ISPO.com: NOW Partners kooperiert zukünftig mit ISPO bezüglich Messen, Konferenzen und Innovation Labs. Was für eine Art Firma ist NOW?
Walter Link: Wir sind eine Netzwerk-Firma, die Rechtsform ist eine sogenannte Benefit Corporation, die sich rechtlich dem Allgemeingut verpflichtet. Zusätzlich sind wir von unabhängiger Seite als B Corp zertifiziert und gehören zu 100 Prozent einer gemeinnützigen Stiftung. Unsere über 100 global tätigen Partner und ihre Teams sind größtenteils schon seit Jahrzehnten darauf konzentriert, Regeneration in Unternehmens- und Wirtschaftserfolge zu integrieren. Dazu haben wir viele Innovationsansätze entwickelt und unterstützen deren Umsetzung in Unternehmen und Institutionen in aller Welt.
Wofür steht euer Name „NOW Partners“?
Das „NOW“ steht für die dringende Notwendigkeit, jetzt zu handeln. „Partners“ heißt, dass wir partnerschaftlich miteinander und mit unseren Kund*innen und anderen Stakeholdern zusammenarbeiten, um einen neuen Mainstream in der Wirtschaft mitzugestalten. Wie die meisten Besucher*innen der ISPO Messen habe ich jahrzehntelange Erfahrung als Mitleiter und Miteigentümer von Firmen. Daher weiß ich, wie schwer echter Wandel wirklich ist. Deshalb lautet einer meiner Leitsätze: Visionäre Transformation unterstützt durch pragmatischen Übergang. Manchmal brauchen wir Konkurrenz untereinander. Manchmal erreichen wir gemeinsam mehr, wie in den kreativen Innovation Labs, die wir der Outdoor- und Sportbranche in Zusammenarbeit mit ISPO anbieten.
Die Integration von wirtschaftlichem Erfolg und positiver Wirkung auf alle Stakeholder nennt ihr Regenerative Value Creation. Was bedeutet das?
Regenerative Value Creation ist die DNA der nächsten Mainstream-Wirtschaft, auf die alle großen Trends hinweisen. Kund*innen und Mitarbeiter*innen, Investor*innen und Gesetzgeber*in erwarten zunehmend ein nachhaltigeres Unternehmerverhalten. Es geht nicht um eine schöne Philosophie, sondern um eine schon erfolgreiche Realität in Firmen aller Branchen und Größen, von denen wir lernen können. Die industrielle Revolution hat den Menschen zwar Vorteile gebracht, aber sie hat gleichzeitig auch viele Lebenssysteme stark beeinträchtigt. Deshalb stehen wir als Menschheit, und auch die Tierwelt und Natur vor einer grundsätzlichen Existenzfrage.
Es wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren entscheiden, ob wir überlebensfähig sind oder nicht. Werden wir uns für eine Wirtschaft entscheiden, die es uns nicht nur ermöglicht, zu überleben, sondern auch unsere positiven Potenziale umzusetzen? Um das zu erreichen, ist Regenerative Value Creation notwendig. Sie integriert die Regeneration von Menschen, Gesellschaften und Natur in Unternehmenserfolg und Wirtschaftsentwicklung.
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist nachhaltig zu wirtschaften zu wenig?
Es geht uns weniger um Begriffe. Es geht um Inhalte und um konkretes Handeln. Es gibt viele gute Begriffe und Handlungsansätze. Leider sind es so viele, dass man kaum noch versteht, was sie alle bedeuten und wie sie zusammenpassen. Warum also ein weiterer Begriff wie „Regeneration“ und „Regenerative Wertschöpfung“? Im Englischen ist Nachhaltigkeit „sustainability“ und „to sustain“ bedeutet „zu erhalten“. Aber viele unserer lebenswichtigen Systeme, von Klima bis Gesellschaft, sind in vielen Ländern so angeschlagen, dass sie erst wieder gesunden müssen, zur Systemgesundheit zurückfinden müssen. Nur wer gesund ist, kann sein positives Potenzial entfalten. Das gilt für Mensch und Natur. Deshalb brauchen wir Unternehmen und Volkswirtschaften, die erfolgreich sind, weil sie helfen, Mensch und Natur zu regenerieren, also wieder gesund zu machen.
Du arbeitest hieran schon seit über 30 Jahren – wie kam es dazu?
Ich bin in den 70er-Jahren in Hamburg zur Schule gegangen. Da haben wir uns eigentlich jeden Tag mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust auseinandergesetzt. Außerdem mit der stark voranschreitenden Umweltzerstörung und den Menschenrechtsproblematiken in der ganzen Welt. Und gleichzeitig gab es auch viele lösungsorientierte Bewegungen, wie die Umweltbewegung und die grüne Partei, die Frauenbewegung und die Friedensbewegung, und auch viel technologische Innovation. Das hat mir das Gefühl gegeben, wir können die Welt positiv beeinflussen. Und weil wir das können, haben wir auch die Verantwortung es zu tun. Ich bin aufgewachsen umgeben von Menschen, die sagten, wir hatten in der Diktatur keine Wahl. Ich weiß nicht, wie ich mich damals verhalten hätte… Aber heute weiß ich, dass ich in unserem demokratischen Umfeld jeden Tag die Wahl habe. Diese tägliche Wahlfreiheit ist seither die wesentliche Triebkraft meines Lebens.
Was hast du anders gemacht, als du in eure Familienunternehmen eingestiegen bist?
Da wollte ich natürlich auch dieses Gedankengut der Nachhaltigkeit und Regeneration umsetzen. Auf der sozialen Ebene haben wir damals schon viel getan. Aber mir wurde bewusst, dass wir zum Beispiel durch den Verkauf von Airconditionern in Asien auch direkt für das Ozonloch verantwortlich waren. Als ich versucht habe, diese und andere Technologien zu verändern, ist mir klar geworden, dass man als einzelnes Handelsunternehmen nur sehr begrenzt Einfluss hat.
Deshalb habe ich angefangen, in West- und Osteuropa, Süd- und Nordamerika die transregionalen Unternehmerallianzen aufzubauen, in denen wir voneinander gelernt haben, wie man regenerativer wirtschaften kann. Gemeinsam mit Expert*innen haben wir viele Innovationansätze entwickelt, wie Cleantech und Zirkularität, Inklusivitätsverhalten und Impact Investing. Wir sind viele Kooperationen mit NGOs, Regierungen und der UN eingegangen, um wirtschaftliche Rahmenbedingungen auf Regeneration auszurichten. So sind im Lauf der vergangenen Jahrzehnte viele miteinander verbundene Strömungen entstanden, aus denen im kommenden Jahrzehnt ein neuer Mainstream für die Wirtschaft werden muss, und deshalb auch werden wird. Bisher hat sich die Evolution immer durchgesetzt, trotz aller Um- und Irrwege. Unternehmen, die sich daran orientieren, werden gewinnen.
Neben großen Industrie- und Handelsunternehmen hast du auch das Gut deiner Familie im Odenwald verändert?
Ja, das war mir sehr wichtig, weil ich die Natur liebe und hier ganz direkt Hand anlegen konnte. Mit der Hilfe der Schweisfurth Stiftung und einer innovativen Landwirtsfamilie habe ich unseren Bauernhof von chemischer auf biologische Landwirtschaft umgestellt, und ihn dadurch auch finanziell viel erfolgreicher gemacht. Wir haben ein neues Modell entwickelt, das nach sehr viel Widerstand, dann auch viele andere inspiriert hat.
Jetzt arbeite ich weltweit an der Verbreitung von regenerativer Landwirtschaft, die eine der vielseitigsten Lösungen menschlicher Probleme darstellt. Wir können durch die CO2-Abscheidung einen Großteil unserer Klimaprobleme lösen und gleichzeitig die zunehmend ungesunden Böden weltweit wieder fruchtbarer machen. Richtig betrieben ist diese Landwirtschaft produktiver und deshalb auch für Landwirte attraktiver, was ländliche Gemeinden stärkt; auch im globalen Süden, wo viele Menschen durch schlechte Wirtschaftsverhältnisse ungewollt zur Migration gezwungen werden.
Weitere Informationen dazu findet man auf dem U.N. Food Systems Summit Dialogue, der von NOW Partners, United for Regeneration und dem Club of Rome organisiert und von Walter Link und Sandrine Dixson-Decleve mitveranstaltet wurde: https://now.partners/united-for-regeneration-cocreating-resilient-food-systems/
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, gehören Outdooraktivitäten sicher zu deinem Leben – wobei entspannst du, was inspiriert dich?
Ich liebe es, zu schwimmen – im Meer, in Seen, in Flüssen, überall. Ich mag es generell, in der Natur zu sein – in den Bergen, in Wäldern, wie jetzt im Frühling umgeben von blühenden Wiesen. Ich liebe an der Natur, dass sie alles beinhaltet: Wildheit und Ruhe, Kontinuität und ständige Veränderung. Je mehr ich in der Natur bin, desto mehr spüre ich, dass ich ein Teil von ihr bin. Das gibt mir viel Inspiration und Kraft. Die Natur, die uns umgibt, ist auch unser Körper. Wenn sie krank ist, dann leiden wir alle darunter. Und wenn ich irgendwie dazu beitragen kann, die Natur und Menschen und Gesellschaften zu regenerieren, dann erfüllt mich das mit so viel Freude und Kraft. Deshalb empfinde ich meine Arbeit als Privileg. Ich darf machen, was ich liebe.
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