Wassersport/26.08.2016

Wetsuit von Patagonia ohne Neopren: Eine grüne Revolution

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Seit September 2016 sind die auf der ISPO MUNICH mit dem ISPO AWARD ausgezeichneten neoprenfreien Wetsuits der Outdoor-Marke Patagonia im Handel. Ob beim Tauchen, Surfen, Windsurfen, Kitesurfen, Stand-Up-Paddling, Kajakfahren, Langstreckenschwimmen oder Triathlon, das Einsatzgebiet von Neoprenanzügen ist vielfältig – und die Produktion der Wetsuits häufig alles andere als umweltverträglich.

Hub Hubbard, Product Developer Wetsuits bei Patagonia
Hub Hubbard, Product Developer Wetsuits bei Patagonia

Der globale Markt für Neoprenanzüge hatte im Jahr 2014 laut Grand View Research ein Volumen von 800 Millionen US-Dollar. Bis 2022 wird ein Wachstum auf 1,18 Milliarden USD prognostiziert. Die Steigerung basiert auf der Annahme, dass sich die zunehmende Beliebtheit der unterschiedlichen Wassersportarten auch in Zukunft fortsetzt. 


ISPO.com sprach mit Hub Hubbard, dem Leiter der Wetsuit-Entwicklung bei Patagonia, über die Herausforderungen, einen „grünen“ Wetsuit zu entwickeln und wie schwer es ist, die Surfindustrie zum Umdenken zu motivieren.

ISPO.com: Sie sind davon überzeugt, dass Wetsuits, die ohne Neopren auskommen, besser für unsere Umwelt sind. Wie läuft denn die Herstellung von herkömmlichem Neopren ab?
Hub Hubbard: Zur Herstellung von Neopren werden alle Bestandteile in einem gigantischen Kessel zusammengemischt. Es entstehen große, kaugummiartige Brocken. Diese Teile werden in einem Ofen unter großer Hitze zu Scheiben gebacken. Von diesen wird je nach gewünschter Dicke das Neopren abgeschält und von einer Seite mit Stoff laminiert. Aus diesen Bahnen werden dann die Neoprenanzüge genäht.

Inwiefern ist dieser Prozess umweltschädlich?
Um Neopren auf diese Art und Weise herzustellen, braucht man Rohöl oder Kalkstein. Beides sind nicht erneuerbare Ressourcen, die unter großem Energieaufwand gefördert werden. Zudem ist der Herstellungsprozess sehr energieaufwändig. Ganz zu schweigen von den diversen synthetischen Substanzen, die bei der Weiterverarbeitung traditioneller Neoprenanzüge verwendet werden.

Hub Hubbard ist Entwicklungs-Chef der Outdoor-Marke Patagonia
Hub Hubbard ist Entwicklungs-Chef der Outdoor-Marke Patagonia
Bildcredit:
Tim Davis / Patagonia

Sie arbeiten bei der Herstellung Ihrer Wetsuits eng mit der Yulex Cooperation zusammen. Wie kam es dazu?
Die Leute von Yulex sind durch einen Post auf unserem Blog „The Cleanest Line“ auf uns aufmerksam geworden. In dem Artikel haben wir behauptet, dass es kein „grünes“ Neopren gibt. Daraufhin ging den Yulex-Entwicklern ein Licht auf. Sie traten mit uns in Kontakt und meinten, dass sie eine Lösung für uns hätten. Bei unserem ersten Treffen zeigten sie mir ein kleines Stück Gummi, das nicht größer als ein Scrabble-Spielstein war. Das war der Anfang unseres Traums vom „grünen“ Wetsuit. 

Nachhaltige Produktion: 80 Prozent geringerer CO2-Ausstoß

Wie stark reduziert ein Yulex-Wetsuit aus natürlichem Kautschuk im Vergleich zu einem Wetsuit aus normalem Neopren meinen ökologischen Fußabdruck?
Yulex und unsere Wissenschaftler bei Patagonia haben ausgerechnet, dass die Verwendung von natürlichem Kautschuk den CO2-Ausstoß für einen Wetsuit um 80 Prozent reduziert. Das ist enorm! Und diese Berechnung ist eher konservativ. 

Wie genau funktioniert der Prozess vom flüssigen Gummi, der aus dem Kautschukbaum gewonnen wird, bis zu dem Material, aus dem dann die Wetsuits genäht werden
Nachdem das Latex verarbeitet, gereinigt und verfestigt wurde, lässt es sich genau wie konservatives Neopren weiterverarbeiten. Von da an ist der Produktionsprozess der gleiche wie bei traditionellen Wetsuits.

Wie viel Latex aus dem Kautschukbaum benötigen Sie für einen Wetsuit?
Um einen Wetsuit zu produzieren, brauchen wir nur ein halbes Kilo Latex.

Laut Label bestehen die Wetsuits zu 85 Prozent aus natürlichem Gummi und zu 15 Prozent aus synthetischem Material. Warum ist es bisher nicht möglich, einen Wetsuit vollständig aus natürlichen Materialien zu fertigen?
I
m Moment brauchen wir den synthetischen Anteil noch, damit das Material die gewünschte Stabilität erhält. Man könnte auch heute schon einen Wetsuit zu 100 Prozent aus natürlichem Gummi herstellen. Dieser wäre aber nicht so robust und anfälliger für UV-Strahlung. Damit wäre die Performance nicht zufriedenstellend.

 

Wie sieht es denn mit Kleber, Farben und Aufdrucken aus – lassen sich auch diese oft umweltschädlichen Komponenten ersetzen?
Wir testen schon seit einer Weile wasserbasierte Substanzen, um genau diese Komponenten zu ersetzen. Zudem verwenden wir wasserlose Druckverfahren und verarbeiten ausschließlich Bluesign-zertifizierte Textilien in unseren Wetsuits.

Patagonia will ganz auf synthetische Stoffe verzichten

Wird es denn in Zukunft einen Surfanzug geben, der nur aus natürlichen Materialien hergestellt wurde?
Es existieren tatsächlich einige auf biologischen Stoffen basierende Substanzen, mit denen wir die synthetischen Komponenten eines Tages ersetzen könnten. Zudem gibt es andere Bestandteile, wie Carbon Black und Schaumstoffe in der Gummiproduktion, die es ebenso zu ersetzen gilt. Im nächsten Schritt wollen wir Alternativen zu diesen Materialien finden.

Seit Sie gemeinsam mit der Firma Yulex die Technologie zur Produktion neoprenfreier Wetsuits entwickelt haben, bieten Sie dieses Verfahren auch allen anderen Wetsuit-Herstellern an. Doch bisher ist Soöruz die einzige Marke, die auch das neue Yulex-Material verwendet. Warum nutzen nicht viel mehr Hersteller dieses Material? Für die Umwelt wäre dies doch ein großer Gewinn.
Als wir die ersten Wetsuits mit dieser Technologie auf dem Surfmarkt einführten, war natürlicher Kautschuk sehr teuer, und der Surfmarkt ist sehr konservativ, was Veränderungen angeht. Aber ich freue mich, dass sich das nun langsam ändert.

Andere Hersteller wie Vissla, Picture Organic und eben auch Soöruz haben in ihrem Sortiment auch Wetsuits, die sie als „eco-friendly“ bewerben. Gibt es einen Unterschied zwischen diesen Anzügen und den neuen Yulex-Wetsuits von Patagonia?
Es gibt zwei wesentliche Unterschiede: Die FSC-Zertifizierung unserer Kautschukplantagen durch die Rain Forrest Alliance und der Reinigungsprozess von Yulex in der Verarbeitung des Latex. Hierbei werden alle Proteine, die allergische Reaktionen hervorrufen können, eliminiert. 

FSC-Plantagen garantieren Nachhaltigkeit 

Wieso ist Ihnen die FSC-Zertifizierung so wichtig?
Es ist ein enormer Unterschied für eine nachhaltige Produktion, ob die Plantage, auf der das Latex gewonnen wird, FSC-zertifiziert ist oder nicht. Das haben wir selbst erst gelernt, als wir die Plantagen in Guatemala besuchten. Die FSC-Zertifizierung garantiert unter anderem, dass keine Urwälder zur Errichtung von Kautschuk-Plantagen abgeholzt werden.

Außerdem steht es auch für faire und sozialverträgliche Arbeitsbedingungen der Arbeiter. Im National Geographic Magazine ist zu diesem Thema ein sehr interessanter Artikel erschienen, der aufdeckt, wie schmutzig die globale Gummiindustrie arbeitet. Für uns ist es enorm wichtig zu wissen, von welchen Plantagen und unter welchen Arbeitsbedingungen der Kautschuk für unsere Wetsuits gewonnen wird.

 

 

Seit kurzem bietet der globale Neoprenproduzent Sheico ein Material mit dem Namen Natural Prene™ an. Wie unterscheidet es sich vom Yulex-Material der Patagonia Wetsuits?
Was die Performance angeht, gibt es keinen Unterschied. Aber uns ist die FSC-Zertifizierung in der Gewinnung des Rohmaterials enorm wichtig, auch wenn der so gewonnene Kautschuk ein wenig teurer ist.

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnungen als ISPO AWARD Gold Winner und der Eco Achievement Award, die sie auf der ISPO MUNICH 2016 für den R3 Yulex FZ Wetsuit erhalten haben?
Es ist immer schön, wenn die eigenen Produktentwicklungen von der Branche ausgezeichnet werden, und ich hoffe, dass dadurch auch andere Brands inspiriert werden, Yulex-Material für ihre Wetsuits zu verwenden.

In welchem Bereich der Wetsuit-Produktion sehen Sie das größte Innovationspotential?
Der Entwicklung aller unserer Produkte liegt ein bestimmtes Ethos zugrunde, an dem alle Neuentwicklungen gemessen werden. Wir arbeiten ständig daran, unsere Prozesse für eine nachhaltige Produktion zu verbessern und das treibt auch unseren Innovationsprozess voran. Wenn unser Wetsuit-Projekt dazu führt, dass nun auch andere Brands in diesem Bereich aktiv werden, ist das für uns alle ein sehr positiver Effekt.




Andi Spies Autor: Andi Spies