China hat ein Problem mit Übergewicht und Fettleibigkeit. Die Kinder sind zu dick und auch die Zahl der Diabetiker in China ist in 30 Jahren von unter einem Prozent auf inzwischen zwölf Prozent gestiegen – wie das Journal of the American Medical Association meldet. In absoluten Zahlen zeigt sich das Ausmaß dieser Entwicklung besonders deutlich: Fast 100 Millionen Chinesen sind zuckerkrank.
„Die Entwicklungen, die wir in Europa über viele Jahrzehnte hatten, passieren in China noch viel, viel schneller“, erklärt Paul März, Leiter der beiden chinesischen ISPO Ableger in Shanghai und Peking. Der Wohlstand komme immer schneller zu immer mehr Menschen.
Der stärkere Einfluss der westlichen Kultur beschränkt sich nicht nur auf Hollywood-Filme, sondern auch auf Essgewohnheiten. Süßigkeiten und Fastfood stehen bei immer mehr Chinesen auf dem Speiseplan. Auch die jahrelange Ein-Kind-Politik mag eine Rolle spielen: Die Kinder werden nicht nur materiell, sondern auch nahrungstechnisch ausgiebig versorgt.
Chinas Regierung will Fitness bewerben
Die Staatsregierung reagierte mit einer Guideline und will den Chinesen Sport, Fitness und Abnehmen ans Herz legen. „Ziel der Regierung ist es, die Hälfte der Bevölkerung in Bewegung zu bringen”, erklärt März. Die Menschen im Land sollen nach Vorstellung der chinesischen Führung mindestens dreimal pro Woche sportlich aktiv sein.
In der Studie der MMI Shanghai, der chinesischen Tochtergesellschaft der Messe München International (MMI), wurde die Fitnessindustrie in China auf ihr Markpotential für internationale Fitness-Unternehmen untersucht. Das Ergebnis: Der Wandel vom Produktionsland zum attraktiven Konsumentenmarkt bietet große Chancen für Unternehmen.
Im Land gibt es den Trend zum Fitnessstudio: Die etwa 5.000 Fitnessclubs in China zählen derzeit etwa 1,5 Millionen Mitglieder, beide Ziffern mit stark steigender Tendenz. Ein Gesundheitsbewusstsein sei zwar bereits vorhanden, entwickle sich zunächst aber vor allem in den Millionenstädten wie Peking, Schanghai und Guangzhou. Dort sind die Menschen den westlichen Trends näher als in kleineren Orten oder auf dem Land.
Von diesem Trend profitieren in einem ersten Schritt Infrastruktur-Anbieter. „Das geht von Ski-Gebieten, die stark ausgebaut werden, über neue Sporthallen bis hin zu öffentlichen Fitnessanlagen“, sagt März, „diese Entwicklung wird sich anschließend auf der Bekleidungsseite widerspiegeln.”
China öffnet Markt für Sportindustrie
Im Oktober 2014 gab der chinesische Staatsrat die besagte Guideline heraus, in der die Regierung weniger Regulationen ankündigt und private Investitionen begrüßt. Ziel sei „die Entwicklung der Sportindustrie ebenso zu beschleunigen wie den Sportkonsum“, heißt es dort.
Ein konkreter Schritt der Marktöffnung seien laut der MMI-Studie angekündigte Steuererleichterungen, zum Beispiel für Hightech-Sportunternehmen. „Im Gespräch sind auch reduzierte Mehrwertsteuersätze für Sportartikel, wodurch der Absatz angekurbelt werden würde", berichtet März. Zudem verlange der Staat einen massiven Ausbau von Reha- und Fitnesscentern. Jedes neue Wohngebiet soll dementsprechend ausgerüstet, ältere Einheiten sollen renoviert werden.
Der Sportindustrie war China bislang vor allem als Produktionsstätte bekannt. Bis zu 60 Prozent der Sportartikel weltweit werden der Studie zufolge derzeit in China gefertigt. Alleine in Xiamen, dem Zentrum der chinesischen Fitnessindustrie, unterhalten mehr als 80 Firmen insgesamt über 500 Fabriken.
Der Binnenmarkt entwickelt sich dabei gerade erst. In ihrer Guideline rechnet die chinesische Regierung damit, dass die Sportindustrie in zehn Jahren umgerechnet 813 Milliarden US-Dollar (in der Landeswährung RMB 5 Billionen) umsetzen kann.
Vom Fitness-Produzenten zum Konsument
Als Fitness-Konsument ist China dagegen auf dem Weltmarkt bislang noch nicht in Erscheinung getreten, anders als die USA. Die Vereinigten Staaten sind der größte Abnehmer von Fitness-Equipment. 40 Prozent der Waren gehen nach der MMI-Studie derzeit in die USA. Doch China holt auf – und könnte damit in Zukunft zu einem wichtigen Wachstumsmarkt für internationale Sportunternehmen werden.
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