Wassersport/03.02.2019

Ex-Schwimmerin Britta Steffen: „Habe einen hohen Preis gezahlt"

Wir benötigen Ihre Zustimmung, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren!

Diese Funktion ist nur verfügbar, wenn eine entsprechende Zustimmung erteilt wurde. Bitte lesen Sie die Details und akzeptieren Sie den Service, um die Bewertungsfunktion zu aktivieren.

Bewerten
Merken

Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen spricht über ihr Leben als junge Mama und als Profi-Schwimmerin, die Anfänge im geliehenen Badeanzug, die Höhen und Tiefen ihrer Karriere - und die Zeit danach. 

Britta Steffen feuert die Jugend bei Liegestützen an.

Ganz alleine, unbehelligt von Autogramm- und Selfie-Jägern, sitzt sie da, schaut den kleinen Meerjungfrauen im Pool des Watersports Village auf der ISPO Munich zu. Nur wenige erkennen die erfolgreichste Schwimmerin der letzten 20 Jahre, die Doppel-Olympiasiegerin, zweifache Welt- und neunfache Europameisterin: Britta Steffen. Sie stört das nicht.

Die Sportlerin des Jahres 2008 genießt die kurze Pause zwischen ihren Interview-Auftritten, zuerst im Health & Fitness Forum in Halle A6 und danach in A4 beim Outdoor & Watersports Village. 

Britta Stefan: „Ich habe jetzt ein anderes Leben"

Die 35-Jährige wirkt so fit, dass schwer zu glauben ist, dass sie schon seit sechs Jahren nicht mehr wie ein Profi trainiert. Vor eineinhalb Jahren hat sie einen Sohn zur Welt gebracht.

Sie sagt: „Der Profisport ist schon eine Weile her. Ich habe jetzt ein anderes Leben. Klar fehlt mir der regelmäßige Sport, aber ich habe damals schon einen hohen Preis gezahlt: bis zu sechs, sieben Stunden Training pro Tag, höchstens zwei, drei Wochen Urlaub im Jahr. Es war eine schöne Zeit, aber es ist auch schön, dass sie zu Ende ist. Es war ja alles dabei.“

Die eins schnellste Schwimmerin der Welt Britta Steffen gab den Besuchern auf den Weg: „Dass man immer den Spaß am Sport behalten und nie übertreiben sollte."
Bildcredit:
Messe München GmbH

Der Beginn ihrer Liebe zum Schwimmen

25 Jahre lang ist sie geschwommen, hat mit sechs angefangen. Und dass, obwohl man sie damals bei der Sichtung aussortiert hatte: zu klein, zu dünn. „Aber mein Cousin wurde als Schwimmer gesichtet, und da ihn seine Mutter nicht fahren konnte, hat das meine Mutter gemacht“, erzählt sie. „Ich saß am Beckenrand, bis der Trainer fragte, ob ich nicht mitschwimmen wollte.“

„Er gab mir einen viel zu großen Schwimmanzug aus der Fundgrube – so bin ich zum Schwimmen gekommen.“ Schon mit zwölf ging es auf die Potsdamer Sportschule. Das war nicht immer einfach für sie: „Am Anfang habe ich schon viel geweint“, erinnert sie sich. Mit 16 Jahren machte sie Körperkrafttraining, mit 17 dann auch an Geräten. „Das hat mir aber gar nicht so gefallen“, sagt sie. „Deshalb bin ich wieder zurück zu ganz einfachen Übungen: Klimmzüge und Liegestützen.“

450 Liegestütze in einer Stunde

Jeden Dienstag von 16 bis 17 Uhr zog sich Steffen an Stangen hoch: „Am Anfang habe ich nur 3 mal 2 Züge geschafft, mehr ging nicht.“ Am Ende ging dafür ganz schön viel: 175 Stück in einer Stunde. Auch bei den Liegestützen schaffte sie 450 in einer Stunde.

„Ich hatte eine Konkurrentin, die war so krass durchtrainiert, dass ich dachte: 'Gegen die hab' ich nie eine Chance!' Deswegen wollte ich in einem Bereich so gut sein, wie keine andere. So bin ich zum Oberkörper-Tier geworden.“ Mit Stolz erzählt sie: „Ein paar Jungs wollten bei mir mal mittrainieren – die konnten sich danach tagelang nicht mehr bewegen.“

Ihr allgemeines Trainingsprogramm hat sie bis heute beibehalten – wenn auch nur noch ein Mal pro Woche: „Nonstop-Gymnastik haben wir das genannt. Das sind 50 Jahre alte Übungen.“ Als da wären: Klappmesser, Liegestütz mit versetzten Armen, Wandsitzen und die besonders fiesen Brücken-Liegestützen, 25 Stück an der Zahl. „Danach hat man garantiert überall Muskelkater“, sagt Steffen lachend.

Britta Steffen, ehemalige deutsche Schwimmerin und Doppelolympiasiegerin auf der ISPO Munich 2019. 
Bildcredit:
Messe München GmbH

Ihre Karriere stand kurz vor dem Aus

Dass sie auch mit 30 noch im Becken aktiv war, hat sie einer Mentaltrainerin zu verdanken. Nach zwei missglückten Olympia-Teilnahmen wollte sie mit 20 aufhören. Sie nahm sich ein halbes Jahr Auszeit und fragte Kollegin Franziska van Almsick um Rat. Die empfahl ihr Mentaltraining. 

„Ich war dann bei Franzis Mentaltrainerin, die mit Sport gar nichts am Hut hatte“, erzählt Steffen. „Die fragte mich nach der ersten Sitzung: 'Was kannste denn noch? Was macht dir Spaß?' Da hab' ich gemerkt, dass das doch Schwimmen ist. Dann habe ich nochmal alles überdacht, viele Glaubenssätze gelöscht und die Veränderungen in einem Vertrag mit dem Trainer festgehalten.“ 

Doppel-Gold bei Olympia 2008

Statt 120 Minuten trainierte sie nur noch 90 Minuten. Auch den Satz 'Wenn dir dein Körper sagt, er kann nicht mehr, sag' deinem Körper 'Er kann mich mal!' strich sie ersatzlos. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: zwei Mal Gold bei Olympia 2008 in Peking. „Als ich da die Eins aufleuchten sah, musste ich mir erst mal in die Hand beißen: 'Hoffentlich ist das jetzt kein Traum!'“

Doch es war kein Traum. Steffen wurde zur bekanntesten deutschen Schwimmerin seit Franziska van Almsick. Heute hat sie eine Coaching-Firma, hält Vorträge und engagiert sich bei sozialen Projekten.

Zum Schwimmen geht sie nur noch ein Mal die Woche. Da wird sie dann schon ab und zu erkannt: „Neulich sagt so ein Ü60-Rentner zu mir: 'Sie sehen der Steffen ähnlich.' Darauf ich: 'Das kann sein.' Dann plärrt der durch die ganze Schwimmhalle: 'Jungs, ich hab' gefragt: Sie isses!'“