Nicht nur Bergsteiger, auch immer mehr Sportkletterer entdecken das Eisklettern für sich. Ohne Dauerfrost lässt sich der Trendsport in unseren Breitengraden vor allem in den höheren Lagen der Alpen ausüben.
Sinken die Temperaturen deutlich unter die Null-Grad-Grenze, kommen mit gefrierenden Wasserfällen weitere Betätigungsfelder für Eiskletterer hinzu. Dann locken auch in Mittel- und Norddeutschland einige lohnenswerte Destinationen.
Ohne Erfahrungen in der Kletterhalle oder mit dem Bergsteigen sollte niemand versuchen, Natureis zu erklettern. Bergsteigen und Sportklettern sind die idealen Voraussetzungen. Doch auch der geübteste Kletterer sollte sich vor der ersten Eis-Tour mit der ungewohnten Materie vertraut machen. Denn Eis reagiert komplett anders als Stein und verändert sich vor allem ständig. Das macht Eisklettern einerseits so spannend, für Unvorbereitete anderseits aber auch extrem gefährlich.
Es braucht viel Erfahrung, um die Beschaffenheit und Stabilität von Natureis richtig einschätzen zu können. Bis man diese Erfahrung hat, sollte man zum Eisklettern nicht ohne vertrauenswürdigen Führer aufbrechen. Wasser gefriert nicht gleichmäßig, sondern bildet Lufteinschlüsse und "arbeitet" unentwegt, durch unterschiedliche Tages- und Nachttemperaturen, durch Niederschläge und Sonnenbestrahlung.
Für einen Laien bedeutet es nichts anderes als Lebensgefahr, wenn er selbst entscheidet, ab welchem Zeitpunkt an einem gefrorenen Wasserfall oder an steilen Felswänden das Eis stabil genug ist, um einen Menschen zu tragen, der seinen Körper mit Hilfe von Eisgeräten, Eisschrauben und Steigeisen aufwärts bringen will.
Vorkletterer an der Eissäule oder Eiswand stellen dabei eher eine zusätzliche Gefahr, als eine zusätzliche Sicherheit dar. Durch jede einzelne Veränderung, sei sie naturbedingt oder von Menschen bewirkt, gelten neue Bedingungen im Eis.
Zumindest einen Schnupperkurs Eisklettern sollte deshalb jeder Neuling absolvieren, bevor er das neue Hobby angeht. Anbieter sind beispielsweise der Deutschen Alpenverein oder Bergsteigerschulen. Dort kann man die nötige Ausrüstung auch erst einmal leihen und ausprobieren.
Der Boom, den das Eisklettern seit Beginn des Jahrtausends erlebt, ist auch dem wachsenden Engagement der Sportindustrie zu verdanken, denn erst die richtige Ausrüstung ermöglicht dem Sportler den sicheren Aufstieg auf vereisten Flächen. Was anfangs Extremsportlern vorbehalten war, ist dank der modernen Hilfsmittel nun immer mehr Aktiven möglich. Wasserfeste, wärmeisolierende Kleidung ist der eine Aspekt, komfortable Verankerungsmöglichkeiten und Sicherungssysteme wie Eisschrauben der andere.
Solche Spezial-Entwicklungen lohnen erst ab einer bestimmten Marktgröße, und die gibt es noch nicht so lange. Erst mit der Fitnesswelle kam auch das Bergsteigen stärker in Mode, Kletterhallen sprossen wie Pilze aus dem Boden und die Erfindung von Gore-Tex und Co. ermöglichen die Outdoor-Aktivitäten inzwischen bei jedem Wetter.
Damit das Klettern in der Kälte – vor allem mit dem permanenten Kontakt zum Eis – nicht zu Erfrierungen führt, ist Funktionskleidung das A und O. Wärmende und zugleich atmungsaktive, aber auch wasserdichte und zugleich elastische Materialien werden kombiniert.
Es gilt das Zwiebelprinzip: Unterwäsche, wärmende Zwischenschicht, Jacke und Hose und Handschuhe – all das entspricht im Grunde der Bergsteigerkleidung für kalte Tage. Ob Bergsteigerstiefel aus Leder trotz ihrer Wasserdurchlässigkeit besser zum Eisklettern geeignet sind als wasserdichte, aber unbeweglichere Kunststoffbergschuhe oder Skitourenstiefel, das muss jeder Eiskletterer für sich selbst entscheiden.
Jede der drei Varianten hat ihre Vor- und Nachteile: Warme und trockene Füße bedeuten beim Eisklettern leider immer noch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit und größeres Gewicht. Wichtig ist, dass die Schuhe sicheren Halt bieten und sich perfekt mit den Steigeisen kombinieren lassen.
Eisschlag und Lawinen sind neben Erfrierungen und Verletzungen durch scharfe Gerätschaften die Hauptgefahren beim Eisklettern, gerade wenn mehrere Seilschaften in einen gefrorenen Wasserfall oder eine alpine Eiswand einsteigen. Ein Schutzhelm mit einer wärmenden, aber atmungsaktiven Mütze oder Sturmhaube darunter gehört daher zur Pflichtausstattung.
Viele Modelle verfügen auch über einen Nackenschutz und ein Visier. Vor Eissplittern, Wind, Sonne, UV-Strahlung und Schneeblindheit schützen Gletscher- oder Skibrillen. Damit kein Schnee oder Eis zwischen Hose und Schuhe dringt, sind wasserdichte Gamaschen hilfreich.
Durch die Überlappung werden wasserdurchlässige Bergsteigerstiefel zudem vor dem zu schnellem Durchfeuchten bewahrt. Ersatzhandschuhe aus Neopren oder Wolle haben sich ebenfalls bewährt.
Analog zum alpinen Bergsteigen gehören Brust- und Hüftgurt zur Grundausrüstung beim Eisklettern. Wie der Bergsteiger braucht auch der Eiskletterer Steigeisen für die Schuhe, Seile, Haken, Karabiner, Schlingen und ein Erste-Hilfe-Set. Statt Pickel gibt es inzwischen spezielle Eisgeräte.
Es wird mit zwei Geräten geklettert, als ideal gelten die sogenannte Eisbeile oder Eisäxte mit verkürztem Schaft. Handschlaufen für die Eisgeräte entlasten die Unterarme. An speziellen Eisschrauben aus Edelstahl oder Titan sollten je nach Können und Tour 4 bis 5 Stück mitgeführt werden.
Bis Eisklettern in unseren Breiten zum Volkssport wird - wie in Kanada, wo bereits Kilometer an Felswänden künstlich vereist werden - erfreuen wir uns an den natürlichen Möglichkeiten im Alpenraum.
In Deutschland empfiehlt sich das höchstgelegene Gebiet um die Zugspitze. In der Nähe von Garmisch gibt es etliche Möglichkeiten zum Wasserfall-Eisklettern unter Anleitung, von Schnupperkursen bis hin zu Mehrtagestouren. In Österreich gilt Tirol als Hotspot für Eiskletterer. Schließlich fand im Pitztal 1999 der erste Weltcup im Eisklettern statt, an dem bis heute übrigens Laien und Profis teilnehmen dürfen.
Auch das Ötz- und das Kaunertal sind beliebt. In der Schweiz sind die Berner Alpen um Kandersteg und Staubbach bestens zum Eisklettern geeignet, mit vielen Touren in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Für etliche Alpenziele sind inzwischen spezielle Eiskletterführer erschienen.
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