Wearables sind noch ein relativ junges Phänomen. 1997 beschrieb der Informatik-Professor Steven Mann, der gemeinhin als der geistige Vater der kleinen Geräte gilt, in einem Artikel erstmals seine Vision von Computersystemen als „zweites Gehirn“ an Kleidung und Körper.
Wirtschaftlich wirklich relevant wurden vor allem Smartwatches, Fitnesstracker und Earwear erst 2014, als weltweit 28,8 Millionen Stück abgesetzt wurden. Fünf Jahre später im Jahr 2019 waren es mit 336,5 Millionen bereits mehr als zehn Mal so viel. Und bis 2024 soll diese Zahl – sehr vorsichtig geschätzt – auf über 500 Millionen verkaufter Wearables steigen.
Die smarten Begleiter sind längst im Mainstream angekommen. 71 Prozent der Deutschen besitzen zum Beispiel mindestens ein Paar Ohrstöpsel zum Musikhören, von denen immer mehr ganz ohne Kabel über Bluetooth funktionieren. Auch Smartwatches und Fitnesstracker sind weit verbreitet und sorgen für Diskussionen.
Die Stiftung Warentest fand zum Beispiel jüngst in einem Test von Smartwatches und Fitnesstrackern heraus, dass nur drei von 21 getesteten Geräten Pulsfrequenz, Streckenlänge und Kalorienverbrauch korrekt ermittelten und deshalb mit der Testnote Gut bewertet werden konnten. Es bleibt also Luft nach oben bei der Weiterentwicklung. Andererseits sind die Daten der kleinen Sensoren inzwischen schon so relevant, dass die seriöse Wissenschaft sie für den Einsatz bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie nutzen will.
Viele Fitnessarmbänder und Smartwatches ermitteln neben dem Ruhepuls nämlich auch die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung des Blutes. Dazu liefern sie permanent Schlaf- und Aktivitätsinfos. Diese Daten ändern sich bei akuten Atemwegserkrankungen wie COVID-19. Laut Bitkom arbeiten Forscher – vom Robert-Koch-Institut (RKI) mit seiner Corona-Datenspende-App über das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung bis zur Stanford University – an Modellen, wie sich diese Vitaldaten für die Früherkennung einer Corona-Erkrankung nutzen lassen.
Das Rockefeller Neuroscience Institute an der West Virginia University will dabei durch die Abgleichung von Werable-Daten mit KI-Modellen einen spektakulären Erfolg erzielt haben: Eine Corona-Infektion soll so schon drei Tage, bevor Infizierte erste Symptome bemerken, mit 90-prozentiger Sicherheit festgestellt werden können. Derlei Informationen könnten die Verbreitung des gefährlichen Virus entscheidend verlangsamen.
Ein Durchbruch beim Kampf gegen Corona wäre zweifellos auch die endgültige Bestätigung dafür, dass Wearables auch für die Gesundheitsindustrie von höchster Bedeutung sein können. Und das ist nur einer der neuen Trends für den Einsatz von Wearables. Das Fraunhofer Institut für Integrierte Systeme und Bauelementechnologie (IISB) arbeitet zum Beispiel an einem kleinen Sensor mit dem Namen „Elecsa“, der ständig Körperdaten über den Schweiß ermittelt.
„So kann man das Training und die Gesundheit ständig überwachen – ganz ohne störenden Brustgurt“, erklärt Dr. Klaus Hecker, Managing Director der Organic and Printed Electronics Association (OE-A) im Gespräch mit ISPO.com: „Es gibt im Medizin- und Gesundheitsbereich genau wie in der Sportindustrie ganz viele nützliche Anwendungsfälle für diese neuen Technologien.“
Printed Electronics nennt man das, die Integration von Wearable-Sensoren in die Kleidung. Hier ein paar Beispiele:
- Profivereine und TV-Firmen nutzen zum Beispiel die Daten von smarten Einlegesohlen in Sportschuhen, die gelaufene Strecken, Tempo, gespielte Pässe oder den Krafteinsatz messen.
- Der Schuhhersteller Under Armour hat in seinen neuen Laufschuh Hovr einen Chip in die Sohle eingebaut, der über die App „Map my Run“ ein direktes Feedback zur Trittfrequenz gibt. So kann man noch während des Laufens Veränderungen vornehmen.
- Skistiefel mit Sensoren, die permanent Infos über den eigenen Fahrstil liefern, sind ebenfalls schon auf dem Markt.
- Beheizbare Kleidung, die in Abhängigkeit von der Temperatur oder per App gesteuert werden kann, wird zum Erfolg.
- Auch intelligentes Moisture Management – der von Sensoren gesteuerte Abtransport von Schweiß aus der Kleidung – gewinnt an Bedeutung.
- Sogar Bluetooth-Unterwäsche, die dem Partner oder Partnerin Lust auf Zweisamkeit signalisiert, gibt es schon.
Neben mit Wearables ausgestatteten Textilien gelten auch die Energie-Erzeugung über Solarzellen in der Kleidung oder Rucksäcken sowie innovative Virtual-Reality-Schwimm- oder Skibrillen als wichtige Zukunftsmärkte.
„Man könnte über Displays in Skibrillen zum Beispiel die über Sensoren erfasste aktuelle Geschwindigkeit einblenden oder die Leute zu dem Lift leiten, wo die wenigsten Menschen anstehen“, träumt Klaus Hecker. Die möglichen Anwendungen von Wearables sind also schier grenzenlos – elf Prozent der Smartwatch-Besitzer benutzen ihr Wunderwerk am Handgelenk zum Beispiel schon jetzt für die Steuerung von Smart-Home-Anwendungen.
Die Corona-Pandemie beschleunigt diesen Trend zur Digitalisierung weiter. Schon vor der Pandemie wurde prognostiziert, dass der Umsatz im Wearables-Markt von 52 Milliarden Dollar in diesem Jahr auf 63 Milliarden Dollar im Jahr 2021 steigen wird. Unter den wichtigsten Playern haben sich dabei in den letzten Jahren wesentliche Veränderungen vollzogen.
Fitbit – zu Beginn des Wearable-Booms im Jahr 2014 mit 37,9 Prozent Anteil noch klarer Marktführer - ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Dafür ist Apple jetzt die Nummer 1 und baut seine Spitzenposition kontinuierlich aus. Samsung und Huawei konnten ihre Marktanteile in den letzten Jahren ebenfalls massiv steigern. Ein Überblick über 2019 (Quelle Statista):
- Apple (Marktanteil 2019: 31,7 Prozent)
- Xiaomi (12,4 Prozent)
- Samsung (9,2 Prozent)
- Huawei (8,3 Prozent)