09.04.2018

Trainingstrends im Klettersport: Trainieren wie ein Profi

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Klettern und Bouldern sind sehr kraftintensive Sportarten, für die man viel Zeit ins Training stecken muss. Im Profitraining wird dabei Ganzheitlichkeit ganz groß geschrieben. Wie auch Freizeitkletterer ihr Training besonders effektiv gestalten können, erklärt Chris Hanke. Der Profikletterer gibt sieben Tipps, die jeden Boulderer und Kletterer weiterbringen.

Chris Hanke beim Klettern
Chris Hanke beim Leadklettern: Beweglichkeit ist alles!

Chris Hanke trainiert 12 mal die Woche – ein bis drei Einheiten am Tag. Der 24-Jährige ist Mitglied des deutschen Perspektivkaders für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Seine Trainingseinheiten setzen sich zusammen aus Kraftausdauertraining, Maximalkrafttraining und Intervalltraining. Hinzu kommt Beintraining im Fitnessstudio und zweimal die Woche Speedtraining an der Wand. 

ISPO.com hat zusammen mit Chris Hanke sieben Trainingstipps zusammengestellt, die jeden Kletterer weiterbringen und garantiert fit starten lassen. Aber eines sagt er, darf beim Training nie vergessen werden: „Spaß haben!" 

1. Oberstes Gebot: Richtig aufwärmen

Profikletterer gehen nie an die Wand, ohne sich vorher aufgewärmt zu haben. Das beugt Verletzungen vor und entfaltet erst das volle Potential des Bewegungsapparates. Erst wenn das Herz-Kreislauf-System und die Muskulatur richtig aktiviert sind, kann man Leistung erbringen. Gleiches gilt auch auf mentaler Ebene: Ein wacher Geist kann besser agieren und reagieren. Erwärmt man sich nicht ausgiebig, kann dies dazu führen, dass die Arme schon in der ersten Route richtig dick sind. Man nennt dieses unangenehme Phänomen „Pump“, der das Weiterklettern erschwert.

Ein Aufwärmprogramm kann wie folgt aufgebaut sein:

  • Kreislauf in Schwung bringen: Hampelmann, kurze Runde joggen, Hüpfseil
  • Gelenke (Schultern, Hüfte, Ellenbogen, Knie, Handgelenke) mobilisieren und Produktion von Gelenkschmiere anregen: Bewegungsradius der Gelenke durch kreisen und leichtes Dehnen sanft austesten
  • Dehnung (maximal 10 bis 15 Sekunden pro Einheit)
  • Sachtes Einklettern in unteren Schwierigkeitsgraden

Ebenso wichtig ist das Ausklettern am Ende der Session. Dazu reicht es, ein bis zwei leichte Routen zu klettern, um die Muskeln wieder zu entspannen. Auch Dehnen und der Einsatz von einer Blackroll helfen bei einer schneller Regeneration.

2. Ganzheitliches Training: Eigengewichtsübungen

Klettern ist eine Sportart, die den ganzen Körper beansprucht. Somit ist es nur folgerichtig, den Körper durch ein ganzheitliches Training zu stärken. Sehr beliebt sind Eigengewichtsübungen, die auch problemlos zuhause durchgeführt werden können. Es gibt verschiedene Trainingsmethoden, die auf Ganzheitlichkeit setzen: Functional Fitness, Calisthenics oder Freeletics.

Geläufige Körperkraft-Übungen sind Liegestütz, Bauchtraining, Dips, Planks und Klimmzüge. Auch der Einsatz von Hilfsmitteln wie dem Theraband unterstützt ein ganzheitliches Training. Ein Ausgleichstraining von Antagonisten, also Gegenspielermuskeln, hat einen hohen präventiven Nutzen. Dadurch lassen sich Fingerprobleme, Kletterer-Ellenbogen, Schulterschmerzen und Schulterprobleme vermeiden.

3. Handstand-Training: effektiv auch fürs Klettern

Der Handstand ist eine fundamentale Fähigkeit. Um den Handstand überhaupt ausführen zu können, braucht man einen starken Körper. Das Training schafft entsprechend ein starkes Fundament, das auch beim Klettern von hohem Nutzen ist. Das beinhaltet die Kräftigung der Rumpfmuskulatur (für Körperspannung), der Arme und Schultern, die Förderung der Beweglichkeit in den Armgelenken, Schultern und Hüften sowie ein gutes Gleichgewicht. Wer den Handstand beherrscht, hat eine gute Motorik und beste Voraussetzungen fürs Klettern. Ansonsten gilt es einfach: Handstand lernen – denn das lohnt sich auf jeden Fall.

4. Fingerkrafttraining am Campusboard

Fingerkraft ist absolut essentiell fürs Klettern an kleinen Leisten und abschüssigen, rutschigen Slopern. Aber auch für das Felsklettern eignet sich ein Training am Campusboard: „Ich empfehle Fingerkraftraining an Leisten“, sagt Chris Hanke. Er selbst ist begeisterter Felskletterer. „Es macht unglaublich Spaß, Kraft an die Wand zu bringen“, sagt er. Die besondere Faszination gehe aber davon aus, am Fels im ausgesetzten Gelände zu sein. So richtig Spaß mache es, wenn „man am Fels 100 Meter Luft unterm Hintern hat“.

Ein Campusboard ist ein Trainingsgerät, das man beispielsweise am Türrahmen anbringt. Diese Fingerboards haben diverse Features wie Fingerlöcher in verschiedenen Größen, schräge Auflageflächen für die Hand und Griffe, die alle darauf ausgerichtet sind, die Fingerkraft zu maximierenDoch auch ohne Campusboard lässt es sich einfach zuhause trainieren. Chris Hanke hat einen Geheimtipp: „Zwei- bis dreimal die Woche für jeweils 20 Sekunden an den Türrahmen hängen“, erziele auch schon gute Effekte auf die Kraftausdauer. Wichtig sei, sich langsam heranzutasten. Koordination und Klettertechnik lernen Anfänger aber am besten direkt an der Wand. An das Training am Campusboard sollte man sich etwa nach zwei Jahren regelmäßigen Trainings heranwagen. 

Ringtraining Perspektivkader
Das Ringtraining ist eine beliebte Trainingsform des Perspektivkaders.
Bildcredit:
Klaus Listl/DAV

5. Intervalltraining: Steigerung der Muskelausdauer beim Klettern

Ein Intervalltraining im Klettersport ist ein höchst intensives Kraftausdauertraining, das entweder an der Kletter- oder Boulderwand durchgeführt wird. Wichtig ist eine zuvor festgelegte Abfolge zwischen Belastung und Pause, deren Dauer, Schwierigkeit und Intensität individuell von der Leistungsfähigkeit des Kletterers abhängt. 

Einsteigen sollte man mit extensiven Intervallen – also verhältnismäßig einfachen Routen, dafür aber längerer Kletterzeit (etwa 40 Züge). Die Pausen können mit ein bis zwei Minuten kürzer gehalten werden. „Klettermeter machen unterstützt die Kletterausdauer“, sagt auch Chris Hanke. Er selbst baut stets Intervalle in sein Training ein. Dies sei überdies wichtig für das Training im Speedklettern. Je intensiver das Training, desto kürzer werden die Belastungszeiten und desto länger werden die Pausen. Das Belastungslevel (also der Schwierigkeitsgrad) sollte so gewählt werden, dass man acht von zehn Sätzen problemlos bewältigen kann. Bei den zwei letzten Sätzen heißt es dann Zähne zusammenbeißen. Für die maximale Schwierigkeit kann man auch einen Rastgriff einbauen, der besonders anspruchsvoll ist.

6. Stabilität: Übungen an Ringen und Slingtraining 

Im Gegensatz zum Training mit Gewichten und Maschinen, das doch eher statisch ist, stärkt man mit Übungen an Ringen (zwei Ringe, die über Fixpunkte an zwei Bandschlingen angebracht sind) und Slings (auch TRX-Band genannt) die stabilisierende Muskulatur. „Slingtraining ist ein wichtiger Trend im Sportklettern“, sagt Chris Hanke. „Die Übungen fördern die gesamte Rumpfmuskulatur“ und sorgten für die nötige Stabilität beim Klettern. Das Sling- und Ringtraining ist ein wichtiger Bestandteil des Kadertrainings. Um mit Ringen und Slings trainieren zu können, sollte aber schon Kraft vorhanden sein, weil das Training sonst schnell verletzungsintensiv wird. Klimmzüge und Liegestützen geben eine gute Grundlage.

Chris Hankes Lieblingsübung an den Ringen ist die Übung, die er selbst „Supermann“ getauft hat: Die Übung eignet sich hervorragend, um die Muskelkette des großen Rückenmuskels und des Trapez- und Schultermuskels zu trainieren. Ausgangsposition ist die Liegestützstellung. Die Ringe hängen auf Brusthöhe. Ein Arm wird im gestreckten Zustand nach vorne bewegt, während der andere Arm im Schulterstütz bleibt. Nun gilt es, das Gleichgewicht zu halten und die Wackler auszugleichen. Slings und Ringe finden sich in den meisten Trainingsbereichen in Kletterhallen aber auch Fitnessstudios.

7. Aktive Regeneration durch Laufen und Yoga

Wer viel trainiert, muss auch regelmäßig Pausen einlegen. Kletterfreie Tage sollten in jedem Trainingsplan vorgesehen sein. Das heißt aber nicht, dass man an diesen Tagen keinen Sport treiben darf. Im Gegenteil: Laufen und Yoga entspannen den Körper und sind der perfekte Ausgleich. Man nennt das aktive Regeneration, weil der Körper sich beim Betreiben anderer Sportarten erholen kann.

Mittlerweile gibt es auch spezielles Yogatraining für Kletterer, bei dem der Fokus auf Körperpartien liegt, die vor allem beim Klettern und Bouldern stark beansprucht werden. Yoga bietet auch eine gute Verletzungsprävention, weil man gezielt Antagonisten trainieren kann. Das sorgt für das nötige Gleichgewicht im Bewegungsapparat. Außerdem trainiert Yoga die Balance und die Körperspannung. Yoga und Meditation fördern zudem die mentale Stärke, weil die Übungen beim Fokussieren helfen. „Wichtig ist, sich nicht selbst unter Druck zu setzen“, sagt Chris Hanke. Vor jedem Wettkampf besiegt er seine Aufregung damit, dass er sich darauf besinnt, warum er den Sport macht: Weil Klettern seine Leidenschaft ist.

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