Mit seiner Outdoor-App lässt das Potsdamer Unternehmen komoot Abenteurer weltweit die spektakulärsten Routen sicher, stressfrei und stets aktuell finden. Doch wie hat das Unternehmen selbst digital denkende Mitarbeiter anwerben können, als es 2017 enorm wachsen sollte?
Im Januar 2017 entschied das Unternehmen remote, also über unterschiedliche Standorte verteilt und digital vernetzt zu arbeiten. komoot sollte damals schnell wachsen, mit den besten Leuten. Wer im Umland von Berlin schon einmal nach einer Entwicklerin oder einem Entwickler gesucht hat, weiß, wie schwierig das ist. Zwar gingen einige Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Stellen ein, trotzdem hätte das Start-up Abstriche machen müssen: Denn wer sich seinen Arbeitsort aussuchen kann, entscheidet sich wohl nicht zwingend für den Standort Potsdam.
„Wir wollten bei unseren Mitarbeitern möglichst keine Kompromisse machen“, sagt Mitgründer und CTO Jonas Spengler. Also machten sie lieber die ganze Welt zu ihrem Büro. Nicht alle Mitarbeiter waren gleich glücklich über ihre neu gewonnene Bewegungsfreiheit.
Die ersten Gespräche liefen häufig so ab: „Ab morgen kannst du arbeiten, von wo du willst.“„Okay ... Nächste Woche bin ich dann aber noch bei uns im Büro in Potsdam.“
Die Herausforderung war, den Übergang einerseits eng zu begleiten und die bei den Mitarbeiterinnen auftretenden Ängste und Unsicherheiten gemeinsam zu behandeln, und andererseits konsequent zu sein, damit der Wandel zur Remote-First-Organisation gelingen konnte. „Für uns war es ganz wichtig, zu sagen: ‚So ist es jetzt.‘ Und andererseits wollten wir auf keinen Fall die Message rüberbringen, dass wir die Mitarbeiter nicht mehr sehen wollen.“ Nach und nach prüften Jonas und sein Team deshalb gemeinsam jeden einzelnen Prozess, jedes Meeting und stellten sich immer wieder die Frage: „Müssen wir dafür wirklich zusammen sein?“ Die Antwort war fast immer: Nein.
Klar ist für Spengler aber auch: Es liegt nicht jeder und jedem, sich bei der Arbeit nicht zu sehen, nicht mal eben rübergehen zu können, um etwas zu klären. Störungen und Missverständnisse in der Kommunikation sind auf die große Entfernung wahrscheinlicher, nicht nur aufgrund technischer Probleme. Jonas erzählt von einem seiner Mitarbeiter, der, bevor er bei komoot anfing, in einem anderen Remote-First-Unternehmen gearbeitet hat. „In dem Job zuvor hatte er ständig das Gefühl, dass alle total aggressiv sind. Erst als er seine Kollegen dann irgendwann getroffen hat, merkte er, dass sie eigentlich total entspannt waren.“
Schon im Bewerbungsprozess achtet komoot deswegen sehr darauf, dass die Bewerber*innen über exzellente Kommunikationsfähigkeiten verfügen, präzise schreiben können und auch im Videocall sympathisch sind. Es liegt nahe, dass die Bewerbung bei komoot vollständig remote abläuft. „Wenn es da nicht passt, wird es auch im Arbeitsalltag schwierig“, sagt Spengler. Und fügt hinzu: „Das digitale Medium ist für die Menschen, die bei uns arbeiten, längst ein privates geworden."
Dieses Selbstverständnis ist vor allem bei jüngeren, tech-affinen Personen gegeben. Sie sind damit groß geworden, digital Freunde zu finden und mithilfe von Foren komplexe Probleme selbstständig zu lösen. In Online-Games haben sie sich mit Gleichgesinnten aus aller Welt vernetzt, gemeinsam Probleme gelöst oder sich miteinander gemessen. Solche Erfahrungen machen Spannungen unwahrscheinlicher, ganz aus bleiben sie natürlich trotzdem nicht.
Wie wichtig möglichst störungsfreie Kommunikation in einer Remote-First-Organisation ist, wird bei internen Meetings klar. Jeden Montag findet bei komoot das Monday Morning-Meeting mit 40 Teilnehmern statt. Um da bei den eingeplanten 90 Minuten zu bleiben, bedarf es strenge Regeln, die befolgt werden müssen: Jeder Mitarbeiter bereitet für den eigenen Redebeitrag ein paar wenige standardisierte Slides in einer gemeinsamen Google-Präsentation vor.
Auch das Setup ist streng vorgeschrieben: Alle brauchen einen eigenen Computer und Kopfhörer. Es dürfen nicht mehrere Personen vor einem Laptop sitzen, während andere Personen einzeln zugeschaltet sind. Das würde sie ausschließen und ihnen das Gefühl geben, sich weniger einbringen zu können. Spengler ist überzeugt: „Nicht mitreden zu können, macht alles kaputt.“
Ähnlich wichtig wie operativen Maßnahmen eines Unternehmens ist die passende Firmenkultur: Bei komoot arbeiten Menschen, die gerne draußen sind; die sich von ihrer Arbeit nicht vorgeben lassen wollen, wo sie sich aufzuhalten haben.
Und sie arbeiten gemeinsam an einem Produkt, das anderen Menschen dabei hilft, draußen etwas zu erleben. Für Spengler ist klar: Das passt einfach.