Wintersport/22.10.2020

Ski-Hersteller trotz Corona für Winter optimistisch

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Der Winter 2020/21 bringt viele Ungewissheiten für Händler, Kunden, aber auch für die Hersteller. Doch der Grundton ist positiv: Kommt der Schnee, kann es trotz Corona eine sehr gute Saison werden. Haglöfs hofft nach dem Fahrrad-Boom auf positive Effekte fürs Langlaufen.

Wie wird die Ski-Saison 2020/21? Die Branche ist trotz Corona optimistisch.

Fast schon traditionell blickt die Sportindustrie immer auch über den eigenen Tellerrand, nimmt gesellschaftliche Trends und Entwicklungen auf. Das gilt auch in der aktuellen Pandemie. Denn es geht nicht nur um überzeugende Produkte zur richtigen Zeit – in den kommenden Monaten wird es auch darum gehen, das richtige Umfeld für eine erfolgreiche Wintersport-Saison mitzugestalten. Außerdem stellt sich die Frage: Wer ist in diesem Winter überhaupt die Zielgruppe?

Peter Bruggmann, Präsident der Schweizer Händlerverbands ASMAS, bringt es auf den Punkt: „Fast alle Menschen, die früher im Winter in die Sonne geflogen sind, werden dieses Jahr hierbleiben. Das sind nicht zwingend Skiurlauber, ehrlich gesagt wissen wir bei den meisten nicht, was sie in den kommenden Wochen vorhaben“, erklärt Bruggmann, der mit seinem Branchenverband mehr als 420 Sportfachhändler in der Schweiz vertritt.

Aus der neuen Situation erwachsen aber große Chancen. Für Händler und Hersteller sieht er im kommenden Winter ein großes Potential: „Ich denke, dass sich ein Trend aus dem Sommer fortsetzen wird – die Leute wollen raus in die Natur. Ich erwarte einen großen Wachstum beim Winterwandern, bei Schneeschuhwanderungen, Langlaufen und wie in den vergangenen Jahren schon beim Skitourengehen.“

Atomic setzt auf Kundenbindung durch Know-How

Auch Daniel Meyer von Atomic Skiing schaut im kommenden Winter nicht nur aufs Wetter. „Speziell beim klassischen Skifahren sind wir zusätzlich abhängig von politischen Entscheidungen und möglichen Reisebeschränkungen“. Zwar sehe er – wenn der Schnee kommt – heuer für den Langlauf und das Skitourengehen großes Potential. Doch trotz des Booms: „Tourengehen ist noch kein gleichwertiger Ersatz zum Alpinbereich, aber zumindest in Süddeutschland eine wichtige Ergänzung.“

In der Nähe der Alpen sind Skitouren sicher heute schon eine Art Alltagsabenteuer. Und in diesem Jahr sei davon auszugehen, dass zunehmend mehr Einsteiger dabei auch auf den Pisten unterwegs sein werden. „Entsprechend brauchen wir eine dauerhafte Einigung mit den Liftbetreibern“, erklärt Meyer. Vor allem aber seien Hersteller und Händler gefordert, den Einstieg für neue Kunden leicht und sicher zu machen.

„Für uns wird es nicht nur darum gehen, gutes Material zu verkaufen. Im Idealfall gelingt es auch das nötige Know-How zu vermitteln. So schaffen wir ein Rundumerlebnis und einen Wissenstransfer“. Das gehe weit über den Kauf hinaus und könne helfen, den Kunden an den Shop zu binden, gibt sich Atomic-Mann Meyer zuversichtlich.

Daniel Meyer ist Brand Manager Atomic EMEA Central bei Atomic.
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Atomic

Haglöfs: Langlaufen kann das neue Radfahren werden

Unterschiedliche Märkte und Herausforderungen sieht Victor Adler von Haglöfs. „Ich denke, Langlaufen hat das Potential, das neue Radfahren zu werden. Wenn Schnee liegt ist der Sport günstig und schnell verfügbar. Bei uns in Skandinavien ist das ohnehin schon lange eine Art Volksbewegung. Dafür sind wir beim Thema Skitouren sicher vier Jahre hinter der Entwicklung in den Alpen zurück“.

Das Motto ist ganz klar: Go out and have fun. Die Leute wollen sich draußen fordern, trainieren, Leistung bringen und dabei genießen. Entsprechend wird die Bekleidung wieder technischer. In den vergangenen Jahren ging es viel um Style und das Spiel mit klassischen Materialien. Jetzt heißt es ganz klar: Performance is back!“

Auch André Bachmann vom schwedischen Bekleidungsspezialisten Craft spekuliert auf die neue Lust an der Leistung: „Outdoor boomt, Fitness boomt – wir bekommen viele Neueinsteiger zum Sport. Unsere Branche ist sicher einer der großen Gewinner der Situation. Die Leute müssen ja raus, sonst fällt einem noch irgendwann die Decke auf den Kopf“, sagt Bachmann. Am Ende entscheide aber doch die Schneelage, wohin die Reise gehe.

„Wenn wir auch in den nördlichen Mittelgebirgen viel Schnee bekommen wird sicher Langlaufen das Thema des Winters. Wenn wir einen sehr milden Winter bekommen, werden viele Menschen einfach weiter Radfahren. Auch die Läufer werden unterwegs sein. Wenn es nicht schneit sehen wir auch Nordic Walking wieder stark im kommen – einfach, weil diesen Winter viele Menschen daheimbleiben und mehr oder weniger vor der Haustüre Sport machen wollen.“ André Bachmann ist sich sicher, „für die Outdoor-Sportbranche wird es diesen Winter super.“ 

Victor Adler von Haglöfs.
Bildcredit:
Haglöfs

Shops haben die Chance auf neue Zielgruppen

Für den Sportfachhandel geht es darum, diese neuen Zielgruppen gezielt anzusprechen.

Wer die vergangenen Winter im Süden verbracht hat, dem fehlt wahrscheinlich die Outdoor-Ausrüstung für den Winter in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. „Die Shops haben die Chance, neue Zielgruppen an den Wintersport heranzuführen, möglicherweise auch in Kooperation mit einzelnen Skigebieten“, erklärt ASMAS-Präsident Peter Bruggmann. Das gelte gerade auch beim Thema Sicherheit – „Wer neu am Berg ist, fühlt sich oft unsicher, hat große Sorgen wegen der alpinen Gefahren“. Hier könne der Fachhandel mit Schulungen und Kursen nicht nur Vertrauen aufbauen, sondern auch eine enge Bindung zum Kunden schaffen.

Für Reiner Gerstner von Schöffel ist der Blick auf den kommenden Winter von großen Unsicherheiten geprägt. Gleichzeitig sei die Lust auf Outdoor während und nach dem Lockdown spürbar gewachsen. Diese Entwicklung werde auch im Winter anhalten, wenn auch unter anderen Vorzeichen.

„Die Menschen suchen Freiräume, gerne auch regional, planen kurzfristig und setzen dabei auf Individualität.  Aus unserer Sicht sind jetzt die Skiregionen gefordert, umfassend über ihre Sicherheitskonzepte zu informieren und das Vertrauen der Wintersportler zu stärken. Hier können sie auf die Erfahrungen aus den vielbesuchten Sommermonaten zurückgreifen, in denen auch die Bergbahnen stark frequentiert wurden“, nimmt Gerstner die Tourismusregionen in die Pflicht.

ASMAS-Präsident Peter Bruggmann
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ASMAS

„Die Leute warten ab, was passiert“

Umgekehrt könne jedoch auch die Sportbranche den Tourismus unterstützen, ist sich ASMAS-Präsident Peter Bruggmann sicher: „In der Schweiz setzen wir alles daran, dass die Skigebiete offen sind. Die Seilbahnen werden in diesem Winter die Anzahl der Gäste limitieren müssen, damit die Wintersportler Abstand halten können. Wir als Sportbranche arbeiten derzeit an einem speziellen Schlauchtuch als Ersatz für die Mund-Nasen-Maske. Das wird kein einfaches Stück Textil, vielmehr bekommt es die Funktionalität einer echten Maske. Das ist im Winter sicher praktikabler und bequemer, gerade für Familien mit Kindern und Anfänger“. Wer eine Wochenkarte kauft, soll das Schutztextil automatisch zum Liftpass dazubekommen, so Bruggmann.

Nicht überschwänglich, aber optimistisch zeigt sich Hans Holzinger von Scott Sports. Derzeit sei alles im Fluss, sagt der Geschäftsführer Deutschland, „Die Planung wird durch Corona deutlich aufwändiger, jeder Ausblick ist mit gewissen Unsicherheiten versehen.“

Derzeit boome zwar die Sportbranche, seien Sport und Fitness insgesamt ein Thema. Doch speziell für den Wintersport beobachtet Holzinger ein zurückhaltendes Kaufveralten: „Im Moment kauft keiner vorbereitend eine neue Skiausrüstung, die Leute warten ab, was passiert. Wir sind in Deutschland und Österreich bislang verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen. Aber viele Menschen haben dennoch gerade andere Prioritäten als eine neue Skiausrüstung. Die wird heuer sicher eher nach konkretem Bedarf gekauft.“ Der Drang in den Schnee sei gleichwohl ungebrochen.

Mehr Wellness statt Apres-Ski?

Doch der erste Winter unter Corona-Bedingungen bedeutet nicht nur für die Touristiker große Herausforderungen, auch die Sport-Industrie muss Flagge zeigen, ist sich Victor Adler von Haglöfs sicher: „Wir haben es mit einem Paradox zu tun: Je mehr Leute rausgehen, um andere Leute zu meiden, desto enger wird es dort. Wenn dann noch immer mehr Menschen die ausgetretenen Pfade verlassen sind wir alle gemeinsam gefordert, die Natur zu schützen“. Es sei auch Aufgabe der Industrie, für die nötige Achtsamkeit zu werben.

Vor allem im Umland der Metropolen könnte es im kommenden Winter hoch hergehen. Dass es heuer kein Après-Ski gibt, eröffnet den Regionen ganz neue Möglichkeiten. „Diesen Winter wird es in der Zeit von 16 bis 20 Uhr viele neue Angebote geben, mehr Wellness, mehr echtes Erlebnis. Das ist auch finanziell interessant“, ist sich Daniel Meyer von ATOMIC sicher. Und auch Reiner Gerstner von Schöffel glaubt, dass die erforderlichen Einschränkungen teilweise auch positive Effekte hervorrufen können, etwa eine verstärkte Fokussierung auf den Sport, auf das pure Draußen-Erlebnis.

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