Autor:
Iris Hrabe-Ritzert

Surf-Experte ist überzeugt von einer Weiterentwicklung des Wellenreitens

Wie künstliche Wellen und Wavepools das Surfen verändern

„NLand Surf Parks wird an die Kelly Slater Wave Co. verkauft“, „Industriegigant Bosch Rexroth steigt in die Surf-Pool-Branche ein“: Die Fachpresse ist derzeit voll mit Nachrichten wie diesen. Klar ist: Künstliche Wellen erleben weltweit einen Aufschwung. Im Jahr 2019 ist es für die Surf- und Tourismusbranche daher unumgänglich, sich mit der Entwicklung und Kommerzialisierung von künstlichen Wellen auseinanderzusetzen. Was das für den Surfsport, die Surfkultur und die Umwelt bedeutet, erklärt Surfpool-Experte John Luff.

The Wavegarden in San Sebastian, Spain.
Der Wavegarden im spanischen San Sebastian

John Luff ist Gründer und Präsident von surfparkcentral.com. Die Webseite ist die Adresse für jegliche Neuigkeiten in Sachen Surf-Pools und der Entwicklung von künstlichen Wellen rund um den Globus.

Mit ISPO.com spricht er über die allerneusten Technologien, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, neue Geschäftsmöglichkeiten und wie Surf-Pools die Begeisterung für den Sport verändern.

Volles Haus auf der WSL Kelly Slater Wave Co. Surf Ranch in Lemoore Kalifornien während des Founders Cup 2018.

„Die Technologie und das Geschäft rund um Surf-Pools wächst rasant“

ISPO.com: Kurz zusammengefasst, wie sieht der aktuelle Stand der Entwicklung bei künstlichen Wellen aus?

John Luff: Die Entwicklung rund um die Technologie und das Geschäft mit Surf-Pools macht im Moment rasend Fortschritte. Schon bestehende, wellenerzeugende Technologien werden in einer Art und Weise verfeinert und in Pools eingesetzt, wie das zuvor noch nie der Fall war. Plötzlich und wirklich überall auf der Welt tauchen neuartige Technologien auf und sie werden nun auch sehr schnell vom reinen Konzept in die Realität umgesetzt. Unterschiedliche Geschäftsmodelle werden weiter verbessert, rund um schon bestehende künstliche Wellen und solchen, die noch in der Planungsphase sind.  Die brennendste Frage im Moment ist die technologische und geschäftliche Existenzfähigkeit der verschiedenen Wellensysteme und Wellenreitparks. Wir befinden uns in einer extrem spannenden Phase für diese Industrie und ich bin gelinde gesagt optimistisch, was die Zukunft des Surfens abseits der Weltmeere betrifft.

Wie sieht die Surfkultur mit dem Einfluss der künstlichen Wellen in der Zukunft aus?

Ich glaube den größten Einfluss werden künstliche Wellen auf die Surfkultur in der Form haben, dass sie das Surfen auch in Regionen populär machen werden, wo es weit und breit kein Meer gibt. Neue Surf-Pools machen das Surfen für mehr Menschen zugänglich, das vergrößert die Anzahl der Surfer und Surf-Communities. Das wiederum führt zu einer Vielzahl von positiven sozioökonomischen Veränderungen in den Städten und Regionen fernab der Küsten.

Surf-Parks sind auch wichtige Impulsgeber für soziale Interaktion und Community-Building. Der wahrscheinlich größte Unterschied wenn man das Surfen im Meer und das Surfen in künstlich erzeugten Wellen vergleicht, ist die Mentalität der Surfer im Wasser. Es macht einen großen Unterschied, wenn man schon beim Rauspaddeln weiß, dass man hundert Prozentig oft genug zum Zug kommt. Wenn alle Surfer im Wasser nicht miteinander um Wellen kämpfen, sich in Position bringen und, in manchen Fällen, sogar wirklich miteinander streiten, dann ändert sich die ganze Dynamik im Wasser zum Besseren.

Der 5 Waves Surf Lake in Australien erzeugt Wellen, die über speziell entwickelte Riffe brechen.

Surfen bei Olympia 2020 in Tokio wichtig für die Entwicklung

Surfbare Wellen in einem Pool gibt es schon seit den Sechzigern. Was hat außer Social Media noch dazu geführt, dass wir jetzt so einen schnellen Entwicklungsfortschritt bei Surf-Pools erleben?

Das sind viele kleine zusammenhängende Variablen, die dieses Wachstum der Surf-Pool-Industrie begünstigt haben. Makrofaktoren sind zum Beispiel das Aufkommen der sognannten Erlebniswelten und die dazugehörige Industrie, die Verbesserung der Technologie, die hinter den künstlichen Wellen steckt, und darüber hinaus auch die Integration von Wellenreiten bei den kommenden Olympischen Spielen 2020 in Tokio, was wir der harten Arbeit von Fernando Aguerre, Bob Fasulo und deren Team bei der ISA (International Surfing Association) zu verdanken haben.

Heutzutage ist die Zeit, die wir nicht vor irgendeinem Bildschirm, sondern mit der Familie und Freunden verbringen selten geworden und ist damit immer wertvoller. Viele Entwicklergruppen und Investoren konzentrieren sich genau darauf und unterstützen Projekte, die den Kunden im Blick haben, der mit seiner Familie oder seinen Freunden eine gute Zeit erleben will.

Während es schon viele Erlebniswelten und Geschäftsmöglichkeiten für im Immobilienmarkt gibt, sind Surf-Parks noch eine ziemlich neue und einzigartige Möglichkeit in den meisten Märkten und bieten einen guten Aufhänger mit Alleinstellungsmerkmal.


Surfen wird 2020 olympisch. Obwohl die Wettkämpfe der Spiel im Meer ausgetragen werden, ist ein Surf-Pool in Japan in der Planung, oder? Ist das Zufall, eine Trainingsstätte oder ein Plan B für die Wettkämpfe?

Ja, das Japanische Olympische Komitee (JOC) hat die Wettkämpfe offiziell am Tsurigasaki Strand ausgeschrieben. Obwohl das die Haltung des JOC ist, gibt es einige Projektgruppen, die die Entwicklung einer groß angelegten Anlage mit künstlichen Wellen in Tokio und anderen Regionen in Japan auskundschaften. Auch erwähnenswert ist, das zum Beispiel kürzlich eine citywave® Anlage in Tokio, Shinagawa eröffnet wurde.

Profi-Surfer Fred Hemmings auf einer der ersten surfbaren künstlichen Wellen im Big Surf Waterpark in Tempe, Arizona, USA 1969.

Welche Rolle hat es bei der Entwicklung von Surf-Parks weltweit in den letzten Jahren gespielt, dass Wellenreiten olympisch wird?

Es hat auf jeden Fall angespornt und war begünstigend in den Augen von vielen Firmen, Marken, Sportverbänden, Regierungsinstanzen, Behördenvertretern und allen, die Wellenreiten und seine verschiedenen Disziplinen davor nicht als einen ernstzunehmenden Sport wahrgenommen haben.

Geschäftsmöglichkeiten in Surf-Parks gleichen denen eines Skiresorts

Welche anderen Geschäftsmöglichkeiten findet man in einem Surf-Park?

Es gibt eine ganze Vielfalt an Geschäftsmöglichkeiten und -modelle rund um einen Surf-Park, die denen eines Skiresort sehr ähnlich sind. Die großen Kategorien sind Restaurants, Bars, Shops und Hotels. Daneben gibt es noch das private Modell, wo die Wellen nur gut zahlenden Mitgliedern zugänglich sind. Eine der interessantesten Geschichten bisher aber ist Andy Ainscough und sein Team von Surf Snowdonia in North Wales in Großbritannien. Als echte Pioniere der Surf-Erlebniswelten haben sie die geschätzten Besucherzahlen im ersten kompletten Geschäftsjahr verdoppelt. Vorhergesagt wurden 75.000 Besucher und tatsächlich kamen über 150.000. Seit sie vor vier Jahren geöffnet haben kamen mehr als 600.000 Besucher und die Besitzer haben gerade die Genehmigung für ein weiteres Hotel mit 106 Betten, Konferenzzentrum und einem fünfstöckigen Gebäude für eine Indoor-Erlebniswelt bekommen.

 

Wie passen Energie verschlingende Surf-Parks in eine Zeit, wo der Umweltschutz und Energiesparen überall in den Vordergrund gerückt werden?

Das ist tatsächlich ein heißes Thema und eines, wo ich glaube, dass sich sowohl bei der Wellentechnologie, wie auch in den Surf-Parks an sich, die Spreu vom Weizen trennen wird. Wie in jedem Segment wird es Firmen geben, die der Nachhaltigkeit und dem Umweltschutz eine höhere Priorität geben.

Die WSL (Wold Surf League) Kelly Slater Wave Co. Surf Ranch zum Beispiel, zahlt extra Gebühren für nachhaltigen Solarstrom. Surf Snowdownia in Großbritannien bekommt seinen Strom aus einer sehr nahe gelegenen Wasserkraftanlage.

Wenn man sich anschaut, wie wichtig Nachhaltigkeit und Umweltschutz für die meisten Surfer sind, bin ich zuversichtlich, dass Surf-Parks dazu beitragen, dass mehr Leute im Allgemeinen sich zum Schutz der Meere informieren und engagieren...und das ganz egal ob sie direkt an dessen Küste wohnen oder nicht.


Anmerkung der Redaktion: Der an dieser Stelle zuvor gepostete Text wurde redaktionell gekürzt, dabei entstandene eventuelle Sinnänderungen, bitten wir zu entschuldigen. Der jetzt zu lesende Artikel ist vom Interviewten korrigiert und geprüft.

 



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Iris Hrabe-Ritzert