„Wir haben großes Potenzial, so etwas wie Beachvolleyball zu werden", sagt Olaf Tabor, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Alpenvereins, zum Auftakt der Olympia-Kampagne „Climb to Tokyo" in München. Auch die Zahlen belegen, dass Klettern als Leistungssport publikumswirksam ist. Beim Boulder-Weltcup in München im Sommer 2017 jubelten den Kletterstars 12.000 Menschen zu. „Klettern wird die einzige vertikale Sportart im Sommer bei Olympia werden“, erklärt Tabor, „und liefert als hoch aktive Sportart spektakuläre Bilder."
„Klettern wird olympisch“ – eine Schlagzeile, die die Kletterszene noch im August 2016 stark spaltete. Kritiker befürchteten eine weitere Kommerzialisierung des Sports und zweifelten daran, dass die vorhandenen Strukturen es erlauben, den Spitzensport voranzutreiben. Eigene Trainingswände haben die deutschen Kletterer, die Teil des Perspektivkaders für Olympia 2020 sind, immer noch nicht.
Die 17 jungen Frauen und Männer des deutschen Bundeskaders trainieren in den kommerziellen Kletterhallen, die eigentlich für den Breitensport bestimmt sind. „Das wollen wir schnellstmöglich ändern, damit wir für die Qualifikationswettkämpfe 2019 bessere Bedingungen haben“, sagt Urs Stöcker. Der ehemalige Trainer der Schweizer Nationalmannschaft ist seit 2017 einer von drei Bundestrainern, die dafür zuständig sind, den Kader fit für Olympia zu machen. Ein bayerisches Landesleistungszentrum öffnet Ende April in Augsburg.
Für Skepsis sorgte das neue Format, in dem der Wettkampf ausgetragen wird: Olympic Combined. Ein Dreikampf, der sich aus den drei bereits im Wettkampf etablierten Disziplinen Speed, Bouldern und Lead zusammensetzt. Ein Kompromiss, weil das IOC nur maximal sechs Medaillen im Klettern vergeben will: jeweils Gold, Silber, Bronze im Männer- und Frauenwettkampf. Die Gesamtwertung wird durch die Multiplikation der Ergebnisse in den Einzeldisziplinen errechnet. Je niedriger die Summe, desto besser ist die Platzierung. „Das Bouldern ist unsere stärkste Disziplin“, sagt Urs Stöcker. Auch im Lead, also dem Vorstiegsklettern am Seil, sind die Deutschen stark.
Nur die dritte Disziplin, das Speedklettern, erfreut sich nicht der größten Beliebtheit. Wie es der Name schon sagt, geht es um Geschwindigkeit. An einer in Neigung, Höhe (15 Meter) und Griffabfolge genormten Wand bewegen sich die Sportler in Spitzengeschwindigkeiten empor. Der derzeitige Weltrekord liegt bei 5,46 Sekunden; der deutsche Rekord von Jan Hojer bei 7,29 Sekunden. „Wir streben eine mittlere 6er Zeit an“, sagt Stöcker. Das könnte ausreichen, um eine gute Platzierung zu erreichen.
„Der Anspruch ist es, komplette Kletterer nach Tokio zu schicken“, sagt Stöcker, der selbst aus dem Alpinismus kommt. Man gelange nur an die Weltspitze, wenn man sich auch mit seinen Schwächen auseinandersetze und Widerstände überwinde. Das Training wird jedenfalls noch umfangreicher werden, weil sich die Disziplinen in den Anforderungen stark unterscheiden. Mittlerweile hat sogar Adam Ondra seine Teilnahme zugesagt. Der Kletterstar hatte das Format zuvor noch stark kritisiert. Überhaupt, die Stimmung hat sich gewandelt: Die Wettkampfszene sieht Olympia, trotz des unüblichen Formates, nicht mehr so kritisch.
„Olympia braucht das Klettern mehr, als das Klettern Olympia braucht“, sagt Wolfgang Wabel, Geschäftsbereichsleiter Bergsport, und unterstreicht damit die deutschen Olympiaambitionen. Klettern als frische, junge Sportart könnte einen Imagegewinn für Olympia bedeuten. Dieses Selbstbewusstsein spiegelt sich auch in dem Ziel wider, zwei Männer und eine Frau für das Olympiadebüt in Japan 2020 zu qualifizieren. Deutschland zählt neben Frankreich, Österreich, USA und Slowenien zu den Top-5-Nationen im Klettersport. Weltweit können sich 20 Frauen und 20 Männer für Olympia qualifizieren.
Maximal dürfen zwei Starter je Geschlecht und Nation an den Start gehen. Als große deutsche Favoriten gelten Jan Hojer und Alex Megos. Bei den Frauen ist das weniger klar, weil hier die Spitze nicht stark ausdifferenziert ist. Junge Nachwuchsstars wie Hannah Meul, Alma Bestvater und Romy Fuchs müssen noch aufgebaut werden, bevor sie Chancen auf Olympia haben.
Die deutsche Olympiahoffnung reicht jedenfalls noch bis zu Olympia 2024 in Frankreich: Die Wahrscheinlichkeit, dass Klettern auch in Paris vertreten ist, sei sehr hoch, schätzen die Vertreter des DAV. 2020 ist Klettern nur als temporäre Sportart bei Olympia, über einen Verbleib im olympischen Programm 2024 und darüberhinaus wird erst noch entschieden. „Wir wissen nicht, wo der Weg hingeht", so DAV-Hauptgeschäftsführer Olaf Tabor: Aber das hätten Abenteuer nun mal so an sich. Fest steht: Das hohe Niveau soll auch nach Japan gehalten werden. Egal, ob Klettern olympisch bleibt oder nicht.
Mit der Kampagne „Flash it!“ wirbt der DAV für Kooperationspartner, die die Entwicklung des Klettersports auf Leistungsebene mitgestalten wollen. „Es ist ein Markt entstanden, den man noch explizit und exklusiv besetzen kann“, sagt Wolfgang Wabel, beim DAV für den Bereich Bergsport zuständig. Die Nachhaltigkeitsidee verpflichte den DAV aber, nach strengen Massstäben auszuwählen. „Die Automobilbranche kommt nicht infrage“, sagt Wabel. Die Kooperationsangebote reichen von der Möglichkeit, als Presenter das Thema Klettern exklusiv zu belegen, über die Zusammenarbeit mit Athleten und Nachwuchskletterern bis hin zu der Präsenz auf Events inklusive Logo-Rechten und Integration in die Olympia-Kampagne des DAV – #climbtotokyo.
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