Dorothea, kein anderer Italiener oder Italienerin hat so viele Medaillen im Biathlon gesammelt wie du. Wie trainierst du?
Dorothea Wierer: Wir sind in Italien ein vergleichsweise kleines Biathlon-Team und haben schon früher immer gemischt trainiert. Ich trainiere auch heute noch mit den Männern, auch wenn mittlerweile viele junge Biathletinnen nachgekommen sind. Aber ich messe mich gerne mit den Männern. Es sind viele sehr junge Burschen dabei, die das Training zwar mit Ehrgeiz angehen, aber auch locker nehmen, dadurch ist das Training oft recht lustig.
Worauf achtest du sonst besonders?
Ernährung ist natürlich wichtig, deshalb haben wir auch im Weltcup unseren italienischen Koch dabei, um den uns alle beneiden. Aber ich achte eigentlich auf nichts. Ich trinke auch mal einen Aperitivo beim Shoppen mit Freundinnen oder auf der Hütte ein Schnapserl, wenn ich privat unterwegs bin und freihabe. Was das Schlafen angeht, brauchen Frauen einfach mehr Schlaf als Männer. Da muss ich ein bisschen Acht geben, weil ich manchmal nicht schlafen kann, wenn einfach so viel los ist. Neben dem Biathlon bauen mein Mann und ich gerade ein Haus in der Nähe von Bozen. Zuvor wusste ich gar nicht, wie unglaublich viel dabei zu entscheiden ist. Jetzt bin ich aber auch schon mitten in der Nacht aufgewacht und habe an die Auswahl der Böden gedacht.
Du hast eben den Unterschied zwischen Männern und Frauen angesprochen. Chancengleichheit für Frauen im Sport ist ja superpräsent im Moment, wie siehst du das im Biathlon?
Der Biathlonsport an sich ist relativ neutral und es ist alles gleich zwischen Männern und Frauen. Siegprämien sind gleich und alle verdienen bei den Rennen das gleiche Geld. Familienplanung ist für Frauen gleichzeitig deutlich schwieriger. Wir sind von November bis März ständig unterwegs. Und nach Training und Wettkampf ist die Regeneration ja unglaublich wichtig. Das geht mit Baby natürlich nicht mehr so ohne Weiteres. Viele machen dann ein Jahr Pause oder nehmen das Kind später mit Nanny mit auf die Tour. Das ist aber ein persönliches, vielleicht auch kulturell geprägtes Thema, wo jede anders tickt. Ich will später sagen können, ich habe alles hundertprozentig gemacht. Momentan konzentriere ich mich voll auf Biathlon und wenn ich irgendwann aufhöre, kommt dann Familie an erster Stelle. Ich muss heute ja auch nicht mehr mit 20 Kinder bekommen. Mit 30 oder 40 ist es auch noch ok.
Natürlich spielt bei Frauen im Training und Wettkampf auch der Zyklus eine Rolle. Wenn du Glück hast, hast du deine Menstruation nicht am Renntag. Wenn doch, musst du natürlich trotzdem starten, hast drei Rennen hintereinander, zum Beispiel mit Rückenschmerzen und schweren Beinen. Trotzdem steht auf der Ergebnisliste natürlich auch nicht: “hatte ihre Menstruation”. Wäre aber eigentlich mal spannend.
In den Medien wird bei Frauen auch oft von Zickenkrieg gesprochen. Wie ist es mit dem Konkurrenzkampf bei Männern und Frauen?
Im Profisport wollen wir alle gewinnen, egal ob Männer oder Frauen. Ich würde sagen, es gibt gleich viel Konflikte bei Männern und Frauen und kommt eher auf die Person oder den Charakter der Athleten an. Bei Frauen ist der Konkurrenzkampf oft von außen geschaffen, selbst wenn sie vielleicht ein bisschen komplizierter als Männer sind.
Bist du mehr Trainings- oder Wettkampftyp?
Ich war immer schon ehrgeizig und mehr Wettkampf- als Trainingstyp. Sobald die Startnummer übergestreift ist, will ich einfach die Beste sein. Das motiviert mich nach wie vor sehr. Das wollen wir im Spitzensport natürlich alle. Man muss schon auch dafür gemacht sein. Zum einen eben als Wettkampftyp und wenn man sich durchbeißen muss, auch wie man mit Rückschlägen umgeht. Da kommt es auf Charakterstärke an.
Ich habe zwar schon mit 23 gesagt, dass ich aufhören will, aber jetzt, mit 32, macht es mir einfach immer noch echt Spaß. Ich will auch nicht sagen, wann ich aufhöre und bewerte nach jeder Saison neu.
Du bist schon eine Weile im Weltcup dabei und zählst zu den erfahreneren Athletinnen. Welche Zeit hast du besonders genossen?
Mit 22 oder 23 würde ich sagen, obwohl ich damals nichts gewonnen habe. Früher war alles noch etwas entspannter und lockerer, ich war viel unterwegs an den unterschiedlichsten neuen Orten, auch beim Feiern. Manchmal vielleicht ein bisschen zu viel (lacht). Die Jungen heute sind eine ganz andere Generation und quasi schon von Anfang an Profi, da jetzt auch viel mehr Geld im Spiel ist.
Hast du ein sportliches Vorbild?
Lindsey Vonn. Sie ist schon ein extremes Sport-Idol, auch wie sie sich alles neben dem Weltcup-Zirkus aufgebaut hat, sich vermarktet und auch heute noch sehr präsent ist, vor allem in den USA. Wenn man außerdem an all ihre Verletzungen denkt, ist sie schon eine harte Sau, wenn man das so sagen darf (lacht).
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