Nachhaltigkeit/13.11.2015

Eine Revolutionärin mit Familiensinn

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Antje von Dewitz leitet das Familienunternehmen Vaude in zweiter Generation. Die vierfache Mutter und Tochter des Firmengründers hat sich einiges vorgenommen. Ihr Ziel: Vaude soll der nachhaltigste Outdoor-Ausrüster Europas werden. Von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis wurde Vaude  gerade als nachhaltigste Marke ausgezeichnet.

Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude
Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude, fährt jeden Morgen mit dem Rad in die Arbeit

2009 übergab Albrecht von Dewitz die Geschäftsführung der Bergsportmarke Vaude an seine Tochter Antje. Die hatte ihr Studium zur Kulturwirtin zuvor genutzt, um in verschiedene Berufe hinein zu schnuppern. Ihren Weg zu finden, wie sie sagt. Sie machte Praktika bei der Süddeutschen Zeitung, beim NDR, beim Goethe-Institut in der Elfenbeinküste.

Doch mit 36 Jahren war sie wieder in der baden-württembergischen Provinz gelandet, in dem Unternehmen, das ihr Vater einst gegründet hatte. Und zwar im Jahr 1974, da war Antje von Dewitz zwei Jahre alt.

Neue Strategie und Leitthema: Nachhaltigkeit

Wie sollte sich nun, mehr als drei Jahrzehnte später, die Marke positionieren nach dem Abschied des Vaters aus dem operativen Geschäft? Die Tochter entwarf eine Strategie und setzte dabei komplett auf ein Leitthema: Nachhaltigkeit.

Sie sagt: „Man muss es ganz machen, damit es eine Wirkung entfaltet.“ Das Familienunternehmen sollte Vorreiter in dieser Hinsicht sein, umwelt- und familienfreundlich.

Nun, sechs Jahre später, ist man dem Ziel ein gutes Stück näher gekommen, fast schon am Ziel: Bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, einem in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung Preis für Nachhaltigkeitsleistungen in Wirtschaft, Kommunen und Forschung, wurde Vaude am 27. November 2015 als nachhaltigste Marke ausgezeichnet.

"Europas nachhaltigster Outdoor-Ausrüster"

"Vaude ist Europas nachhaltigster Outdoor-Ausrüster. Firmenintern spielt Nachhaltigkeit auf allen Kanälen eine große Rolle und gehört auch auf Führungsebene zum Tagesgeschäft. Aber auch nach außen zeigt sich Vaude als agile Nachhaltigkeitsmarke, zu der u.a. Innovationen wie ein Online-Secondhandshop für Outdoor-Markenkleidung oder auch das eigene Label „Green Shape“ gehören.

„Green Shape“ garantiert, dass jeder Bestandteil – vom Innenfutter bis zum Knopf – ressourcenschonend, aus nachhaltigen Materialien und in fairer Produktion entstanden ist", heißt es in der Begründung der Jury.


Zur Arbeit fährt von Dewitz mit dem Rad 

Arbeiten im Einklang mit der Natur, den etwas sperrigen Begriff der Nachhaltigkeit in allen Facetten vorzuleben, das sind Herzensangelegenheiten für Antje von Dewitz. Die 43-Jährige möchte Menschen für Umweltthemen sensibilisieren.

Sie sorgt für die Rahmenbedingungen, bietet ihren Angestellten zum Beispiel einen E-Bike-Verleih und überdachte Fahrradparkplätze an. Von Dewitz weiß, dass Engagement im Kleinen anfängt. Sie selbst fährt jeden Morgen die sechs Kilometer zwischen Wohnsitz und dem kürzlich nachhaltig umgebauten Firmensitz mit dem Rad.

Start mit Rucksäcken und Zelten

Die studierte Kulturwirtin ist die mittlere von drei Töchtern. Sie wuchs in einem beschaulichen Dorf nahe des Bodensees auf. Ihre Familie stammt aus Bremen, ist evangelisch und spricht hochdeutsch.

Damit waren sie Exoten in der Region. Dennoch ist hier ihre Heimat, auch dank des väterlichen Betriebs in Tettnang-Obereisenbach, der zunächst Rucksäcke und Zelte herstellte. Später erweiterte Vaude das Sortiment – auch dank Antje von Dewitz.

Erst Praktikantin, dann Marketingchefin 

Es war lange nicht abzusehen, dass ausgerechnet sie das Familienunternehmen weiterführen würde. Ihr Studium der Kulturwirtschaft in Passau ließ viele Möglichkeiten offen, die Semesterferien nutzte sie für Praktika im In- und Ausland.

Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude
Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude

Ihr letztes Praktikum verbrachte sie zu Hause, im väterlichen Betrieb. Dort kümmerte sie sich um eine neue Geschäftsidee, eine Herausforderung, die sie schließlich fesselte und ins Unternehmen hineinzog. Mit Ende 20 baute Antje von Dewitz den neuen Firmenbereich „Packs n’ Bags“ auf, eine eigene Taschen- und Reisegepäcklinie, die die Zielgruppe von Vaude um Stadtmenschen und Nicht-Bergsteiger erweiterten sollte.

Betriebliche Kinderbetreuung

Dennoch ging Antje von Dewitz 2002 für drei Jahre an die Universität zurück. Sie promovierte über leistungsstarke Arbeitsverhältnisse in mittelständischen Unternehmen. Rückblickend nennt sie diese Jahre „sehr wegbereitend“.

Mit einem unternehmerischen Blick von außen kehrte sie als Marketingleiterin zu Vaude zurück. Doch der Start verlief anders als gedacht: An ihrem ersten Arbeitstag stellte sie fest, dass sie schwanger war.

Erst dachte sie daran, direkt wieder aufzuhören. Sie blieb und nahm zunächst das Kind mit ins Büro. Um das Unternehmen auch im Bereich Familienfreundlichkeit gut aufzustellen, baute sie die betriebliche Kinderbetreuung aus.

Familie und Beruf dank Teilzeit und Heimarbeit 

Inzwischen steht ein Kinderhaus auf dem Unternehmensgrundstück. Die Chefin will ihren Mitarbeitern ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinbaren. Dazu zählen auch flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit zur Heimarbeit, die jeweils sehr gefragt sind: Gut die Hälfte aller Angestellten arbeitet bei Vaude in Teilzeit.

Als Geschäftsführerin schafft von Dewitz den Spagat zwischen der Leitung eines rund 1600 Mitarbeiter (etwa 600 in Tettnang, rund 1000 im Werk in Vietnam) starken Familienunternehmens in der zuletzt nicht mehr von großen Zuwachsraten verwöhnten Outdoor-Branche und ihrer Familie.

Um genug Zeit mit ihren vier Kindern und dem Lebensgefährten zu verbringen, strafft sie ihren Terminkalender so weit wie möglich. An zwei Nachmittagen in der Woche, so ihr Vorsatz, versucht sie um 17 Uhr zu Hause zu sein - eine außergewöhnliche Zielsetzung als CEO.


Fokussierung auf Nachhaltigkeit

Als Familienunternehmen muss Vaude keine Zahlen veröffentlichen; der Umsatz wird jedoch auf knapp unter 100 Millionen Euro geschätzt. Und der Gewinn? Tja, auch da schweigt die Frau fürs Grüne.

Billig ist die Fokussierung auf Nachhaltigkeit jedenfalls nicht zu haben. Ein Dilemma, doch Antje von Dewitz hat ihren Humor deshalb nicht verloren. Angesprochen auf eigene kleine Öko-Sünden, sagte sie kürzlich in einem Interview: „Meine persönliche Ökosauerei ist mein Mann: Der fährt Auto.“  

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Autor: Daniel Siebenweiber