Wintersport/31.01.2016

Der Wintersport von morgen funktioniert auch ohne Schnee

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Monatlich schreibt unser Kolumnist Prof. Dr. Eckehard „Fozzy“ Moritz über „The Future of Sports“ – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Jetzt analysiert er, ob es Alternativen zum Wintersport im Schnee gibt und wie diese aussehen könnten.

Ist das noch Wintersport? Eine beschneite Piste in den Alpen.
Ist das noch Wintersport? Eine beschneite Piste in den Alpen.

Wintersport ohne Schnee…? Nun ja, nicht ganz ohne. Aber das krampfhafte Festhalten an dem, wie es immer war, zu Lasten von Natur und Geldbeutel, scheint wenig sinnvoll: Weil schon immer am 1. Advent Saisonauftakt war mit Schneekanonen, Lastwagen, sogar Hubschraubern weiße Flocken auf frühlingshafte Almen zu pudern ist ein manchmal fast lächerlich anmutender Anachronismus. Gleichzeitig bedeutet Wintersport aber auch Lebensfreude, er belebt Tourismus und Industrie und sorgt im Spitzensport für Medaillen, Unterhaltung, Vorbilder und Umsätze. Die Botschaft, man könne sich doch auch ohne Schnee an grüngrauen Hängen und lauschigen Spaziergängen im Matsch erfreuen, ist also nicht der Weisheit letzter Schluss. 


Wintersport: Die Alternativen der Zukunft

Schauen wir auf der Suche nach Lösungen genauer hin, was den Wintersport, insbesondere das Skifahren, eigentlich ausmacht. Zumindest im Breitensport ist Skifahren eine Summe aus Naturerleben, dem Spüren von Kräften und Geschwindigkeiten samt Adrenalin- und Dopamin-Ausschüttungen und der Freude am gemeinschaftlichen Tun. All das produziert Arbeit in Tourismus, Industrie, Handel, Mobilität und Medizin, aber auch Verkehr, Umweltbelastung, Landschaftsverschandelung und Versicherungskosten. Im Folgenden will ich überlegen, wie man Naturerleben, Spaß und gemeinsame Action ohne Schnee realisiert, dabei positive Effekte erhält und negative vermeidet.

Naturerleben ist gleichzeitig die einfachste und die schwierigste Herausforderung. Auf der einen Seite ist eine schöne Berglandschaft auch ohne Innovationen einfach da, vielleicht etwas schöner in Weiß. Auf der anderen Seite ist dieser Naturgenuss stark wetterabhängig: die Aussicht auf eine Nebelwand vor dem Nebelhorn lockt nicht unbedingt ins Allgäu. Und selbst bei Sonnenschein gehören zur Bergoptik bestenfalls auch Gipfelperspektive und Bewegungserleben. Also los, ihr Innovatoren: Den Berg hoch kann man heute schon bei jedem Wetter mit Fatbikes; in Zukunft hoffentlich auch auf Wandersteigen – einem allwettertauglichen Zwischending zwischen Wanderweg und Klettersteig. Runter dann auf Rucksäcken, auf die je nach Wetter Kufen oder Räder montiert werden können. Für die Aufstiegsfaulen können neben der Bergstation naturnahe Mehrgenerationen-Spielparks aufgebaut werden. Und für Adrenalinjunkies Wintercanyoning-Strecken: Die Matschbahn im Kampfanzug runter, über Baumwipfel wieder hoch, am vereisten Wasserfall abseilen usw .

Die Berge bieten mehr Möglichkeiten neben dem Skifahren: Bleibt der Schnee aus, braucht es neue Sport-Trends.
Die Berge bieten mehr Möglichkeiten neben dem Skifahren: Bleibt der Schnee aus, braucht es neue Sport-Trends.
Bildcredit:
imago/ActionPictures

Ziplines am Skilift, Bungee aus der Bergbahn

Kommen wir zu Adrenalin (Hochspannung) und Dopamin (Glücksgefühl). Hierfür brauchen wir Hang und (für Langlauf genug) einen gleitfähigen Untergrund, der für Kurvenfahren auch Querkräfte aufnehmen muss und idealerweise dämpft, damit man sicher landen und fallen kann. Nur: Das geht auch ohne Schnee; auf Sand, Asche, oder auch Plastik. Diese Lösungen sind sogar überall bei jedem Wetter nutzbar und brauchen keine Kühlung, die man wieder durch Daunen kompensieren muss. Mit dem ITV Denkendorf und der TU Dresden haben wir so etwas sogar auf Biobasis entwickelt: Biomasse in ein Vlies gezüchtet, ermöglicht perfektes Gleiten; Abgeschertes wächst nach und kann verfüttert werden. Das klappt – auch wenn bis zum ersten Praxiseinsatz noch vieles zu tun bleibt. Und in den Bergen? Almschonende Allwetterboards, Wiesenlaufräder, Ziplines den Skilift runter, Bungee aus der Bergbahn – das Blut kann auch ohne Schnee zum Kochen gebracht werden.


Attraktives Gemeinschaftserleben schließlich ist am einfachsten zu organisieren, und am wirkungsvollsten. Hier sind Ideen, Mut und eine gute Öffentlichkeitsarbeit gefragt: Holzhackmarathon, Hammerwurf-Golfen, Fackel-Bogenschießen, Mirabellengeistbrunnenklettern, Kampfhäkeln; you name it, you do it. Egal welches Wetter. Da langweilt sich kein Wintersportgast.

Drei Perspektiven zur Organisation will ich noch kurz anreißen:

  • Ähnlich wie Naturparks könnte man sehr dosiert auch zielgruppenorientierte Spaßparks ausweisen; für Familien, für Adrenalinjunkies oder für Gemächliche. Hier, aber nur hier, ist erlaubt was gefällt, samt Schneekanone und Liftüberfluss.
  • Der Weltcup-Skizirkus kann dann schneesicher in den Spaßparks stattfinden, und auf Kunst(stoff)strecken in Stadien und stadtnahen Hügeln. Biathlon auf Schalke hat es vorgemacht, Straßenslalom von Notre Dame runter wird folgen.
  • Die Mobilität zum Skiort sollte gebündelt und dadurch Verkehr vermieden werden. All Inclusive mit Bus oder Bahn ab Stuttgart Hauptbahnhof bedeutet darüber hinaus Sorglosigkeit für Nutzer und Planungssicherheit für Spaßparks.

Mein Fazit also: Nicht im Hummer nach Kitzbühel stauen und dabei über Schneemangel stöhnen, sondern in Wind und Wetter beim Aufstieg stöhnen und danach einen Hummer verdauen.

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Über den Autor dieser Kolumne

Eckehard “Fozzy” Moritz
Prof. Dr. Eckehard „Fozzy“ Moritz ist Gründer und Chef der Innovationsmanufaktur
Bildcredit:
Privat

Prof. Dr. Eckehard „Fozzy“ Moritz ist Gründer und Chef der Innovationsmanufaktur; Visionär, Akrobat und Weltentdecker. Er hat in München Maschinenbau studiert, in Tokyo promoviert und Professuren in Mexico und China. Sein Buch „Holistische Innovation“ wirft ein neues Licht auf Zukunftsgestaltung – lieber als Bücher schreiben arbeitet er jedoch selbst an Innovationen; vor allem solchen, die mehr Freude, Genuss und Weisheit in die Welt bringen. 

Wie kann Wintersport ohne Schnee funktionieren? Ihre Meinung interessiert uns.

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Eckehard “Fozzy” Moritz Autor: Prof. Dr. Eckehard „Fozzy“ Moritz