Bildcredit:
Josef Mallaun
Ein Wintersportler pflügt durch den Schnee an einem steilen Berghang
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Josef Mallaun
Sports/25.09.2023

Erst Carpoolen, dann Powdern: Was Skigemeinden tun, um den Wintersport grüner zu machen

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Mit grünem Gewissen in weiße Bergwelten reisen – ist das überhaupt möglich? Fakt ist: Damit der CO2-Fußabdruck im Wintersport kleiner wird, muss sich vor allem bei der Anreise was ändern. ISPO.com erklärt, wie es auch ohne Auto geht und welche Angebote lokale Communities bereithalten.

Das Knirschen von frischem Schnee unter den Brettern, die kristallklare Bergluft im Gesicht, das erhabene Gefühl, wenn man perfekte Schwünge in einen noch unberührten Hang zieht – für viele von uns ist Skifahren und Snowboarden noch immer das Großartigste, was man sich nur vorstellen kann.

Doch wie lange dürfen wir uns noch über genussvolle Abfahrten vor malerischer Winterkulisse freuen? Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels in den Bergen deutlich spürbar. Die Wintersportsaisons werden kürzer, die Schneefallgrenze steigt. Besonders betroffen sind die Alpen. Eine Sammelstudie unter der Leitung des italienischen Forschungsinstituts Eurac Research kommt zu einem alarmierenden Ergebnis. Demnach sind die Schneetage im gesamten Alpenraum innerhalb der vergangenen 50 Jahre merklich zurückgegangen, im Winter um zehn bis 35 Prozent, im Frühling noch stärker. 

Der Wintersporttourismus befindet sich in einer verzwickten Lage. Einerseits leidet er unter dem Klimawandel und Skigemeinden müssen sich einiges einfallen lassen, um ihren Gästen ein lohnendes Wintererlebnis zu bieten. Andererseits befeuert ein oftmals energieintensiver Wintersporttourismus mit entsprechenden CO₂-Emissionen die dramatische Entwicklung erst recht.

Wie sehr belastet Skifahren die Umwelt wirklich?

An der Frage, wie schädlich Wintersport tatsächlich für die Umwelt ist, scheiden sich die Geister. Pisten, Liftanlagen, Wasserreservoirs und Parkplätze beanspruchen riesige Flächen für sich und zerstören die Umwelt, bemängeln Kritiker*innen. Zumal einige Skigebiete noch immer weiter wachsen. Außerdem würden Schneekanonen Unmengen an Energie und Wasser verschlingen – vom Lärm, den sie erzeugen, mal ganz abgesehen. Die im Skigebiet genutzte Energie sei vielerorts aber grün und stamme oftmals aus eigenen Photovoltaik- oder Wasserkraftanlagen, halten Befürworter*innen des Skisports dagegen. Und das Wasser aus den Reservoirs fließe mit der Schneeschmelze zurück in die Natur. Zudem biete eine – auch künstlich hergestellte – Schneedecke Schutz vor Stahlkanten und Frost, vor Wasser und Wind.

Ganz von der Hand zu weisen sind die Argumente beider Seiten nicht. Im Hinblick auf den klimaschädlichen CO2-Ausstoß sind sie allerdings auch nur zweitrangig, denn Skifahren als Aktivität spielt hier eine untergeordnete Rolle. Die mit Abstand größte Umweltsünde im Wintersport ist die An- und Abreise – vor allem, wenn man mit dem PKW zur Piste fährt oder gar fliegt.

CO2-Bilanz: Wie stark fällt die Anreise zum Skigebiet ins Gewicht?

Ganz gleich, wie sich die einzelnen Skigebiete in den genauen Werten unterscheiden – der Großteil der Studien kommt zu dem Ergebnis, dass die Anreise den größten Teil der CO2-Emissionen eines Skiurlaubs ausmacht. Eine Studie, in der mehrere französische Skigebiete betrachtet wurden, beziffert den Fußabdruck eines Tags auf der Piste mit fast 50 kg CO2. 52% davon werden bereits auf dem Weg ins Skigebiet produziert – die Anreise fällt also ganz schön ins Gewicht. Das bedeutet aber auch den größten Hebel: Bei der Anreise allein im PKW fallen zum Beispiel 22 kg CO2 an, zu viert sind es nurnoch 5,5 kg pro Person. Größte Umweltsünde: Anreise im Flugzeug und dann Auto. Hier entstehen rund 62 kg CO2 noch vor dem Powdern.

Skigemeinden haben längst erkannt, dass es bei der Anreise Optimierungsbedarf gibt. Sie bemühen sich inzwischen verstärkt darum, Optionen aufzuzeigen, mit denen Gäste auf dem Weg in den Urlaub Emissionen einsparen können. 

Ein Ansatz für die Verringerung von CO2-Emissionen ist die Elektromobilität – wobei E-Autos im Winter teilweise keinen guten Ruf genießen, immerhin sinkt ihre Reichweite bei niedrigen Temperaturen. Zeitgemäße Fahrzeuge bewältigen dennoch ordentliche Strecken. Schaltet man in den Eco-Modus – sofern vorhanden – und stellt die Heizung nicht gerade auf Sauna, lassen sich weitere Kilometer rausholen.

Am Arlberg hat die Gemeinde Lech gemeinsam mit BMW und der Vorarlberger Kraftwerke AG vor einigen Jahren die „Green Garage“ errichtet. Die Stellplätze dort sind mit einer E-Ladeinfrastruktur ausgerüstet und bieten Autos einen warmen Unterstand. Im Winter, wenn Kälte den Ladevorgang verlangsamt, ist das besonders wertvoll. Auch beim öffentlichen Verkehr haben die Vorarlberger die E-Mobilität im Blick. Im Winter 2019/20 startete der Test mit einem Elektrobus der bekannten „blauen Flotte“ zwischen Lech und Zürs und hat seitdem schon eine Million Besucher*innen transportiert.

Einen Anreiz für die Anreise mit dem E-Auto haben auch die Verantwortlichen am Wilden Kaiser geschaffen. Im Parkdeck der Bergbahn Scheffau befinden sich zwei Ladestationen, die sich ausschließlich mit einem gültigen Bergbahn-Ticket nutzen lassen und dann kostenfrei sind. Den notwendigen Zugangscode holen sich Gäste einfach an der Kasse.

The more, the merrier: mit Ski-Buddies auf Tour

Selbst, wenn das eigene Auto nicht über einen elektrischen Antrieb verfügt, gibt es bei der Anfahrt ins Skigebiet CO2-Einsparpotenziale. Je mehr Personen sich ein Fahrzeug teilen, desto besser für die Bilanz. Resorts in Nordamerika ermuntern die Ski-Community daher zur Bildung von Fahrgemeinschaften.

Das Sundance Mountain Resort im US-Bundesstaat Utah ist seit jeher ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Sein ehemaliger Besitzer, Filmstar Robert Redford, setzte sich leidenschaftlich für den Erhalt der wundervollen Bergwelt ein. Darüber freuen sich die Purist*innen unter den Ski- und Snowboard-Fans. Wollen sie an Wochenenden zum Powdern kommen, sollen sie möglichst auf Carpools setzen. Bei vier Mitfahrer*innen oder mehr pro Auto bleibt das Parken kostenfrei.

Einen anderen Weg wählte man in der vergangenen Saison in den nicht weit entfernten Gebieten Alta Ski Area und Snowbird. Dort nahmen diejenigen, die an Wochenenden oder Feiertagen mit vier oder mehr Personen im Wagen auf den Parkplatz rollten, an einem Gewinnspiel teil.

Autos müssen draußen bleiben

In einigen Alpen-Orten der Schweiz kommt man auch mit der besten Fahrgemeinschaft nicht weit. Zermatt zum Beispiel ist komplett autofrei. Gleiches gilt für Saas-Fee, wo spätestens am Dorfeingang Endstation für PKW ist. Das Fahrzeug verbringt die Ferien entweder im Parkhaus mit 1.800 Plätzen oder im Freien. Einige Hotels organisieren Shuttle-Services mit Elektrotaxis, die Gäste vom Stellplatz bis vor die Haustür bringen. Wer lieber auf Muskelkraft statt auf Elektroantrieb setzt, kann sich beim Tourismusbüro einen Handwagen ausleihen und das Gepäck bis vor die Eingangstür der jeweiligen Unterkunft ziehen.

Busticket bringt Vergünstigungen

Geht es nach den Verantwortlichen des Familienskigebiets Bödele in Österreich, sollten die Schneeliebhaber gleich ganz auf das Auto verzichten. Unter dem Motto „Bödele macht mobil“ will man die Anreise mit dem Bus fördern. Wer sein gültiges Busticket an der Kasse vorzeigt, erhält eine Vergünstigung beim Kauf des Skipasses. Ist man mit Skikarte und -ausrüstung unterwegs, bleibt zudem die Busfahrt hinauf aufs Bödele kostenfrei.

Mit dem Zug ins Skigebiet

Überhaupt scheinen Vergünstigungen ein probates Mittel zu sein, um Wintersport-Fans eine emissionsarme Anreise schmackhaft zu machen. Das französische Morzine etwa lockt mit dem AlpinExpress Pass. Um von dessen Vorteilen zu profitieren, müssen Reisende einen Nachweis über den Kauf eines Zugtickets sowie ihre Reisedaten einreichen. Im Gegenzug erhalten sie ein persönliches Zertifikat. Bei Vorlage des Dokuments gibt es Rabatte bei lokalen Partnerbetrieben, zum Beispiel beim Erwerb von Skikarten oder beim Ausleihen von Material. Auch einige Restaurants sind Teil des Partnernetzwerks.

In Japan ist schon die Zugreise zu Skidestinationen wie dem Hakuba Valley mit seinen neun Gebieten ein Erlebnis für sich. Zumindest, wenn man sie mit dem ultraschnellen Shinkansen unternimmt. Die Hochgeschwindigkeitszüge mit der ikonischen Nase rasen zum Beispiel von Tokyo oder Osako zum Bahnhof in Nagano. Dort steigt man in den Bus nach Hakuba um, der beinahe stündlich verkehrt. Auch Privattransfers sind möglich.

Herausforderung letzte Meile

Allein eine gute Zugverbindung ins Ferienziel reicht aber meist nicht aus, um Ski- und Snowboard-Enthusiasten von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Schließlich soll ihnen bei der Ankunft vor Ort kein Nachteil durch den Verzicht aufs Auto entstehen. Bei den „Alpine Pearls“, einem Zusammenschluss von Urlaubsorten in Deutschland, Österreich, Italien und Slowenien, ist man sich dessen bewusst. Die Alpengemeinden haben sich naturschonenden Ferien verschrieben und geben ihren Besucher*innen für die Dauer des Aufenthalts eine Mobilitätsgarantie. Zu den Angeboten zählen Bahnhofs-Shuttles, Rufbusse, Leih-Bikes – oder auch mal Pferdekutschen. Unterkünfte, Lifte, Geschäfte und Sehenswürdigkeiten sind somit lediglich eine kurze Fahrt entfernt.

 „Die Mobilität vor Ort ist eine der entscheidenden Barrieren für viele Menschen“, sagt Khaled El-Hussein, Leiter Vermarktung Österreich und Italien bei der DB Fernverkehr AG, im Hinblick auf Bahnreisen. Es gebe es allerdings schon zahlreiche Positivbeispiele im Alpenraum und den Mittelgebirgen – sei es in Tirol, dem Salzburger Land, Kärnten, in Südtirol, Thüringen oder dem Allgäu.  

Oder in der italienischen Ferienregion Trentino. „Die Mobilitätsangebote dort sind top ausgebaut und einfach zu nutzen“, sagt El-Hussein. „Mit der kostenfreien Trentino Guest Card als App können Gäste direkt nach der Anreise mit dem Fernverkehr die öffentlichen Verkehrsmittel im ganzen Trentino nutzen.“ Das gilt für alle regionalen Bahn- und Busangebote, deren Abfahrt und Ziel im Trentino liegen. Aber: Noch ist dieses Angebot nur einem kleinen Teil der potenziellen Gäste bekannt.

Dabei besteht bei einer wachsenden Zahl Reisender die grundsätzliche Bereitschaft, mit dem Zug in den Urlaub zu fahren. El-Hussein verweist auf eine Studie der Deutschen Bahn aus der Vor-Corona-Phase. Damals gaben knapp 40 Prozent der Befragten an, bei der Winterurlaubsreise in die Alpen aufs Auto verzichten zu wollen, wenn es eine bessere Mobilität vor Ort gäbe. „Knapp 70 Prozent der Befragten vernahmen allerdings keinen aktiven Impuls aus dem Tourismus für eine alternative und klimafreundliche Anreiseform. Dabei gibt es mittlerweile viele hervorragende Angebote für die Mobilität in Skigemeinden.“ Diese müssten aber auch ins Schaufenster, erklärt El-Hussein.

WinterRail stellt Mobilität in den Fokus

Ein solches „Schaufenster“ hat die Deutsche Bahn gemeinsam mit der Wintersportinitiative „Dein Winter. Dein Sport.“ mit der Informationsplattform WinterRail ins Leben gerufen. „Damit bilden wir eine Auswahl vieler gut mit der Bahn erreichbarer Reiseziele ab“, sagt El-Hussein. Knapp 100 deutsche und europäische Wintersport-Destinationen sind es aktuell. „Außerdem zeigen wir auf, welche Mobilitätsangebote es vor Ort gibt.“ Wer auf WinterRail präsent sein möchte, muss seinen Gästen ein bestimmtes Maß an Mobilität gewährleisten können.

Die Plattform beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Fortbewegung, sondern verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. „Im Wintersport bereitet gerade der Transport des Ski-Equipments Sorge“, meint El-Hussein. „Daher betonen wir, dass es vor Ort perfektes Material zum Leihen gibt.“ Eine Kooperation mit INTERSPORTRENT bringt Bahnreisenden auch einen Nachlass aufs Leih-Equipment.

Ziel von WinterRail sei es, durch Informationen Ängste abzubauen und Impulse für die Wahl der Bahn zu setzen, sagt El-Hussein. Insgesamt wird die Plattform bereits gut angenommen. Die Bekanntheit soll aber weiter wachsen. „Unser Anliegen ist es nicht, die Winterurlauber*innen zu missionieren. Aber wir möchten diejenigen überzeugen, die eine klimafreundliche Anreise bereits heute in Erwägung ziehen. Und wir glauben, dass unser Angebot gerade zur richtigen Zeit kommt.“

Erst recht vor dem Hintergrund, dass viele Wintersportgemeinden ihre Infrastruktur auf einen autofreien Aufenthalt ihrer Gäste ausrichten. Vermutlich war es noch nie so einfach, weiße Bergwelten mit grünem Gewissen anzusteuern.