Alles, was du über Geo- oder Climate-Engineering wissen musst:
- Droht bald das Aus für den Ski-Tourismus?
- Snowfarming oder Snowmanagement
- Geo-Engineering als die Lösung?
- Mit Wolkenschiffen und Schwefel-Jets gegen den Klimawandel?
- Ist der Ski-Tourismus schuld am Klimawandel?
- Was ist Geo-Engineering?
- Solar Radiation Management (SRM) vs. Carbon Dioxide Removal (CDR)
So richtig ist der Klimawandel für die meisten Menschen nicht greifbar. Es ist mehr ein diffuses, subjektives Gefühl. Irgendwie ist es wärmer. Irgendwie gibt es weniger Schnee. Umweltexpert*innen wissen jedoch: Ja, es gibt signifikante Veränderungen. In den Sommermonaten Juni bis August ist der Niederschlag laut Bayerisches Landesamt für Umwelt um 13 Prozent zurückgegangen. Auf der anderen Seite gibt es im Frühjahr häufiger Starkregen. Das Wetter ist ein Indikator für den Klimawandel. Wir alle können es beobachten, direkt vor unserer Haustüre. Auch im Winter.
Denn für Skifahrer ist der Klimawandel längst nicht mehr Schnee von gestern. Nicht erst der aktuelle Winter offenbart das Dilemma, dem der Ski-Tourismus entgegen schlittert. In manchen Skigebieten schlängeln sich mickrig, weiße Pisten über braune Weidewiesen. Naturschnee? Fehlanzeige. Der Schneemangel trifft nicht mehr nur die Mittelgebirge und das Alpenvorland. Ein 30 Jahresvergleich zeigt: 2023 liegt in den Alpen deutlich zu wenig Schnee. Nur etwa 55 Prozent der Alpen haben eine mehr oder minder geschlossene Schneedecke. Schon seit Jahren stemmt man sich in den Alpen mit unterschiedlichen Maßnahmen gegen das, was immer schneller und weiter voranschreitet. Schätzungen zufolge sorgen in den gesamten Alpen ca. 82.000 Schneekanonen für „Schneesicherheit“. Die Anzahl hat sich seit 2016 verdoppelt. Allein der Wasserbedarf für den Skispaß ist massiv. Viermal mehr als die Millionenstadt München in einem Jahr verbraucht. Viele Beschneiungsanlagen müssen immer weiter nach oben auf den Berg geschafft werden, damit der Effekt nicht nach wenigen Tagen verpufft.
Doch selbst hoch oben auf dem Berg ist die Luft dünn geworden. Auf dem Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen beginnen die Pistenbetreiber schon im Mai mit Snowfarming. In 3.000 Metern Höhe werden riesige Mengen an Schnee zusammengeschoben und mit Spezialplanen vor dem Wegschmelzen geschützt. Bis zu 70 Prozent kann so bis zum Saisonstart konserviert werden. Das müssen sie auch, denn der Tourismus ist für die österreichische Volkswirtschaft von großer Bedeutung. Laut Wirtschaftskammer Österreich hat allein der Wintersport vor der Corona-Pandemie für 14,9 Mrd. Euro Umsatz gesorgt. Wintersport wedelt Geld in die Kassen, im Alpenraum wie in den Mittelgebirgen.
Noch können „Schneemanagement“ mittels Pistenraupe und Beschneiungsanlagen den Ski-Tourismus am Laufen halten. Klar ist aber auch, es werden dafür enorme Mengen an Energie benötigt. Ressourcen, die eigentlich geschont werden sollten, um den Klimawandel nicht noch weiter zu verschärfen. Momentan sind die weltweiten Bemühungen, die Emission von Treibhausgasen radikal zu senken, nicht da, wo sie sein sollten.
Wenn weiterhin zu wenig getan wird, dann könnten die Temperaturen in den Alpen bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 4 Grad Celsius ansteigen. Die Folgen für den Ski-Tourismus wären dramatisch. Unter 500 Metern gäbe es keinen Naturschnee mehr, bis 1.500 Metern würde die Schneedecke bis zu 80 Prozent abnehmen, in höheren Lagen bis zu 60 Prozent.
Da kommt Geo-Engineering ins Spiel. Climate-Engineering befasst sich seit einigen Jahrzehnten mit der Frage, wie sich durch technische Maßnahmen das Klimasystem der Erde bewusst beeinflussen lassen könnte. Die große Frage ist: Welchen Part können Climate- und Geo-Engineering im Hinblick auf Reduktion der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der damit verbundenen globalen Erderwärmung tatsächlich leisten? Ist das am Ende möglicherweise nur ein Fangzaun, wenn die Piste ausgeht? Oder löst es sogar eine ganz andere Lawine aus?
Der italienische Physiker Cesare Marchetti prägte in den 1970er-Jahren den Begriff Geo-Engineering maßgeblich. Sein Vorschlag: Damit das schädliche Kohlenstoffdioxid gar nicht erst in die Atmosphäre gelangt, sammelt man es direkt an Kohlekraftwerken und Erdölraffinerien ein, um es anschließend dauerhaft zu speichern. Das ist nur eine Methode von Carbon Dioxide Removal (CDR). Norwegen und Dänemark haben bereits begonnen, genau das zu tun. Das gesammelte CO2 wird verflüssigt und in der Nordsee tief unter den Meeresboden gepresst. Dort soll es dann bleiben. Hoffentlich! Denn die Gefahr besteht, dass es wieder austreten kann. Potenzielle Schäden in Ökosystemen? Unbekannt.
In Deutschland ist das Verfahren des CDR noch nicht zugelassen. Das Thema selbst ist aber schon Teil der Politik. Denn CDR wird als wirksame Methode betrachtet, die die Reduktion der Emission der Treibhausgase ergänzen kann. Spitzenreiter ist jedoch die Aufforstung. Sie hat mit 99,9 % immer noch den größten Anteil der gesamten CDR-Maßnahmen. Denn Bäume speichern das für das Klima schädliche CO2. Dr. Havermann koordiniert an der LMU München die wissenschaftliche Zusammenfassung des Forschungsprogramms CDRterra, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wird. „Alle CDR-Maßnahmen müssen gesellschaftlich akzeptiert, politisch gewollt und ökologisch wie ökonomisch sinnvoll sein“, so Havermanns Haltung. Und da stößt auch die Aufforstung an ihre Grenzen. „Stand jetzt müssten wir die derzeitige Aufforstung verdoppeln. Ein hoher Druck, der auf der Landoberfläche lastet. Da werden Zielkonflikte entstehen“, sagt Havermann.
Den Durchbruch bei den Überlegungen, wie mit technischen Mitteln in geochemische Kreisläufe der Erde eingegriffen werden könnte, lieferte übrigens 1991 ein Vulkanausbruch. Auf den Philippinen brach der Pinatubo aus. Der kostete damals 875 Menschen das Leben, Zehntausende verloren ihre Heimat. Die Eruption war so gewaltig, dass mehrere Millionen Tonnen an Schwefeldioxid in die Stratosphäre gelangten, dreimal so hoch, wie Verkehrsflugzeuge fliegen. Und dann stellte sich nach einigen Tagen ein bemerkenswertes Phänomen ein. Aufgrund der plötzlich hohen Konzentration der Schwefelaerosole und der Sonnenlichtreduktion als Folge, wurde es auf der gesamten Erde um 0,5 Grad Celsius kühler.
Dieses Ereignis führte zu der Idee, Flugzeuge in großem Stil Schwefelpartikel in die Stratosphäre injizieren zu lassen. Die schlechte Nachricht: Um den Planeten jährlich ein Grad Celsius runter zu kühlen, bräuchte man täglich 7.000 Flugzeuge. Technisch nicht unmöglich. Aber extrem teuer, nicht nur materiell, sondern auch für alle Menschen. Der Himmel wäre künftig nicht mehr strahlend blau sein, sondern eher milchig. Weltweit könnten die Niederschläge im Durchschnitt abnehmen, auch der Monsun und große Luftströmungen in der Atmosphäre könnten sich durch dieses Experiment ändern. Sollten wir also wirklich Umweltgott spielen?
An weiteren Ideen, was alles im Wunderland Erde möglich wäre, mangelt es nicht. Wolkenschiffe könnten ebenfalls für Kühlung des Planeten sorgen. Rund um die Uhr würden sie mittels Meerwasser weiße Wolken erzeugen, um das Rückstrahlungsvermögen der Erde zu vergrößern. Auch hier gilt - löst man damit nicht vielleicht eine ganz andere ungewollte Kettenreaktion aus? Niederschläge könnten zurückgehen, ganze Ernten ausbleiben. Das könnte dann in politischen, sozialen und kriegerischen Auseinandersetzungen enden. Es gibt derzeit auch im Völkerrecht keine eindeutige Legitimierung derartiger Maßnahmen. Wer regelt die globale Temperatur? Sehr viele offene Fragen, noch mehr Risiken. Deshalb rät selbst der Weltklimarat der Vereinten Nationen von Methoden, die die Sonneneinstrahlung verändern, ab.
Ist der Preis, den wir mit Geo- und Climate-Engineering zahlen würden, also zu hoch? Möglicherweise. Lohnt es sich dennoch über Geo-Engineering nachzudenken? Ja.
Und wie sieht es mit dem Ski-Tourismus aus? Hat nicht jede*r Skifahrer*in sowieso schon eine schlechte Ökobilanz? Sollte Skifahren zugunsten des Klimas per se nicht in Frage gestellt werden? Ulrike Pröbstl-Haider, Professorin für Landschaftsentwicklung, Freizeit und Tourismus an der Universität für Bodenkultur in Wien, sagt: „Der Ski-Tourismus ist nicht das Problem. Das Umweltbundesamt in Österreich hat berechnet, wer als Tourist ein Flugzeug besteigt oder ein Kreuzfahrtschiff betritt, der weist eine wesentlich schlechter Ökobilanz auf. Dagegen ist der Ski-Tourismus geradezu heilig.“ Den größten CO2-Fußabdruck, den die meisten Ski-Touristen im Schnee hinterlassen, ist nicht auf der Piste, sondern durch die Anreise mit dem Auto. Daher rücken sanfterer Tourismus und der verantwortungsbewusste Umgang damit mehr und mehr in den Fokus. Das gilt für die Betreiber, wie auch für jeden einzelnen Skifahrer. „Jeder sollte sich die Frage stellen, ob der Skiausflug am Wochenende sein muss?“, so Dr. Felix Havermann.
Es gibt keine Antwort auf die Frage, ob Geo- oder Climate-Engineering den Ski-Tourismus nachhaltig beeinflussen kann. Die Forschung ist gerade erst in die Gondel eingestiegen und noch lange nicht auf dem Gipfel. Letztlich sind Geo- und Climate-Engineering vergleichbar mit dem Kater, der einen nach einer ausgelassenen Après-Ski-Party ereilt. Man kann versuchen, den Kater mit viel Wasser, Rollmops und Konterbier zu bekämpfen. Besser wäre es gewesen, man hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen. Doch so einfach ist es natürlich nicht. Verzicht ist oftmals schwer, kann sich aber auszahlen. Weniger ist mehr. Heute mehr denn je.
Es gibt keine Antwort auf die Frage, ob Geo- oder Climate-Engineering den Ski-Tourismus nachhaltig beeinflussen kann. Die Forschung ist gerade erst in die Gondel eingestiegen und noch lange nicht auf dem Gipfel. Letztlich sind Geo- und Climate-Engineering vergleichbar mit dem Kater, der einen nach einer ausgelassenen Après-Ski-Party ereilt. Man kann versuchen, den Kater mit viel Wasser, Rollmops und Konterbier zu bekämpfen. Besser wäre es gewesen, man hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen. Doch so einfach ist es natürlich nicht. Verzicht ist oftmals schwer, kann sich aber auszahlen. Weniger ist mehr. Heute mehr denn je.
Was ist Geo-Engineering?
Beim Geo-Engineering bzw. Climate-Engineering geht es darum, durch bewusst herbeigeführte, großflächige Eingriffe die geochemischen oder biochemischen Prozess der Erde zu verändern. Ziel ist es, die globale Erderwärmung abzubremsen, zu kompensieren oder sogar abzusenken.
Häufig werden beide Begriffe synonym verwendet, sie meinen aber nicht das Gleiche. Beim Climate-Engenieering geht es darum, vorsätzlich auf das Klima einzuwirken, während Geo-Engineering primär die Umwelt im Fokus hat. Das Modifizieren von Küsten, Umleiten von Gewässern oder das Weißen von Dächern in Ballungsräumen sind Beispiele dafür.
1. Solar Radiation Management (SRM) hat das Ziel, die einfallende Sonnenstrahlung zu reduzieren, um so die Erde zu kühlen. Hier warnt der Weltklimarat derzeit vor den meisten Maßnahmen.
2. Carbon Dioxide Removal (CDR) hat maßgeblich das schädliche CO2-im Blick. Es soll aus der Luft gesaugt bzw. der Atmosphäre entnommen werden, um es anschließend dauerhaft zu speichern. Hier ist selbst der Weltklimarat der Auffassung, dass es im Kontext von Netto-Null-Treibhausgas Emissionszielen am Ende ohne eine CO2-Entnahme wohl nicht gehen wird.
Einige Methoden greifen dabei massiv in die Klimakreisläufe der Natur ein. Die Folgen und Auswirkungen sind teilweise noch unklar, wenig erforscht und existieren nur in Simulationsmodellen. Deshalb gibt es neben gewollten positiven Effekten, auch ungewollte negative Auswirkungen.
Vorteile:
- Derzeit sieht es nicht danach aus, dass wir global durch unser Verhalten die Emissionen entscheiden reduzieren können. Geo- bzw. Climate-Engineering können als „Notfallplan" helfen. Denn die globale Temperatur der Erde kann durch einige Maßnahmen tatsächlich bewusst verändert werden.
- Die Entnahme von Kohlenstoffdioxid aus der Luft (CDR) birgt teilweise weniger Risiken als Solar Radiator Management (SRM). Um die Klimaziele zu erreichen, schließt der Weltklimarat CDR nicht aus.
Nachteile:
- Die Gefahr liegt auf der Hand: Geo- und Climate-Engineering können schnell als Ausrede für weniger Klimamaßnahmen herhalten. Warum CO2 reduzieren, wenn es Climate-Engineering gibt?
- Viele Maßnahmen befinden sich der Entwicklungsphase und basieren bislang auf Modellrechnungen und Simulationen. Mögliche Folgen und das Auslösen von ungewollter Kettenreaktion sind schwer vorherzusehen. Selbst die Risiken bei Feldversuchen wären extrem hoch. Das betrifft vor allem das Solar Radiator Management.
- Viele Methoden sind extrem teuer. Sie benötigen zudem viel Energie, Rohstoffe und es entstehen zusätzliche Emissionen.
- Veränderung der Niederschlagsmuster und ganze Ernten könnten ausbleiben, vor allem bei SRM-Eingriffen. Ganze Ökosysteme könnten zerstört werden.
- Durch Injektion von Schwefeloxid in die Stratosphäre kann die Ozonschicht weiter geschädigt werden, der Himmel würde ausbleichen, saurer Regen vom Himmel fallen. Solaranlagen würden weniger Leistung liefern können.
- Die Frage der Nachhaltigkeit der Maßnahmen? Völlig offen.
- Unbekannte, unvorhersehbare Auswirkungen, die sich auch regional anders abbilden könnten.
- Extrem hohe Kosten.
- Völkerrechtlich betrachtet gibt es bislang kein gültiges Regelwerk. Wer hat den Hut auf, wer darf die Temperatur auf der Erde regulieren? Entscheidet das eine übernationale Kontrolle?
- Es könnten politische, gesellschaftliche, aber auch kriegerische Konflikte entstehen.
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