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Ein Übertragungswagen bei einem Fußballspiel.
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SportsTech/24.05.2024

Wie KI die Produktion von Sportcontent auf ein neues Level hebt

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Automatisierte Aufnahmen, die nur einen Bruchteil der Zeit benötigen, Echtzeit-Analysen für noch mehr Einblicke und Personalisierungen, die Fans wirklich binden: KI birgt enormes Potenzial für die Erstellung von Sportcontent – von der großen TV-Produktion bis hin zu kleinen Vereinen. ISPO war für euch auf der NAB Show in Las Vegas unterwegs und zeigt die wichtigsten Entwicklungen.

Im April strömen Jahr für Jahr Broadcaster aus aller Welt nach Las Vegas, um bei der NAB Show die neuesten Produktionstrends und -produkte zu entdecken. Dass KI längst Einzug in die Produktionstechnik hält, ist keine große Überraschung. Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, schon. Nicht alle Technologien werden den Weg in den Produktionsalltag finden – aber einige Tools haben durchaus das Potenzial, das Sportbroadcasting zu revolutionieren.

Eine Halle auf der NAB Show in Las Vegas 2024.
Auf der NAB Show in Las Vegas stellt die Broadcasting-Branche ihre Neuheiten vor.
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Christine Gebhard

Echtzeit-Analyse und -Auswertung für ein neues Fan-Erlebnis

Amazon Web Services (AWS) hat als Anbieter schon früh auf KI gesetzt und liefert mit viel Rechenpower sowie unzähligen Datenpunkten Statistiken und Auswertungen im Sportbereich – zum Beispiel für die Bundesliga. Über AWS Match Facts erhalten Fußballfans tiefe Einblicke in das Spielgeschehen und können beispielsweise Torwahrscheinlichkeiten und statistische Daten zu Spieler*innen abrufen.

Als „Generative AI Provider“ der Deutschen Fußball Liga (DFL) will AWS in Zukunft aber noch viel mehr bieten: Im Bereich Fan Experience sollen künftig automatisierte Übersetzungen, Personalisierungen und Lokalisierungen mithilfe der AWS-KI erstellt werden. Aber auch in der Medienproduktion und im Videoarchiv wird die KI von AWS verstärkt zum Einsatz kommen.

Assistierende KI vs. Generative KI

Bereits heute gibt es eine Reihe von KI-Lösungen, die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen. Diese assistierenden KI-Systeme werden meist für repetitive, zeitaufwendige und in der Regel wenig kreative Aufgaben eingesetzt. Generative KI kann dagegen mehr. Sie erkennt Muster aus den Daten, mit denen sie trainiert wird. Daraus zieht sie Schlussfolgerungen und wendet das Gelernte an, um zum Beispiel neue Texte zu schreiben, Bilder oder sogar Videos zu gestalten. Problem: Generative KI kann auch mal daneben liegen, wenn sie nicht sorgfältig überwacht und reguliert wird. Aber dennoch wird sie schon jetzt vielfach eingesetzt. Viele Nutzer finden, dass die Vorteile überwiegen, wenn sie Adobe Firefly, Midjourney, ChatGPT und andere Generative KIs nutzen.

KI-Analyse für Coaching und Wissenschaft

KI sorgt auch im Sport-Coaching für einen Schub, weil es nun viel mehr Tools gibt, um beispielsweise Bewegungsabläufe zu visualisieren und zu vergleichen. In der Sportberichterstattung, insbesondere im Fußball, sind solche Analysesysteme nicht mehr wegzudenken. Ob Coaching oder Berichterstattung: Diese Form der Analyse ist erst möglich, seit KI die vielen Daten verarbeiten kann, die gesammelt werden.

In der Forschung ebnet KI ebenfalls den Weg für weitere sportwissenschaftliche Untersuchungen im Leistungssport. So gab die Deutsche Sporthochschule Köln kürzlich bekannt, dass sie für ein gemeinsames Projekt mit der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek zur KI-gestützten Analyse von Sportvideos eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhält.

Automatisierte Contentproduktion

Bereits seit einigen Jahren gibt es Versuche, die Produktion von visuellem Sportcontent vor allem in den unteren Ligen zu automatisieren und damit gerade im Vereinssport für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. KI hat solche Systeme erst möglich gemacht. In der Regel werden Kameras eingesetzt, die das Spielgeschehen per KI-Tracking verfolgen und dann ins Internet streamen oder zum Abruf bereitstellen. Teilweise stehen diese Streams auch für weitere Auswertungen zur Verfügung, etwa für Taktikanalysen, als Werkzeug für Trainer*in oder auch als Grundlage für Fan-TV.

Pixellot aus Israel entwickelt solche Lösungen. Eine Kombination aus künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen, stationären und tragbaren Kamerasystemen sowie Software und Cloud-Computing zeichnet die Systeme des Herstellers aus.

Was am Ende einer Pixellot-Produktion herauskommt, sieht aus wie professionelle Sportberichterstattung. Das System generiert sogar automatisiert „Highlight-Schnitte“, beispielsweise von Spieler*innen, die gepunktet haben. Was der Hersteller als Alleinstellungsmerkmal seiner Produkte sieht, ist die Fülle an Content, die mit Pixellot-Systemen produziert wird. Nach eigenen Angaben werden jeden Monat mehr als 150.000 Spiele in rund 80 Ländern übertragen. Das füttert die Pixellot-KI, sodass sie immer besser wird – und damit auch die Qualität der Produktionen steigert. Meistens werden diese Systeme zur automatisierten Sportproduktion als Abo-Modell angeboten. Mit den Einsteigerpaketen können Vereine auch mit wenig Budget die Spiele ihrer Mannschaften produzieren und bewerben.

Asset Management auf einem neuen Level

Bei Sportproduktionen geht es oft darum, Inhalte möglichst schnell zu erstellen. Das gelingt aber nur, wenn die Editor*innen beim Schnitt die relevanten Szenen und Clips auch leicht finden. Genau hier setzt die semantische Suche an, denn sie bietet weit mehr als die Suche über Metadaten oder Tags. Ein konkretes Beispiel: Wer mit der semantischen Suche im Cliparchiv nach dem Begriff „friedlich“ sucht, erhält neben dem Clip einer schlafenden Katze auch einen Sonnenuntergang oder sanfte Hügel als Ergebnis. Für Redakteur*innen, die nach Archiv-, Schnitt-, Near-Live- oder Live-Material suchen, eröffnen sich damit völlig neue Möglichkeiten, Inhalte zu finden.

Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die daran arbeiten, diese Funktionalität in ihre Asset-Management-Systeme zu integrieren. Eines davon ist die Fonn Group aus Norwegen, die mit ihrem MAM-System Mimir einen cloudbasierten Produktionsansatz verfolgt. Damit konnte sie übrigens auch Dyn Media überzeugen. Der deutsche Streamingdienst nutzt Mimir für die Produktion seines Programms. Das Berliner Unternehmen Obvious Future geht mit seinem Produkt Cara One noch einen Schritt weiter. CEO Eddi Weinwurm: „Wir wollten eine KI entwickeln, die sich nicht künstlich anfühlt, deshalb sprechen wir bei Cara One auch von einem Intelligent Media Assistant und nicht von einer künstlichen Intelligenz. Cara One ermöglicht sozusagen eine Suche mit Weltverständnis“.

Die zugrundeliegende KI-Technologie von Cara One ermöglicht aber noch viel mehr. So zeigte Obvious Future in einer Demo „Predictive Editing“. Dabei analysiert die KI vorhandenes Rohmaterial, aus dem beispielsweise ein zweiminütiger Beitrag entstehen soll, und schlägt in einer Art Flussdiagramm passende Schnitte vor. Die Editor*innen können sich dabei Szene für Szene vorarbeiten und einen ganzen Beitrag auf Basis der Vorschläge der KI gestalten.

Zeitlupen auf einen Klick

Kaum eine Sportart kommt in der Berichterstattung ohne Zeitlupen aus. Doch nicht jede Produktion hat das Budget, die dafür notwendigen teuren Highspeed-Kameras einzusetzen. Oft ist es auch so, dass die Produktionsteams am Veranstaltungsort nicht an jeder beliebigen Position eine Slomo-Kamera aufbauen können, sondern dass nur kleinere, kompaktere Kameras Platz finden. 

In solchen Fällen kann KI helfen. So gibt es mittlerweile einige Anbieter, die Slowmotions per Software generieren können. EVS beispielsweise hat mit XtraMotion eine Lösung entwickelt, die aus einem Kamerasignal mit normaler Bildrate per KI eine Superslomo berechnet. Das Besondere daran: XtraMotion benötigt dafür nur wenige Sekunden, sodass die berechneten Slomos sofort in der TV-Übertragung eingesetzt werden können.

Ein Bildschirm zeigt verschiedene Spielsituationen beim Fußball.
Riedels RiMotion punktet durch ein übersichtliches Interface.
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Riedel Communications

Dass hochwertige Zeitlupen dank KI nicht immer teuer sein müssen, beweist Riedel Communications mit seiner RiMotion-Lösung, die umfangreiche Replay-Funktionen, inklusive Super-Slow-Motion-Support, mit einem innovativen, benutzerfreundlichen Interface kombiniert. Auch andere Hersteller sind mittlerweile in der Lage, Zeitlupen mittels KI-getriebener Lösungen anzubieten, etwa TVU Networks oder Blackmagic Design. Da kann dann auch mal ein iPhone die Quelle für Replays sein.

Stimmengenerierung per KI auf hohem Niveau

Das Start-up ElevenLabs gibt es gerade mal seit zwei Jahren, aber dennoch hat die Firma schon für mächtigen Wirbel gesorgt. ElevenLabs hat sich auf das Klonen und die Synthese von Stimmen in verschiedenen Sprachen spezialisiert – auf der Basis von Machine Learning. Und das funktioniert unfassbar gut.

Mit dem AI Voice Generator ist es möglich, Text in Sprache umzuwandeln – in Sekundenschnelle und in unterschiedlichsten Sprachen und Stimmen. Per Voice Clone lässt sich sogar die eigene Stimme klonen, die dann beliebige Texte sprechen kann. Das ist mindestens ebenso eindrucksvoll wie beängstigend.

Dubbing Studio ist in der Lage, Audioclips oder den Ton von Videos in derzeit 29 Sprachen zu übersetzen. Der Knaller dabei: Das geht sogar in der Stimme des Originals – so wird ein deutschsprachiger Sportkommentar auf einen Schlag mit der Originalstimme in unterschiedlichsten Sprachen verfügbar. Für den Sportproduktionsmarkt bietet diese Technologie unglaubliches Potenzial für die Lokalisierung von Inhalten.

Wie Netflix, nur für Sport

KI erkennt die Vorlieben von Nutzer*innen und erleichtert es, personalisierte Inhalte bereitzustellen. So können Fans beispielsweise neue Inhalte entdecken, aber auch mehr Content von ihrem jeweiligen Lieblingsverein erhalten. TVXRAY von Teravolt bietet für Broadcast und OTT-Dienste vielfältige Personalisierungsmöglichkeiten, um das Live-Sporterlebnis zu steigern: über Features wie Highlight-Clips aus jedem Spiel, sofortige Live-Statistiken und personalisierte Video-Alerts bis hin zu einer interaktiven Spielübersicht. Einen anderen Ansatz verfolgt TV Buddy, ebenfalls von Teravolt. Dahinter verbirgt sich eine Second-Screen-Applikation, die Daten in Chatform verfügbar macht. So können Zuschauer*innen über ihren Messenger, zum Beispiel WhatsApp, Fragen stellen und Antworten von ihrem „TV Buddy“ erhalten. Diese Tools haben alle ein übergeordnetes Ziel: Sie sollen einerseits für mehr Interaktion mit den Fans sorgen und andererseits mehr Anreize bieten, sich möglichst lange auf der jeweiligen Plattform aufzuhalten.

OTT

OTT-Dienste (Over-the-Top-Dienste) sind Streaming-Dienste, die Medieninhalte wie Videos, Musik und andere digitale Inhalte direkt über das Internet bereitstellen, ohne dass ein traditioneller Kabel- oder Satellitenanbieter dazwischengeschaltet ist. Bekannte Beispiele für OTT-Dienste sind Netflix, Amazon Prime Video und Spotify. Diese Dienste bieten Benutzern die Möglichkeit, Inhalte auf verschiedenen Geräten wie Smartphones, Tablets, Smart-TVs und Computern zu konsumieren.

KI bietet Chancen, aber auch Herausforderungen fürs Sportbroadcasting

KI ermöglicht definitiv eine effizientere und perspektivisch auch eine interaktive Sportberichterstattung. Besonders die Entwicklungen bei der generativen KI, die kreative und analytische Prozesse automatisiert, sind dabei von zentraler Bedeutung. Für Broadcaster und Produktionsfirmen ist es allerdings oft noch herausfordernd, KI-Tools in ihre Workflows zu integrieren, sich für die richtigen Tools zu entscheiden und den Überblick zu behalten. Aber: KI ist da, und sie ist da, um zu bleiben. Wer frühzeitig ihre Vorteile nutzt, hat einen Vorsprung.