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INTERVIEW/10.08.2023

„Wir haben den Sport zu den Menschen gebracht“

Thomas Riedel
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Es ist einer dieser Hidden Champions, die den Sport prägen, ohne selbst im Rampenlicht zu stehen: Riedel Communications. Kaum ein Sportgroßereignis der Welt kommt ohne die Technik aus dem beschaulichen Wuppertal in Deutschland aus. Gründer und CEO Thomas Riedel erklärt uns, wie er zu einem der größten Eventausstatter für Audio- und Videotechnik wurde und mit welchem berühmten Rennfahrer er heute eine Leidenschaft teilt.

Was haben Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaften, die Formel 1 und der Superbowl gemeinsam? Richtig, es sind die größten Sportevents der Welt. Und sie alle werden mit Kommunikationstechnik aus Wuppertal umgesetzt. Riedel Communications überträgt die Ansagen der Referees in der NFL, ermöglicht den Boxenfunk in der Formel 1 und verbindet die FIFA-Schiedsrichter*innen mit den Analysten im Kontrollzentrum. Auch als Felix Baumgartner 2012 aus der Stratosphäre auf die Erde sprang, war es Audio- und Videotechnik von Riedel, die den spektakulären Flug zu einer Milliarde TV-Zuschauer*innen übertrug. Neben Sport ist Riedel zudem bei Showevents wie dem Eurovision Song Contest oder großen Musikfestivals wie Wacken am Start.

In unserer Reihe „Challenges of a CEO“ spricht Gründer Thomas Riedel über die Anfänge seiner Erfolgsstory und verrät, was es braucht, um die Emotionen des Sports medial zu transportieren.

Vom Funk zum Fernsehen

„Angefangen habe ich vor 36 Jahren mit klassischer Veranstaltungstechnik. Irgendwann habe ich dann auch Funkgeräte verliehen. Funktechnik war eine Nische in den 1990er-Jahren. Von Anfang an waren Sportevents dabei, vor allem Fußball und Motorsport. Die Streckenposten müssen ja irgendwie mit den Fahrern und der Race Control kommunizieren. Das war damals natürlich lange nicht so modern wie heute. Viel von dem, was heute Standard ist, haben wir über die Jahre erfunden und weiterentwickelt. 

Das erste Sportgroßereignis, bei dem ich mit Funktechnik vor Ort war, waren dann die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Fast zeitgleich startete mein Einsatz in Hockenheim bei der Formel 1. In beiden Fällen waren es zunächst kleine, nationale Aufträge. Bei Olympia habe ich das Deutsche Haus – das damals noch nicht so hieß – mit Funktechnik ausgestattet und in Hockenheim die lokale Rennleitung. Aber wenn man sich auf so einem Event befindet, passieren zwangsläufig ein paar Dinge: Erstens wird man angezündet von der Atmosphäre vor Ort, zweitens begegnet man wichtigen Menschen und drittens lernt man, wie die Abläufe sind. Das hat dazu geführt, dass ich schnell tiefer in die Events eingestiegen bin und weitere Aufträge hinzukamen.


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Zündkerze Formel 1

In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre klopften nach und nach immer mehr Formel-1-Teams an – auch, weil zu der Sprachkommunikation die Datenübertragung kam. Am Anfang war es lediglich Ferrari, denen wir ein paar Geräte verkauft hatten. Dann kam McLaren auf uns zu. Sie hatten Probleme mit der Kommunikation und wollten wissen, was wir für Ferrari machen. Ich habe dann ein wenig Show gemacht und geheimnisvoll getan. Das hat gefruchtet. McLaren sagte: ‚Okay, wenn du uns nicht verrätst, was du für Ferrari machst, gehen wir davon aus, dass du auch keinem erzählst, was wir dann zusammen machen.‘ Das ist eines der Grundprinzipien des Erfolgs: In einem Wettbewerb – ob nun Olympia, Fußball oder Formel 1 – muss man Spielregeln beachten. Und das gilt auch im Business: Vertrauliche Informationen bleiben vertraulich. Man stelle sich vor, die Signale der Schiedsrichter der 1. und 2. Fußball-Bundesliga, die alle bei uns im Kontrollzentrum in Wuppertal zusammenlaufen, würden öffentlich. Da wird einem bewusst, in welcher Rolle in puncto Vertraulichkeit wir sind.

USP: Innovationen und Service

Am Anfang habe ich einfach nur Funkgeräte vermietet. Das war ziemlich trivial, es hat nur kein anderer gemacht. Aber im Laufe der Zeit haben wir als Team gelernt, für bestimmte Anwendungen spezifische Lösungen zu entwickeln. Beispiel Schiedsrichter: Die FIFA brauchte ein Funkgerät, das klein und leicht genug ist, dass man es am Handgelenk tragen kann. Es musste überall im Stadion funktionieren, wo tausende Handys, WiFi-Signale und drahtlose Kameras stören. Und es musste auch durchgeschwitzten Trikots oder Regen trotzen. Unsere Ingenieur*innen haben die Hard- und Software entwickelt und zum Einsatz gebracht. Solche individuellen Lösungen sind unser USP. Es gibt weltweit nicht einmal eine Handvoll Firmen, die das machen.

Riedel Communications

Das Unternehmen aus Wuppertal in Deutschland ist ein weltweit führender Anbieter von Live-Produktionstools in den Bereichen Medien, Sport und Unterhaltung. Es wurde 1987 von Thomas Riedel gegründet und verzeichnet heute einen Jahresumsatz von rund 250 Millionen Euro. Riedel Communications stattet mehr als 3.000 Veranstaltungen pro Jahr mit Technik aus, entwickelt neue Tools und liefert Datenkommunikationsnetzwerke für die Rundfunk-, Live-Event- und Corporate-Branchen. Daran arbeiten über 1.000 Beschäftigte an 30 Standorten in Europa, Australien, Asien und Amerika.

Unser zweiter USP ist der Service. Oft sind es ja Kleinigkeiten, die sich irgendwann zu einem größeren Problem aufbauen. Nochmal Beispiel Schiedsrichter*innen: Da muss nur mal einer den Akku nicht geprüft haben, das Ding geht aus, er oder sie muss das Spiel unterbrechen oder ohne Kommunikation weitermachen. Blöde Situation. Oder es gab einen Bedienfehler und die Unparteiischen wollten sich keine Blöße geben. Das waren zu Beginn der Schiri-Kommunikation wirklich häufige Gründe, warum etwas im Funk nicht funktioniert hat. Nun wäre es ja viel zu aufwendig, eine*n Techniker*in in jedes Stadion zu schicken. Deshalb haben wir es mit Intelligenz gelöst. Es ist inzwischen Teil der Prozedur, beim Einschalten des Headsets mit unserem Kontrollzentrum zu sprechen und alles zu checken. Dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen: Wir können alle Eigenschaften des Endgeräts in Wuppertal überwachen, inklusive Akkustand oder Position im Ladegerät.

Gamechanger im Sport 

Ähnlich spezielle Anforderungen hatte der America‘s Cup an uns. Die Veranstalter*innen wollten Live-Bilder von den Segelbooten plus Trackingsignale. Da peitscht Meerwasser über die Geräte, starker Wind macht die Kommunikation beinahe unmöglich. Ein herkömmlicher Mikrofon-Windschutz saugt sich da ganz schnell voll Wasser. Aber auch dafür haben wir Lösungen entwickelt, die dazu geführt haben, dass der America‘s Cup in einer Detailtiefe verfolgt werden kann, die es zuvor noch nicht gab. Wir haben den Sport erklärbar gemacht und zu den Menschen gebracht.

Beim SailGP hat Riedel Communications eine Race Control ähnlich zur Formel 1 aufgebaut.
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Das jüngste Beispiel ist der SailGP, also quasi die Formel 1 als Wassersport. Hier sind die Coaches der Teams bislang auf 500-PS-Schnellbooten neben den Segelbooten hergefahren. Das wollten die Veranstalter nicht mehr, schon wegen der Nachhaltigkeit. Und es hatte ja auch für die Coaches Nachteile: Auf dem Wasser sieht man den Rennverlauf nicht. Also haben wir beim Rennen in Los Angeles im Juli als Test für das deutsche und amerikanische Team an Land eine Station aufgebaut, in der die Bilder aus dem Helikopter und von den Onboard-Kameras zusammenlaufen. Das System ermöglicht es, hin- und herzuspringen, vor- und zurückzuspulen, im Dialog mit dem Boot zu sein. Die Coaches kamen im Anschluss auf uns zu und sagten: ‚This is a gamechanger!‘ Nun bauen wir für die nächsten Rennen in Europa im September und Oktober solche Stationen für alle zehn Teams auf, ähnlich wie die Pitlane in der Formel 1. Das hat den Nebeneffekt, dass sich auch die Live-Berichterstattung ändert, weil die Kameras auf einmal die Emotionen der Coaches einfangen können. Dieses Beispiel zeigt, dass Technologie die Dramaturgie eines Sports ändern kann. 

Das deutsche Team um Skipper Erik Heil muss in seiner ersten Saison im SailGP manchmal noch Lehrgeld zahlen.
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SailGP, Ricardo Pinto

Relevanz motiviert und zahlt sich aus

Auf diese Weise formatrelevant zu sein, ist etwas, das uns motiviert. Erstens macht die Arbeit dann viel mehr Spaß, zweitens lässt sich auch anders Geld verdienen, wenn man wichtig und relevant ist. Inzwischen kommen die großen Organisationen und Player zu uns, wenn sie ein Problem mit drahtloser Datenübertragung haben. Das treibt mich auch nach 36 Jahren noch immer an. Im Falle des SailGP sogar so sehr, dass ich erstmals die Seiten gewechselt habe. Ich bin gemeinsam mit ein paar Co-Investoren Besitzer des neuen deutschen SailGP-Teams. Mit dabei ist auch Sebastian Vettel, vierfacher Formel-1-Weltmeister. Er war von Anfang an begeistert von dem Sport und dem Nachhaltigkeitsgedanken dahinter und sitzt mit in jedem Meeting. Und bei den Rennen tauscht er sich auf Top-Niveau mit den Datenanalysten aus.

SailGP-CEO Russell Coutts, Skipper Erik Heil, Sebastian Vettel und Thomas Riedel (v. l.) bei der Vorstellung des deutschen Teams.
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SailGP, Norbert Schmidt

Jetzt kann ich nicht nur von außen, sondern auch von innen die Serie optimieren und technische Ideen einbringen. Klar, da heißt es für den Privatmann Thomas Riedel wieder, die Spielregeln einzuhalten – wie damals bei der Formel 1. Das ist für mich eine Frage der Moral, des Sportsgeistes. Beim Wettbewerb auf dem Wasser will ich mit dem deutschen Team gewinnen. Aber beim Weiterentwickeln des Sports hinter den Kulissen bringen wir uns als Riedel im Interesse aller ein. Und damit sind die anderen Teams auch einverstanden.

SailGP

SailGP ist eine internationale Segelrennserie mit Hochleistungs-F50-Katamaranen, die Geschwindigkeiten von bis zu 50 Knoten (ca. 93 km/h) erreichen können. Die Serie wurde erstmals 2019 ins Leben gerufen und bietet spannende Wettkämpfe in einigen der schönsten Häfen der Welt. Die teilnehmenden Teams repräsentieren verschiedene Länder, darunter die USA, Australien, Großbritannien, Neuseeland, Frankreich und seit 2023 auch Deutschland. Die Rennen des SailGP sind kurz, intensiv und bieten spektakuläre Action, da die Katamarane mit ihren Foils über das Wasser fliegen.

„Next Big Thing“ im Sportfernsehen

Als Gesellschafter von Sportdeutschland.TV liegt mir viel daran, Sportarten zu helfen, die sich abseits des großen Medieninteresses bewegen. Was das ändern kann, ist ein gewisser Entertainment-Faktor. Auch hier kann Technik helfen, dem Publikum die Faszination des Sports näherzubringen, sei es durch digitale Bälle oder Sensorik in Schlägern. Und das ist auch wieder für die Sportler*innen interessant. Per App könnte man Flugkurven oder Schlagwinkel kontrollieren und trainieren. Über die Start-up-Plattform leAD fördern wir da einige spannende Projekte.

Wir arbeiten auch an einer Kamera, die so klein ist, dass sie an die Kommunikationssysteme der Fußballschiedsrichter*innen angeflanscht werden kann. So könnte man Livebilder aus dem Blickwinkel der Schiris sehen und sie entlasten, falls sie keinen Einblick in eine Situation hatten. 

Sportjahr 2024

Im kommenden Jahr freue mich sehr auf die Olympischen Spiele in Paris. Da werden wir auf allen Venues sein und selbst eine Kommunikations-Sportbusiness-Lounge betreiben, in der wir Menschen zu den Themen Sport und Technologie zusammenbringen möchten. Direkt im Anschluss findet der America‘s Cup in Barcelona statt und unsere zweite Saison mit dem deutschen SailGP-Boot startet. Und dann natürlich die Fußball-EM in Deutschland sowie die ganzen laufenden Projekte wie Formel 1, Bundesliga, NFL, MLB, PGA usw. Da ist schon ein ordentliches Programm. Plus Projekte, die sich kurzfristig ergeben. Für uns wird das Jahr wieder Adrenalin am Stück.

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