Ein Klamottenschnäppchen auf dem Flohmarkt oder die alte Bluse von Tante Christine – gebrauchte Kleidung zu verkaufen oder zu vererben ist vermutlich so alt, wie Kleidung selbst. Online-Marktplätze wie ebay, gegründet 1995, haben den Warentausch noch komfortabler gemacht. Doch einen richtigen, kommerziellen Wachstumsschub erfährt Secondhand erst, seitdem ökologisches Bewusstsein in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Das bringt seit ein paar Jahren auch den Secondhand-Markt für Outdoor- und Sportartikel ordentlich in Bewegung.
Insgesamt beziffert Global Data in einer Studie für den Secondhand-Marktplatz ThredUp das prognostizierte globale Umsatzvolumen für Secondhand Fashion mit 350 Milliarden Dollar für 2028. Im Jahr 2023 lag das Marktvolumen bei 197 Milliarden Dollar. Wachstumstreiber ist insbesondere die Gen Z, die zu 71 Prozent gerne getragene Outfits kauft, in der Gesamtbevölkerung sind das laut Umfrage nur 63 Prozent.
Dieses Potenzial nutzt auch Zalando. Als erste europäische Fashion-Plattform bietet der Marktplatz seit 2020 gebrauchte Ware an. Zwar verrät Zalando auf Nachfrage von ISPO.com nicht, wie viel Umsatz der Händler mit Secondhand-Mode macht, jedoch seien es insbesondere die 18- bis 29-Jährigen, die das Angebot nutzten. Da 85 Prozent der Zalando-Kund*innen mindestens einmal pro Woche Sport treiben, sei dies auch im Secondhand-Bereich eine attraktive Kategorie, so das Unternehmen.
Davon profitiert auch Decathlon. Im Unterschied zu Zalando gibt der Sport- und Outdoor-Gigant aus Frankreich bereitwillig Auskunft über seine Zahlen in diesem Segment. So verkaufte Decathlon Deutschland 2023 mehr als 64.000 gebrauchte Produkte über den Service Second Use. Laut Decathlon United hat die Gruppe in 2023 global rund 420 Mio. Euro mit zirkulären Geschäftsmodellen (Second Life, Repair & Care, Buy Back, Rent) erwirtschaftet.
Auch die Spezialisten im Sport- und Outdoormarkt haben auf Händler- und Markenseite nachgezogen, zum Beispiel Bergzeit. Der Projektverantwortliche Jens Oellrich sagt: „Der Launch von Bergzeit RE-USE war am 1. Juni 2022. Aktuell haben sich die Umsätze beim Verkauf von gebrauchter Outdoor-Bekleidung, -Equipment und -Schuhen verfünffacht [im Vergleich zu drei Monate nach dem Start, die Redaktion]. Wir gehen sogar davon aus, dass wir in den nächsten Monaten noch schneller wachsen werden.“ Bergzeit hat derzeit rund 8.000 gebrauchte Einzelteile im Shop verfügbar, „der größte Teil kommt von Privatpersonen (ca. 65 %). Bergzeit Retouren und Waren von Herstellern, wie Musterartikel, ergänzen das Sortiment“, sagt Oellrich. Das Potenzial für die kommenden Jahre schätzt er hoch ein, da insbesondere eine junge Zielgruppe an gebrauchter Ware interessiert sei.
Vaude ist erst kürzlich in den Secondhand-Markt eingestiegen. 500 Kleidungsstücke wurden zur Eröffnung angeboten. „Bekleidung ist mit Abstand unsere am stärksten nachgefragte und verkaufte Produktkategorie“, sagt Robert Klauer, der bei Vaude für zirkuläre Unternehmensentwicklung verantwortlich ist. „Daher liegt es nahe, damit zu starten, da wir hier relevante Mengen anbieten können. Im nächsten Schritt wollen wir auch die gebrauchten Produkte aus dem Mietservice verkaufen. Hier handelt es sich vor allem um Hardware wie Zelte, Schlafsäcke, Isomatten.“ Genauso wie bei Bergzeit ist es erklärtes Ziel, den Lebenszyklus der Produkte zu verlängern und ein zirkuläres Geschäftsmodell zu etablieren.
Die Outdoormarke Rab setzt auf den Verkauf beim Fachhändler und nur sekundär auf D2C. Mit dem Programm Second Stitch, das es seit 2019 in UK gibt, werden „reparierte Garantieprodukte verkauft, die aufgrund des Alters oder der Beschädigungen von uns erstattet wurden. Auch Retouren aus dem Handel werden über Second Stitch verkauft, zudem stellen wir aus Fabrik-Überresten neue Produkte/Einzelstücke her“, sagt PR & Communications Managerin Europe Sarah Kampf. „Die in unserem Werksverkauf angebotenen Second Stitch Produkte verkaufen sich unglaublich schnell, oft noch am selben Tag, an dem sie ausgelegt werden.“ Im Jahr 2023 habe man so 568 Einzelteile in UK verkauft.
Patagonia hat ebenfalls langjährige Erfahrung mit dem Wiederverkauf, insbesondere in den USA. In Deutschland gibt es seit 2022 ein Pilotprojekt in Berlin. In den USA habe man 2021 33.015 Kilogramm gebrauchte Kleidung verkauft, sagte Patagonia-Mitarbeiterin Birgit Großmann gegenüber Sporting Goods Intelligence Europe.
Im März 2024 veranstaltete das Patagonia Team in Amsterdam für einen Tag einen Pop-up-Store. Dort wurde ausschließlich Secondhand-Kleidung verkauft, die vom United Repair Centre Amsterdam repariert worden war. Alle Einnahmen des Tages, mehr als 33.000 Euro, wurden direkt an vier NGOs a in den Niederlanden gespendet.
Neben den genannten Marken und Händlern gibt es noch viele weitere Beispiele wie Maloja, die in ihren Läden eine Preloved-Corner eingerichtet haben, oder Globetrotter. Der Outdoorspezialist verkauft seit 2020 gebrauchte Waren online und in den Stores.
Einer der großen Unterschiede zwischen direkt verkauften Kleidungsstücken zwischen Endkunden und dem Verkauf via Brand oder Retailer sind Produktkontrolle, Aufbereitung und Pflege durch den Shop. Dadurch erklärt sich auch ein höherer Preis. Womit wir bereits bei den größten Herausforderungen im Second-Life-Game der Fashionbranche wären.
Doch was darf gebrauchte Kleidung kosten? Der Prozess der Preisbestimmung ist gar nicht so einfach. Es müssen der Verkaufspreis des Erstbesitzers, die Aufwände für die Wiederaufbereitung und die Vertriebskosten mit eingerechnet werden. Zudem muss beurteilt werden, wie der Zustand des Produkts ist. Secondhand-Dienstleister reverse.supply hat hierfür eine eigene Software entwickelt. Diese nimmt mit auf, zu welchem Preis Produkte der Marke auf Wettbewerbsplattformen verkauft werden und wie erfolgreich der Verkauf läuft. Somit ist Markenbegehrlichkeit ein großer Faktor bei der Preisgestaltung.
Neben der Preisgestaltung ist die gesamte Logistik ein aufwändiger Prozess, der meist von einem Drittanbieter übernommen wird. Vaude setzt auf die WKS Textilveredelungs-GmbH. Diese teilt die Produkte unter anderem in drei Qualitätsstufen ein. Bergzeit nutzt wie Decathlon, Ortovox, Sport Scheck und Globetrotter reverse.supply. Der Dienstleister übernimmt nach eigenen Angaben alle „technischen und operativen Prozesse im Hintergrund wie Preismanagement, Refurbishment-, Produktdatenerstellungs- und Fulfillment-Prozesse“.
Das heißt, dass unter anderem die Wiederaufbereitung der Ware, Fotos, Beschreibung, Kommissionierung und Lagerung durch den Dienstleister realisiert werden.
Natürlich gibt es viel Secondhand-Ware. Doch gute Teile von wertigen Marken sind trotzdem ein knappes Gut. So erzählt Mick Austermühle, Manager Central Europe Patagonia, dass das Hauptproblem des Wiederverkaufs die fehlende Ware ist. In den USA sind Vintage Fashion Pieces der Marke schon nach wenigen Tagen wieder ausverkauft.
Dieses Problem möchte Cam McGimpsey lösen. Er ist Mitgründer von Birl. Das Unternehmen bietet Onlineshops und ihren Kunden die Möglichkeit, während des Kaufprozesses gebrauchte Kleidung zurückzugeben und dafür direkt Rabatte beim Neukauf zu kassieren. Logistik und Wiederverkauf für den Onlineshop übernimmt Birl. Erster Kunde für das SaaS-Start-up ist der britische Jackenanbieter Lavenham.
Fazit: Neben der neuen Gewohnheit, ab und zu ein gebrauchtes Kleidungsstück zu erwerben, muss sich also auch die Gewohnheit durchsetzen, gebrauchte Kleidung wieder abzugeben.
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