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Urban Culture/29.08.2023

Städtische „Spielplätze“: Wo Sport zur urbanen Kultur wird

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Coole Sportstätten und die damit verbundenen Geschichten, Subkulturen und Persönlichkeiten verleihen Städten ein besonderes Flair. Von Klassikern wie dem Muscle Beach in Santa Monica bis zu urbanen Boulderplätzen in Melbourne haben wir uns genauer angeschaut, was die Lust am Sport auch in der Stadt fest verankert. 

Wie sich Sport mit Kultur verbindet

Streetball Courts in New York, die Eisbachwelle in München, Muscle Beach mit Zirkusartisten und Slacklinern in Santa Monica, Fitness-Fanatiker und Bodybuilder in Venice Beach – besondere Sportstätten, eingebettet in das urbane Leben, sind Sightseeing- und Insta-Spots. Gleichzeitig sind sie Treffpunkt für Einheimische. Auch in einem Pariser Vorort leuchtet ein Basketballfeld, eingeklemmt zwischen zwei Wohnhäusern, in bunten Farben. Der Court in der Rue Duperré wurde von Stephan Ashpool, Gründer des Modelabels Pigalle, in jahrelanger Arbeit entworfen und mithilfe von Nike realisiert. Auf dem Court trainiert Ashpool mit Kindern aus der Nachbarschaft oder präsentiert auch schon einmal seine Kollektionen. Das Projekt an der Schnittstelle von Lifestyle, Design und Sozialem ist erfolgreich: 2020 erhielt er ein Re-Design, in Peking gestalten Pigalle und Nike gemeinsam einen weiteren Streetcourt. Weltweit kommen immer mehr von lokalen Künstlern gestaltete Courts hinzu, die Nike als soziales Projekt unterstützt, um Jugendliche aus der Nachbarschaft und insbesondere auch Mädchen auf den Court und zum Sport zu bringen. 

Von Slackline bis Boulder: Outdoor in der Stadt

Auch Outdoor-Sportarten sind in abgewandelter Form in der Stadt zu Hause. So wird die Slackline, statt im alpinen Gelände zwischen Felspfeilern, mittlerweile zwischen Bäumen oder künstlichen Pfeilern im Stadtpark oder am Strand gespannt. Der Hersteller Gibbon war dabei federführend: „Wir wollten den Slackline-Sport zugänglicher machen. Mittlerweile ist die Slackline der Treffpunkt und bringt alle zusammen. Vor allem in Brasilien und Chile, aber auch in Japan gibt es starke Trickline-Communities“, sagt Gibbon-Geschäftsführer Robert Käding. 

Aber auch die Trendsportart Bouldern hat den Sprung vom Fels in den Betondschungel geschafft. Sie verdankt ihre Popularität vor allem den Trainingsmöglichkeiten in der Stadt. Dass es sich dabei nicht nur um kommerzielle Angebote in Hallen handeln muss, zeigen Städte wie Melbourne, Madrid, Barcelona oder Shanghai. Öffentliche Kletter- und Boulderwände bieten kostenlose Trainingsflächen für Sportler*innen. Sie werden von der Stadt beleuchtet und betreut, Freiwillige übernehmen die Aufbau- und Schraubarbeiten. Insbesondere Unterführungen oder Fußgängertunnel bieten Schutz vor Witterungseinflüssen und machen die Wand ganzjährig nutzbar. So werden vormals tote Winkel zu belebten Hotspots. Auch in München baut die DAV-Gruppe „Kraxlkollektiv“ in einer Straßenunterführung eine der weltweit größten öffentlich zugänglichen urbanen Boulderwände. 

Das Kaxlkollektiv schafft mehr Zugang zu öffentlichen Boulderflächen in München.
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Sophie Rittmeier

Muckis am Strand oder Fitness im Wald

Die Idee, kostenlose Sportmöglichkeiten im Freien zu nutzen, ist natürlich nicht neu. Der originale Muscle Beach in Santa Monica erlebte bereits zwischen 1930 und 1950 seine erste Blütezeit und auch die Trimm-Dich-Pfade in Deutschland fanden in den 1970er- und 1980er-Jahren, getriggert durch die Olympischen Spiele 1972 in München, eine große Fangemeinde. In unserer heutigen Gesellschaft haben besondere Erlebnisräume aber nicht nur dann eine Bedeutung, wenn sie besonders „instagrammable“ sind.



Raumgrenzen lösen sich auf

In der Soziologie spricht man auch vom dritten Raum, womit vor allem Aufenthaltsorte jenseits von Zuhause (erster Raum) und Arbeitsplatz (zweiter Raum) gemeint sind. Durch die Digitalisierung verschwimmen die ersten beiden immer mehr: Gearbeitet wird im Homeoffice, Remote Work oder Workations rücken die Orte in den Vordergrund, an denen wir nach der Arbeit Zeit verbringen und Dinge erleben wollen. Dabei spielen auch Sport und Bewegung eine Rolle.

Ein kostenloses Sportangebot fördert nicht nur die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung, sondern ist auch ein Standortvorteil für Städte: Gemeinsame Erlebnisse auf dem Sportplatz stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit der Heimat. Gleichzeitig ist es in Zeiten von Flächenknappheit und durchgetakteten Lebensstilen sinnvoll, Transiträume in der Stadt zusätzlich mit Sport zu beleben. Dabei boomen eben Spielplätzen und Programmen für Kinder eben auch kostenlose oder niederschwellige Bewegungsangebote für Erwachsene – von Skateparks bis zum Krafttraining. 

Die Slackline wird zum Treffpunkt in der Stadt – nicht nur bei Events.
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Wisthaler.com

Die Stadt als Tanzfläche

Schließlich macht Austoben nicht nur für den Nachwuchs Sinn. Räume, in denen Bewegung und Training öffentlich und kostenlos möglich sind, sind für unsere gesamte Gesellschaft wichtig, unabhängig vom Alter. Sie machen ein Viertel oder eine Stadt lebenswerter und vermitteln ein noch stärkeres Zugehörigkeitsgefühl, wenn die Bewohner*innen an der Entstehung der Angebote beteiligt sind. Beispiel Neuseeland: Nach dem verheerenden Erdbeben in Christchurch 2011 waren Sporthallen geschlossen oder zerstört. Es gab kaum noch Treffpunkte für die Menschen. Doch aus der Initiative „Gapfiller“ entstanden verschiedene Projekte, um die Lücken im Stadtplan der zerstörten Stadt wieder zu nutzen: mit Gap Golf, einem Minigolfplatz, der über verschiedene Ecken der Stadt verteilt ist, oder mit dem Dance-O-Mat, einer öffentlichen Tanzfläche inklusive Discokugel, auf der man seine eigene Musik über eine umgebaute Waschmaschine abspielen kann. Das war so erfolgreich, dass selbst King Charles dort schon das Tanzbein geschwungen hat – neben Schulen oder Tanzgruppen für Tango-Kurse.

Kluge Stadtplanung und offizielle Unterstützung wichtig

Inwieweit Sport in der Stadt tatsächlich möglich ist, hängt von einer sinnvollen Stadtplanung und -verwaltung ab. Wenn es im Herbst oder Winter früher dunkel wird, braucht es ein Budget für den Bau und Betrieb von Flutlichtanlagen, damit auch nach den Hausaufgaben oder der Arbeit noch eine Runde Skaten möglich ist oder Basketball gespielt werden kann. Um möglichst kosteneffizient und klimaschonend zu arbeiten, experimentieren Städte wie München mit Zeitschaltuhren, um die Flutlichtzeiten zu verlängern, aber auch mit zugänglichen Bedienelementen, damit das Licht nur leuchtet, wenn der Platz auch genutzt wird. 

Brygge Islands Harbor Bath ist im Sommer ein beliebter Badeort.
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Astrid Maria Rasmussen

Orte des Draußen-Seins existieren vermehrt eingebettet in das urbane Leben und den jeweiligen Charakter der Stadt. Und wenn die Lage der Stadt auf planerische Finesse trifft, können besondere Erholungsräume entstehen, wie die Harbor Baths in Kopenhagen: künstlich angelegte Schwimmbecken mit Liegeflächen schaffen Lebensqualität mitten in der Großstadt. Aber auch nicht mehr genutzte Räume, die zu Sport- und Freizeitflächen umgewidmet werden, können einen großen Mehrwert bieten. Ebenfalls in Kopenhagen steht eine Kunstrasen-Skipiste auf einer Müllverbrennungsanlage: der „CopenHill“. Andere Beispiele sind eine Skaterbahn auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin oder Europas größtes Indoor-Tauchrevier in einem alten Gasometer in Duisburg. 

Wenn dann noch Marken und Künstler mitmischen, verbinden sich Geschichte, Kultur, Lifestyle und Sport zu einem besonderen Mix, der oft nur in der Stadt möglich ist. Oder auch auf der ISPO Munich: Wer übrigens die Designkompetenz von Ashpool hautnah erleben möchte, dem sei die Zeitgeist-Ausstellung im Future Lab der ISPO vom 28. bis 30.11.2023 empfohlen. Denn dort wird es einen Basketball Court geben, der ebenfalls vom Mastermind des berühmten Pigalle Courts in Paris entworfen wurde.

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