ihre Vorbilder finden? Ich habe mich früher immer an Frauen gemessen, da ich mir dachte, wenn sie das kann, kann ich das auch! Frauen können mich einfach besser inspirieren und motivieren.

Frauen müssen in den Medien gleichberechtigt dargestellt werden und Marketingstrategien müssen auch auf Frauen abzielen und zwar auf Augenhöhe und nicht klischeehaft – wie z.B. die sexy Surferin. In dem Moment, in dem sich das Marketing nur an Männer richtet, eliminiert man 50 Prozent der Zielgruppe... das macht ja auch keinen Sinn!

Eine glückliche Aline Bock im Backcountry in Japan.
Bildcredit:
Aaron Jamieson

„Social Media kann schlechte Laune machen“

Apropos Vermarktung.... Welchen Stellenwert hat Social Media für Ihre Karriere?
Lacht.... Wenn ich keine mediale Person wäre, würde ich als Privatperson Social Media nicht unbedingt nutzen. Aber es hat natürlich positive wie negative Seiten. Die positiven Seiten sind, dass man weiß, wo seine Freunde und entfernte Bekannte gerade sind. Andererseits ist es für mich aber eine reine Selbstdarstellung, bei der vieles falsch dargestellt wird. Alle unsere Profile kommen mit den Hashtags #bestlife #besttimeofmylife etc. Diese Darstellung verzerrt natürlich das wirkliche Bild. Dadurch kann Social Media durchaus schlechte Laune machen, da man leicht das Gefühl bekommen kann, dass jeder ein besseres Leben führt, als man selbst.

Natürlich kann man mit Social Media eine riesige Reichweite generieren, aber es ist auch unglaublich schnelllebig und die Zahlen sind auch nicht unbedingt aussagekräftig. Bei meinen Sponsoren hat mein Social-Media-Profil zum Glück nicht den höchsten Stellenwert. Ich bin kein Influencer und kein Blogger und ich verkaufe keine Produkte, hinter denen ich nicht stehe. Ich möchte unbedingt authentisch bleiben.

Ihre Authentizität hat Ihnen sicher auch bei Ihrer langen Karriere geholfen. Wie wichtig war Ihr Titel „Freeride World Champion“ 2010 für Ihre Karriere?
Der Titel war sehr wichtig für mich und hat mir einige Türen geöffnet, obwohl die Freeride World Tour nie das große Ziel von mir war. Dort bin ich zufällig reingeschlittert und habe dann sehr viel Spaß dran gefunden. Der unerwartete Weltmeistertitel hat mir die Aufmerksamkeit der deutschen Mainstream Medien geliefert und ist definitiv mit dafür verantwortlich, dass ich jetzt, zehn Jahre später, noch mit meiner Passion Geld verdienen kann. Zudem hat der Titel mir geholfen, ein breites Netzwerk aufzubauen, das mir jetzt dabei hilft, Stories und Filme zu produzieren und zu vermarkten.

Outdoor-Lifestyle kommt an

Inzwischen spielt sich Ihr Leben zwischen Bergen, Meer und Ihrem Van ab. Damit sind Sie genau am Nerv der Zeit, denn Outdoor und Vanlife boomen momentan. Wie sehen Sie die Entwicklung von Snowboarden, Surfen und Outdoor...? Verschmelzen diese Bereiche immer mehr?
Generell denke ich, dass man sich, wenn man älter wird, für andere Dinge interessiert und offener wird. Die jungen Snowboarder von damals, sind heute Mitte dreißig und aufwärts. Damals ging es ums pure Snowboarden, heute liegt die Aufmerksamkeit mehr auf dem Gefühl und dem Erlebnis. Das merkt man auch an den neueren Filmprojekten, die auch meist eine Message oder eine Geschichte enthalten. Bei mir verlagerten sich meine Interessen vor ein paar Jahren und ich fing an, mehr Zeit mit meinen anderen Passionen wie Wellenreiten und Biken zu verbringen. Mit meinen Sponsoren aus der Outdoorbranche, habe ich das Glück, dass sie von mir nicht nur Freeriden sehen wollen, sondern den ganzen Outdoor-Lifestyle. Ich denke, mit meiner Entwicklung können sich inzwischen viele älter gewordene Snowboarder identifizieren.

Aline Bock im Tiefschnee in Japan.
Bildcredit:
Aaron Jamieson