Sportbusiness/17.06.2020

Christoph Engl: „Wir Hersteller bauen menschliche Beziehungen“

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Christoph Engl, Geschäftsführer der Oberalp Group (u.a. Salewa, Dynafit, Pomoca), wird nicht selten als Südtiroler Marken-Papst betitelt. Die Sattelfestigkeit beim Thema Marke merkt man sofort, Engl hat klare Botschaften. Im ISPO.com-Interview erklärt er, warum die Markenidentität gerade in der Coronakrise eine zentrale Rolle spielt und was sich Markenverantwortliche aus allen Sport- und Outdoordisziplinen vom Bergsteigen abschauen können.

Christoph Engl, CEO der Oberalp Group und Sprecher bei den ISPO Re.Start Days
Christoph Engl, CEO der Oberalp Group und Sprecher bei den ISPO Re.Start Days

ISPO.com: Sie haben in der Hochphase der Corona-Krise als Unternehmen sehr beherzt und schnell reagiert, selbst Masken und Schutzmäntel produziert, außerdem über Lizenzpartner 20 Millionen Masken aus China für Italien organisiert. Das entspricht Ihrem Unternehmensverständnis, auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Inwiefern glauben Sie, dass durch die Krise ein Umdenken stattfindet?
Christoph Engl: Die Coronakrise ist ein Brandbeschleuniger für sehr viele Dinge. Unternehmen werden nicht mehr nur an ihren Umsätzen gemessen, sondern sehr stark in die gesellschaftliche Verantwortung miteinbezogen – das ist sicherlich eine zentrale Tendenz.

Aber wenn wir uns ansehen, was gerade zum Thema Rassismus passiert, wenn Unternehmen und Marken aktiv aufgefordert werden, sich einzusetzen und Stellung zu beziehen, merkt man, dass die Gesellschaft einen anderen Blickwinkel auf Unternehmen hat. Das hat mit der Coronakrise nur teilweise zu tun. 

In Zukunft wird eine der wichtigsten Messlatten sein, wie Menschen die Marken – weniger die Unternehmen – einschätzen und welche Bedeutung sie ihnen zusprechen. Die Wahrnehmung einer Marke ist jetzt mehr denn je eine Frage der Bedeutungszumessung: Welche Bedeutung messe ich einem Produkt bei, das ich nah an mich ranlasse? Wie identifiziere ich mich damit? 

So hat sich das auch bei der Oberalp Group entwickelt: Am Anfang war soziales Engagement vor allem im Kontext „wir schaffen Arbeitsplätze“ gedacht. Die Weiterentwicklung war „wir tun etwas für die Umwelt“. Mittlerweile sind wir angekommen bei einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Diese geht weit darüber hinaus, Wertschöpfung zu generieren.

„Es war im ersten Moment so, als habe jemand den Reset-Knopf gedrückt“

Mit Blick auf den italienischen Markt, Ihren Firmensitz in Bozen und Ihre Kunden: Wie hat sich die Krise auf Ihr Geschäft ausgewirkt?
Uns ging es genauso wie vielen weiteren Unternehmen in Italien und weltweit: Es war im ersten Moment so, als habe jemand den Reset-Knopf gedrückt. Vor dem Shutdown ging alles seinen gewohnten Weg, die Vororder liefen und alles andere, das zu dieser Jahreszeit eben ansteht. Dann erstmal Stilltand. Diese horizontale Krise – also eine Krise, von der ausnahmslos alle betroffen sind, im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 – ließ bei uns sofort die Frage aufkommen: Wie gehen wir damit um? Gehen wir in die Schockstarre? In die Katastrophenstimmung? In die Zuversicht? Das Wunschdenken? 

Mut, aber keine Experimente, das sei jetzt gefragt: „In Krisenzeiten, wenn das Umfeld unsicher wird, will man nicht experimentieren. Das ist wie beim Bergsteigen.“
Mut, aber keine Experimente, das sei jetzt laut Engl gefragt: „In Krisenzeiten, wenn das Umfeld unsicher wird, will man nicht experimentieren. Das ist wie beim Bergsteigen.“

Und wie sind Sie dann damit umgegangen?
Wir haben uns recht schnell der angesprochenen Hilfskampagne gewidmet und uns gleichzeitig für „business continuity“ entschieden. Unser Credo war: Wenn sich die Umstände verändern, lassen wir das zu. Aber wir lassen es nicht zu, dass uns die Umstände so beeinflussen, dass wir nicht mehr agieren können.

Wir haben weder interne noch externe Meetings abgesagt, haben weiter Fortbildungen für unsere Mitarbeiter sowie unsere Management Meetings durchgeführt – natürlich alles rein digital. 

In diesem Zuge haben wir auch die traditionelle Oberalp Convention am 20. Mai nicht abgesagt, sondern virtuell durchgeführt.

Resilienzfähigkeit bauen Marken schon lange vor der Krise auf

Wie kann sich die Sport- und Outdoor-Branche künftig vor weiteren großen Krisen schützen?
Es ist wie in der Gesundheit: Man schützt sich am besten, indem man ein Immunsystem aufbaut, um gesund zu bleiben. Man schützt sich nicht, indem man nach Ausbruch der Krankheit nach Medikamenten ruft. Marken bauen Resilienz-Fähigkeit viel früher auf, wenn sie überleben wollen. Das bedeutet, ich muss schon davor in meinen Markenwert investiert haben, nicht nur in das Produkt. 

Ich muss mich schon davor über den Markenwert verkauft haben, und nicht nur über den Preis. Ich muss schon davor eine klare Antwort auf die Frage gehabt haben, warum es mich geben darf und was der tiefere Sinn meines Markendaseins ist.

Am Ende zählt, wie stark das Vertrauen der Kunden in die Marke ist. Da tun sich Marken leichter, die schon ein Standing haben und denen man vertraut, weil sie in Krisenzeiten immer noch da sind. Händler aber auch Kunden greifen jetzt stark auf jene Marken zurück, von denen sie wissen, dass sie stabil sind, sich nicht zu stark von ihrer Kernkompetenz entfernt haben und dass man auf sie vertrauen kann. 

In Krisenzeiten, wenn das Umfeld unsicher wird, will man nicht experimentieren. Das ist wie beim Bergsteigen: Wenn es schwierig wird, vertraut man darauf, was man kann und womit man Erfahrung hat. Am Berg macht man keine Experimente und probiert einen neuen Knoten aus, oder eine neue Jacke, ein neues Zelt. Deswegen ist jetzt die Zeit, in der Marken ihre Kernkompetenz über ihre Produkte noch stärker ausdrücken müssen. Und es nicht die Zeit, um sich in Experimenten zu verlieren.

Die Händler werden künftig nicht mehr so viele Marken bestellen wie bisher, sondern nur mehr diejenigen, mit denen sie stabile und teilweise auch schon langjährige Beziehungen gepflegt haben. Online hat man es in den vergangenen Monaten schon gesehen: Die stabilen, gut eingeführten Produkte haben performt.

„Müssen uns davon verabschieden zu sagen, dass wir nur Produkte herstellen"

Sie haben mit der Oberalp Virtual Convention erfolgreich ein interaktives digitales Format präsentiert. Inwiefern glauben Sie an die Zukunft dieser digitalen „Treffen“ und wird der persönliche Kontakt beispielsweise auf Messen weiterhin unersetzlich bleiben?
Im Sportbusiness geht es in erster Linie um die Menschen und erst danach um die Produkte. Wir Hersteller müssen uns davon verabschieden zu sagen, dass wir nur Produkte herstellen. Eigentlich bauen wir menschliche Beziehungen und dafür verwenden wir Produkte.
Durch die Coronakrise waren physische Treffen unmöglich, es blieb also nur die virtuelle Realität. Und wir haben gelernt: Es geht. Bei der Oberalp Virtual Convention hatten wir rund 10.000 eingeloggte IP-Adressen, viele davon aus den USA und anderen Ländern weltweit. Das war neu. Virtuelle Welten ermöglichen ganz andere Reichweiten, Internationalisierungsquoten und Individualisierungsmöglichkeiten für die Teilnehmer, weil sie sich am und mit dem Screen schnell irgendwohin bewegen können.

Es fehlt trotzdem eine ganze Menge: Die persönliche Komponente, das Netzwerken, das Gemeinschaftserlebnis.

Kurz gesagt: Alle Dinge, die man tut, um nachhaltige Beziehungen aufzubauen, funktionieren virtuell nicht, dafür aber eben andere.

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