Es herrscht Aufbruchstimmung im japanischen Sportmarkt. Die Rugby-Weltmeisterschaft 2019 sorgt im ganzen Land für Begeisterung. In Kamaishi, wo der Tsunami 2011 fast alles zerstört hat, wurde sogar ein neues Rugby-Stadion gebaut.
Tennisprofi Naomi Osaka hat sich nach ihren Triumphen bei den US Open und Australian Open samt anschließendem Aufstieg zur Nummer 1 der Weltrangliste zur neuen Sportheldin hochgeschwungen. Und dann warten da am Horizont ja noch die Olympischen Spiele in Tokio im Sommer 2021.
Auch wenn die japanische Gesellschaft dramatisch altert – Sport ist plötzlich wieder in. Damit werden auch die Aussichten für die schwächelnde Sportindustrie wieder rosiger. Premierminister Shinzo Abe hat die Sportbranche schon 2016 in seine nationale Wachstumsstrategie aufgenommen – neben Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz oder Robotik.
Die Ziele scheinen mehr als ambitioniert: Der Umsatz soll sich von 5,5 Billionen Yen (46,8 Mrd. Euro) im Jahr 2012 auf 10,9 Billionen Yen (92,7 Mrd. Euro) im Jahr 2020 verdoppeln. 2025 sollen sogar 15 Billionen Yen (127,6 Mrd. Euro) in der japanischen Sportindustrie umgesetzt werden.
„Es ist tatsächlich so, dass das Thema Sport wieder mehr im Gespräch ist. Das hat auch mit einem langsamen Umdenken in der Gesellschaft zu tun“, sagt Takahiro Yasutake am Rande der ISPO Shanghai im Gespräch mit ISPO.com. Vor allem die jüngere Generation, so der Sales Manager einer Firma aus dem Sport-Business, verändere ihre Prioritäten. Statt wie traditionell üblich nur Arbeit und Pflichterfüllung im Blick zu haben, würden immer mehr Menschen den Wert von Freizeit und Natur erkennen.
„Der Outdoor-Markt in Japan wird immer stärker – immer mehr Leute wollen raus aus der Großstadt und zum Beispiel campen. Snowboard fahren erlebt einen Boom und immer mehr Kids starten mit Sportarten wie Skateboarding. Auch Klettern ist im Mainstream angekommen“, so Yasutake. Da passt es perfekt, dass die beiden letzteren Sportarten 2021 in Tokio ihre Olympia-Premiere feiern. Auch Running oder Golf sind voll im Trend.
Es scheint so, als würde die so traditionelle japanische Gesellschaft tatsächlich etwas jünger und lockerer werden. Das gilt auch für die Kleidung. Waren früher Anzug und Kostüm im Job mehr oder minder Pflicht, brechen die Grenzen jetzt mehr und mehr auf.
Besonders gefragt ist trendige Outdoor-Kleidung für den ganzen Tag: „Immer mehr Menschen wollen ein Fashion-Statement abgeben und Kleidung tragen, die man sowohl bei der Arbeit als auch bei einem Ausflug am Wochenende nutzen kann.“
Wichtig, so Yasutake, sei es, dass die internationalen Brands ein spezielles Konzept für den japanischen Markt entwickeln würden: „Das fängt schon damit an, dass die meisten Japaner kleiner und schmächtiger als zum Beispiel Europäer sind. Also sollte man den Schnitt der Bekleidung entsprechend anpassen. Außerdem ist der Durchschnittskunde in Japan etwas älter und sehr wählerisch. The North Face macht das zum Beispiel sehr gut – sie haben ihr Angebot komplett lokalisiert.“
Generell seien die Chancen für internationale Marken im Konkurrenzkampf mit einheimischen Platzhirschen wie Asics oder Mizuno sehr gut, weil sie bei japanischen Kunden hoch angesehen seien.
Dass auch das ganz große Business auf die wieder besser werdenden Chancen in der Sportindustrie setzt, zeigt das Beispiel des Fußball-Vereins Vissel Kobe in der japanischen J-League. Hiroshi Mikitani, Chef des E-Commerce-Giganten Rakuten, hat mit viel Geld Fußball-Weltstars wie Lukas Podolski oder Andrés Iniesta nach Kobe gelockt.
Die Investition soll sich auszahlen: Seit 2017 werden Fanartikel und Merchandising der Profiliga über seine Online-Mall verkauft. Insgesamt soll der Umsatz mit Sportartikeln laut Planungen der japanischen Regierung von 1,7 Billionen Yen (14,2 Mrd. Euro) im Jahr 2012 auf 3,7 Billionen Yen (30,9 Mrd. Euro) im Jahr 2025 steigen. Das klingt tatsächlich nach Aufbruchstimmung in der japanischen Sportindustrie.