Mein Name ist Christoph Engl und ich bin CEO der Oberalp Gruppe, die sich mit sechs Marken im Eigentum voll auf den Erlebnisbereich Bergsport konzentriert. Zu unseren Eigenmarken gehören Salewa, Dynafit, Pomoca, Wild Country, Evolv und LaMunt. Wir sind eine Gruppe von Abenteurern und Bergsteigern, die sich auf der Suche nach dem nächsten Gipfel auch damit beschäftigt, was Marken für den Bergsport sind.
Wann ist der richtige Zeitpunkt eine Marke neu zu gründen? Wenn das Bedürfnis einer Menschengruppe nach Identifikation vorhanden ist. Denn man kann sich ja nicht in ein Produkt verlieben, sondern nur in eine Idee, die dieses Produkt hervorgebracht hat. Viele Marken werden also genau dann gegründet, wenn die Zeit dafür reif ist – aber ganz genau weiss man das nie.
Um das mal am Beispiel unserer neuen Marke LaMunt zu erläutern: In der Mode gibt es jede Menge Marken, die sich mit dem Thema Frau beschäftigen – exklusiv. Eine solche Marke gab es im Sport noch nicht und schon gar nicht im Bergsport, dem Bereich, dem wir uns bei Oberalp verschrieben haben. Der Frauenanteil der Kollektionen unserer etablierten Marken, etwa Salewa und Dynafit, ist in den vergangenen Jahren natürlich stetig angestiegen. Wir haben jedoch zuerst immer die Kollektionen für Männer gezeichnet und sie im Nachgang an die weiblichen Anforderungen angepasst.
Als der Anteil der Frauen-Kollektionen Richtung 40 Prozent ging, ist uns aufgefallen, es tut sich was. Eine „neue Frau am Berg“ wächst heran. Da entsteht ein neues Selbstbewusstsein, da entstehen Instagram-Communities, die Frauen am Berg miteinander verbinden. Da sind Frauen, die alleine auf den Berg gehen, ohne Männer oder dass sie nur Begleitung sind.
Dank der Frauen gibt es auch einen neuen Zugang zum Berg, der nicht mehr nur in der Eroberung besteht, sondern darin, dass ich mich in dieser Natur und dieser Abgeschiedenheit finden kann, als Gegengewicht zum Alltag. Das muss nicht unbedingt über Leistung passieren, sondern kann auch das unmittelbare Erleben von Temperatur, Luft, Gerüchen sein.
Genau auf diesem Nährboden haben wir als Oberalp-Gruppe weiter überlegt. Denn wenn wir das Markenhaus weltweit sein wollen, das sich mit dem Thema Berg inklusiv, fokussiert und zukunftsorientiert beschäftigt, gab es eigentlich nur drei Möglichkeiten: Erstens: Wir bauen unsere bestehenden Kollektionen im Damenbereich massiv aus. Zweitens: Wir kaufen eine Marke dazu und machen diese groß. Und drittens: Vielleicht müssen wir eine neue Marke gründen.
Unsere Forschungen am Markt haben ergeben: Es gibt nichts, das zu uns passt und Potential hat. Auf der anderen Seite wollten wir auch nicht, weiterhin größere Kollektionen bauen und mit der weiblichen Linie aus der Historie heraus immer ein Zweitprodukt einer „männlichen“ Marke liefern. Denn so hat die Frau immer das Gefühl, Salewa oder Dynafit sind eigentlich Brands für Männer, die nebenbei eine Damenkollektion führen. Volle Identifikation ist so aber kaum möglich. Die Marke ist nicht „ihre“ Marke.
Im nächsten Schritt haben wir uns den Fashion-Bereich angesehen. Dort sind reine Damenmarken seit vielen Jahrzehnten etabliert. Ein weiterer Punkt, zu sagen, wir brauchen eine neue Marke, um einen Identifikationsfaktor für Frauen zu schaffen, die in ihrem Zugang zum Berg, ihrem Verhalten, ihrer Idee, was Bergsport ist, anders umgehen. Die die Berge eben nicht mehr nur aus dieser Eroberungs- oder Leistungsmentalität angehen.Hier spielt eben auch Spiritualität, Auseinandersetzung und Gemeinschaft eine Rolle.
Mit all diesem Wissen haben wir dieses Jahr mit LaMunt die erste Bergsportmarke für Frauen gebaut. Die ersten Erfolge, die wir mit den Kollektionen von LaMunt bei den Händlern haben, sprechen für sich. LaMunt wird sehr selektiv im Fachhandel vertrieben, ist gleichzeitig aber auch stark community- und online getrieben. Die erste Kollektion steht im Online-Shop in einer kleineren Auswahl seit Dezember zur Verfügung, um die Markenbegehrlichkeit weiter zu steigern, bevor sie im Frühjahr 22 in den Fachhandel kommt.
Die erste Kollektion von LaMunt ist bereits jetzt etwas ganz Besonderes, weil sie nichts mit dem zu tun hat, was am Markt sonst zu finden ist. Die Kollektion ist stark im Detail, nicht brachial in der Machart. Die Marke kommt zwar auf leisen Sohlen, aber dafür umso stärker. Diese Finesse liegt auch in der Marken-DNA von LaMunt.
Geht man bei Marken zu stark in die Breite und will alles für alle sein, dann verliert man den Fokus. Der Kunde oder die Kundin weiß dann nicht mehr, was die Marke ausmacht oder wofür die Marke steht. Es ist ein großes Risiko, dass Marken verwässern, in dem sie sich demokratisieren. Das wollen wir bei keiner unserer Marken zulassen. Andererseits haben wir gesehen, der Marke Dynafit tut es keinen Abbruch, wenn man zum Beispiel im Bereich Skitouring die Einstiegsbarriere senkt. Wenn man beispielsweise einem Einstieger Ski, Bindung und Fell im Set anbietet. Warum funktioniert das? Weil man als führende Marke im Skitourenbereich auch als jemand anerkannt wird, der die Verantwortung trägt, die Skitouren-Community zu vergrößern und zu verfestigen.
Gleichzeitig muss man als Marke klare Distanz zwischen dem einen und dem anderen schaffen. Derjenige, der sich als Profi fühlt, muss das Gefühl haben, dass das was für den Einsteiger angeboten wird, auch wirklich für den Einsteiger ist. Deshalb ist auf dem Einsteigerset nicht die leichteste und technisch anspruchsvollste Bindung drauf und nicht der leichteste Ski im Angebot.
Dieser Spagat muss gut balanciert werden, aber funktioniert, wenn man sich auf die DNA der Marke stützt. Dynafit ist eine Athleten-Marke, aber es gibt eben auch Einsteiger-Athleten, die sich vollwertig als Bergsportler fühlen wollen. Wenn ich für sie den Zugang zum Sport erleichtern kann, wird das auch von den Markenfans nicht als Angriff auf ihre Lieblingsathleten-Marke gesehen. Sondern eigentlich eher anerkannt als Leistung des Marktführers in diesem Segment.
Was wir nicht tun, ist, uns zu sehr ins Outdoor-Segment zu verwässern. Wir bleiben Bergsport-Marken, wir bleiben Athleten-Marken, wir bleiben Performance-Marken. Das gilt für Salewa in gleichem Maße. Wir können einen Schuh bauen, der mittlerweile weit weg davon ist, wie sich ein alter Bergfex einen steigeisenfesten Schuh vorstellt. Solange dieser Schuh aber trotzdem noch alle Codes der Marke Salewa in sich hat, kann er gern einem Sneaker – was Tragekomfort und Passform betrifft – in nichts nachstehen.
Hier gilt es die Balance zu halten: Die DNA der Marke nicht zu verlassen, in der Grundidee keine Verwässerung stattfinden zu lassen und sich treu zu bleiben, aber auf der anderen Seite zuzulassen, dass die Marke von anderen Welten transferiert, lernt und sich weiterentwickelt. Das ist bei Salewa stark im Bereich modisches und ästhetisches Bewusstsein geschehen.
Wie reparabel muss ein Produkt sein? Nachhaltigkeit, die Weitergabe an andere, Überlegungen wie ich Ausrüstung mit anderen teilen kann, das sind alles Themen, die mit neuen Generationen eine ganz neue Dimension bekommen. Wenn ich meine Kinder oder auch meinen Enkel anschaue, der jetzt knapp zwei Jahre alt ist, frage ich mich, was diese Generationen für einen Anspruch an Bergsportausrüstung haben werden. Die technische Funktionalität wird sicherlich weiterhin Voraussetzung sein. Aber meinem Enkel werden andere Themen wichtig sein. Ob das Produkt mit anderen teilbar ist, Stichwort Sharing Economy. Vielleicht auch, ob ich nur für den Moment leihen kann, in dem ich etwas brauche.
Dadurch werden neue Wertigkeiten und auch neue Werte-Cluster entstehen, die auch demnächst schon in unseren Produkten mitgedacht werden müssen. Deswegen werden wir auch ab 22/23 bei Dynafit auf alle technischen Produkte „life time guarantee“ geben, seien es Schuhe, Felle, Bindungen oder Ski. Weil wir sehen, das wird jetzt wichtig und es ist das, was Konsumenten wollen. Wir folgen dem Grundsatz: Das nachhaltigste Produkt ist jenes, das du bereits hast. Und in dieser Qualität müssen unsere Markenprodukte auch entstehen, damit das möglich wird.
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