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Jonathan Chng/pexels
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Sportbusiness/17.08.2023

Wie Sport und Emotion zusammenhängen

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Jahrelange Vorfreude, Athlet*innen, Brands und Zuschauer*innen, die gemeinsam mitfiebern, geteilte Freude und geteiltes Leid über Siege und Niederlagen – kaum ein anderes Megaevent zeigt so deutlich, dass Spitzensport und Emotion extrem eng verknüpft sind. Wir haben uns angeschaut, warum die Olympischen Spiele 2024 diese Gefühle in uns hervorrufen, wie die Wettkämpfe nachhaltiger werden und wie Brands die Emotionen in ihre Kommunikation einfließen lassen können.

Alles fängt bei der Bewegung an 

„movēre”, die Bewegung, das, was uns bewegt, uns handeln lässt, uns fühlen lässt, ist die Wurzel des (Hochleistungs-) Sports. Ganz gleich, ob es um Board-, Extrem-, Action- oder Outdoorsport geht – es kommt immer aufs Gleiche an: sich bereit zu fühlen für den Wettkampf, Ehrgeiz zu entwickeln und sicher mit der Ausrüstung umgehen zu können. Boardsportarten und Outdoorsport sind nur möglich, weil die klimatischen Bedingungen und das „Spielfeld” vorhanden sind – und diese sind meistens frei und kostenlos zugänglich. Sportler*innen gehen eine Wechselbeziehung mit ihrer Umgebung ein. Bei Outdoor-Sportarten ist die Natur ein entscheidendes Element der Emotion, das unser Durchhaltevermögen verlängert und dafür sorgt, dass der Augenblick stillsteht. Wie können diese Erkenntnisse für internationale Megaevents genutzt werden? Sind sie nachhaltiger möglich? Wie erschaffen Spitzensportler*innen durch ihre Ambitionen traumhafte Mikroabenteuer? Diese Fragen sollten sich Sponsor*innen und Veranstalter*innen stellen, um begehrenswert zu bleiben.

Offenere und inklusivere Olympische Spiele 

Obwohl der Gründungsmythos der Olympischen Spiele in Griechenland zum Leben erweckt wird, ist es Pierre de Coubertin, Gründer der modernen Olympischen Spiele, der die Vielfalt in den Vordergrund stellt. Inklusion und Olympia gehören zueinander, das zeigt schon das Symbol der fünf Ringe. Sie stehen für die Vereinigung der Kontinente, für Universalität, Inklusion und Kontinuität. 

Und einige Athlet*innen stellen tatsächlich die Konventionen der Sportwelt auf den Kopf. Clarisse Agbegnenou, Vize-Olympiasiegerin und vierfache Weltmeisterin im Judo, ist zum Beispiel der Meinung, dass Pilates für das Training nach einer Geburt unerlässlich ist, um den hohen Anforderungen des Sports wieder gerecht werden zu können. Außerdem wandte sie sich an den französischen Verband und erreichte, dass ihre Tochter beim Training und bei Wettkämpfen anwesend sein darf, da sie sie noch stillt. 

Seit den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gibt es ein Team speziell für geflüchtete Athlet*innen, die Stipendiaten des Internationalen Olympischen Komitees sind. Ob Radfahrer*innen, Schwimmer*innen, Läufer*innen oder Boxer*innen – sie werden das ganze Jahr über von der Olympischen Stiftung beim Training und in administrativen Angelegenheiten betreut. Denn einige werden gerade eingebürgert. 

Diversität und Inklusion gehen Hand in Hand. Allmählich wird auch die LGBTQ+ Community mehr gehört und gesehen. In dem Film „Fragment choisis” („ausgewähltes Fragment”) von Alicia Cenci erzählt die Freeride-Ski-Weltmeisterin Elisabeth Gerritzen von ihren Emotionen, Ängsten und Defiziten, um mehr Sensibilität zu schaffen. Sie ist Botschafterin für Peak Performance und möchte auch über ihr öffentliches Coming-out hinaus weiterhin die Grenzen im Spitzensport verschieben und gegen patriarchalische Strukturen vorgehen. Alicia Cenci wurde als Regisseurin von Salomon™ und The North Face™ entdeckt und verschafft auch anderen Frauen und Minderheiten Gehör. Zum Beispiel in ihrem neusten Film Didi, in dem sie die Snowboard-Weltmeisterin Marion Haerty und ein zu 100 % weibliches Team von erfahrenen nepalesischen Bergführerinnen und Sherpas begleitet. Der einfühlsame Film zeigt, wie diese Frauen mit ihren Herzen und Füßen an den Berg gebunden sind. 

„Der Olympische Gedanke ist kein System, sondern eine Geisteshaltung. Diverse Elemente können in ihn einfließen, und es steht weder einer Gruppe von Menschen noch einer Epoche zu, das alleinige Monopol darauf zu beanspruchen.” – Baron Pierre de Coubertin

Olympische Spiele in nachhaltig? 

Abgesehen vom verbindenden Aspekt und den universellen und demokratischen Werten des Sports werden die Grenzen von Events wie Olympia immer deutlicher sichtbar. Die Olympischen Spiele und andere Sportwettkämpfe ihrer Dimension lösen immer wieder Konflikte und kontroverse Reaktionen aus, insbesondere in Bezug auf die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Events. 

Für einige ist die Legitimität dieser Wettkämpfe fragwürdig. So zum Beispiel für Marc Perelman, der in seinem Buch „2024 – Les Jeux Olympiques n'ont pas eu lieu” („2024 – Die Olympischen Spiele haben nicht stattgefunden”) den unerschütterlichen Geist von Olympia anprangert. Seiner Meinung nach geht es nur um Wachstum: mehr Lizenznehmer*innen, mehr Zuschauer*innen, mehr Geld. 

Um sich bestmöglich auf die Olympischen Sommerspiele 2024 vorzubereiten, haben das französische Sportministerium und die Olympischen und Paralympischen Spiele einen Leitfaden für verantwortungsbewussten Sport herausgegeben. Ziel ist es, alle Akteur*innen des Sports, von Sportler*innen bis zu den Zuschauer*innen, zu schützen und Lösungen für einen sparsamen Umgang mit Wasser und Energie zu fördern. Die Veranstalter*innen der Olympischen Spiele haben außerdem Informationen für nachhaltigen Sport herausgegeben. Die ADEME (Agentur für Umwelt und Energie), die auch einen Leitfaden zu verantwortungsvoller Kommunikation erarbeitet hat, hat die Aufgabe, Kommunikationsrichtlinien zur Vermeidung von Greenwashing und zur Förderung von Projekten im Bereich Biodiversität und Klima festzulegen – eine Ressource für Brands, die ihre Message anpassen müssen. Um dieses Umdenken zu unterstützen, bieten einige gemeinnützige Organisationen wie die Water Family Schulungen und Leitfäden an, die dabei helfen, Veranstaltungen besser und nachhaltiger zu organisieren. 

 

„Man muss bei einer Veranstaltung sieben Einflussbereiche berücksichtigen, die wir nach ihrem Impact priorisiert haben: Transport, Essen, Respekt für den natürlichen Standort, Abfall, Kommunikation und Werbeassets, Inklusion und Gleichberechtigung und interne sowie externe Sensibilisierung/Training.” – Louise Ropagnol, pädagogische Referentin für nachhaltige Entwicklung bei Water Family

Um einen eigenen Beitrag zu leisten, bietet Surfrider Europe Tools an, um Wissen zum Schutz der Ozeane zu vermitteln und dafür zu sensibilisieren. Außerdem leitet Surfrider Europe Lobbyarbeit bei der IMO (International Maritime Organization), um CO2-Emissionen zu reduzieren. Das Pendant für den Bergsport ist Protect our Winters, eine Initiative, die die Community unter dem Motto „Handeln fürs Klima” zusammenbringt.

Vom Champion zum Umweltbotschafter

Für manche Sportler*innen ist das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Team oder zu den Werten einer Marke genauso wichtig wie der Sieg. Denn beides verleiht ihrem Handeln Bedeutung. Wir sehen gerade eine Generation von Sportler*innen und Champions beim Segeln, Radfahren, Surfen oder Snowboarden, die ihren Sport aufgeben oder einen Sponsor verlassen, mit dem sie lange zusammengearbeitet haben. 

Das ist zum Beispiel der Fall bei Stan Thuret, der im Februar 2023 aus Klimaschutzgründen seinen Rücktritt aus dem Hochseesegeln bekannt gab. Klimaschutz und der Schutz der Artenvielfalt sei mit den Wettkämpfen und dem Lifestyle des Hochseesegelns nicht vereinbar. Oder bei Xavier Thévenard, einem Ultra-Trail-Champion, der nicht mehr zu Wettkämpfen am anderen Ende der Welt fliegen will. Oder auch Mathieu Crépel, der nach fast 30 Jahren seinen allerersten Sponsor verlässt und sich Oxbow™ anschließt, die mit dem Ökodesign ihrer Kollektionen besser zu seinen Werten passen.

„Es steht außer Frage, dass der Hochleistungssport und die globalen Veranstaltungen heute darüber nachdenken müssen, wie sie sich in eine grundlegende Neugestaltung ihres Organisationssystems einfügen können. Wir wissen um die negativen ökologischen Auswirkungen dieser wichtigen Ereignisse, aber wir wissen auch um ihren positiven Impact, auf emotionaler oder sozialer Ebene.” – Mathieu Crépel, Snowboard-Weltmeister, Oxbow-Markenbotschafter und Sportkommentator für die Olympischen Spiele in Frankreich. 

In seinem neuesten Film klettert Mathieu Crépel an der Seite des Regisseurs Walid Berrissoul und der Bergführer Mathieu Millet und Patrice De Bellefon die Nordseite des höchsten Gipfels der französischen Pyrenäen, des Vignemale, hinauf. Die Emotionen aller Teilnehmer über die Besteigung dieses immer weiter zurückgehenden Pyrenäengletschers sind greifbar – und das ist es, was das Ziel, den Berg zu besteigen, erst bedeutend macht. Sie möchten auf den Gletscherschwund aufmerksam machen und neue Wege für den Schutz dieser unglaublichen Orte finden. 

Warum Angst im Sport gut ist

Neurobiolog*innen sind sich einig, dass bei sportlichen Leistungen, Entscheidungsfindung und Stressbewältigung bei Sportler*innen neurologische Prozesse und emotionale Reaktionen zusammenwirken. In einem Reptiliengehirn hält das, was Angst macht, am Leben, und das, was bewegt, die Freude aufrecht. In „Free Rider”, einem Film von Jérôme Tanon, der beim internationalen Freeride-Festival in Capvern Les Bains ausgezeichnet wurde, sagt Victor Delerue, zweifacher Freeride-Weltmeister im Snowboarden, kurz vor einer beeindruckenden Abfahrt: „An sich ist es nicht sehr steil, es ist nur beängstigend”, und fährt dann los wie ein Kind, das zum ersten Mal Pulverschnee entdeckt. 

Angst ist eine Emotion, die von Psychoanalytiker*innen und Mentaltrainern*innen bei Langstrecken-Segelrennen wie der Route du Rhum oder der Vendée Globe besonders genau untersucht wird. Denn während Angst im Alltag Handlungen stoppen und Leben retten kann, warnt sie bei Einzelrennen vor einem Notfall und verhindert Unfälle und Pannen. Daher braucht sie im Gehirn eine andere Programmierung. 

Maugan Péniguel und Nathan Vitu sagen, wie ihre Umwelt beschädigt wurde, und entschieden sich dann dafür, eine Marke basierend auf diesen Werten aufzubauen. In Annecy brachten sie die Marke Nosc™ auf den Markt, die geprüfte, recycelte und biobasierte Materialien nutzt. In ihrem Film „1,5 Grad” inszeniert die Brand die Übergabe der Flagge zwischen Athlet*innen verschiedener Disziplinen, um auf das Pariser Abkommen und das 1,5-Grad-Ziel aufmerksam zu machen.

Daten, Daten, Daten

Die Verbindung zwischen Neurowissenschaft und Emotionen im Sport ist ein dynamisches Forschungsgebiet. Sie bietet einen tiefen Einblick in die Art und Weise, wie das Gehirn die Emotionen von Sportler*innen beeinflusst und wie diese Emotionen sich wiederum auf die sportliche Leistung auswirken. Ob Energie- und Stressmanagement oder schnelle und effiziente Entscheidungsfindung in der Erholung – Emotionen können wie ein Katalysator wirken, um die geistige und körperliche Energie freizusetzen, die Sportler*innen benötigen, um Höchstleistungen abzurufen. Andererseits kann die Anwendung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse Sportler*innen und Trainer*innen dabei helfen, ihre Vorbereitung zu optimieren und die Performance bei Wettkämpfen zu verbessern. 

Zur Optimierung der sportlichen Leistung mithilfe von Daten veröffentlichen Aurélie Jean und Yannick Nyanga im September das Buch: „Data et sport: La révolution” („Daten und Sport: die Revolution). In ihren Augen verändern Datenanalyse und Hightech die Sportwelt radikal und ermöglichen es Athlet*innen und Teams, ihre Leistungen auf drastische Weise zu verbessern.

Vorfreude auf Olympia 2024 in Paris

Zurück zu Pierre de Coubertins Motto „Faster - Higher - Stronger” – die Verbindung zwischen Emotion und Bewegung ist im Spitzensport tief verwoben. Und für einige ist es an der Zeit, eine neue Beziehung zur Welt des Sports und ihren Veranstaltungen aufzubauen. Vom Surfen bis zum Snowboarden, vom Kanufahren bis zum Golfen – athletische Leistungen auf höchstem Niveau werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Emotionen spielen dabei eine wesentliche Rolle, denn Spitzensportler*innen müssen mit starkem Druck, hohen Erwartungen, hartem Wettbewerb, Siegen und Niederlagen sowie den damit verbundenen emotionalen Höhen und Tiefen zurechtkommen.

Während die Welt auf die Olympischen Spiele in Paris 2024 wartet, gibt es in Frankreich Festivals, die Filme und Dokumentationen über Outdoor-Sportarten und die Welt der Freerider zeigen: das high five festival in Annecy, das IFOF (International festival of outdoor film) und die EOFT (European outdoor film tour) oder auch das Festival de film et du livre d'aventure (Festival für Abenteuerfilme und -bücher) in La Rochelle. 

Ob man nun glaubt, dass es in der Gruppe langsamer vorangeht oder dass auch Einzelsportarten im Team gewonnen werden, eines ist sicher: Im Vordergrund steht immer, etwas zu erschaffen und sich selbst zu übertreffen. 

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