Textrends // 16.11.2023

Gute Chemie: Wie nachhaltigere Fasern PFAS ablösen

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Greendeal, Vorschlag zum Verbot von PFAS und PFCs, Push hin zu kreislauffähigen Materialien und mehr Nachhaltigkeit: Damit die Chemie wieder stimmt, wird fleißig an Innovationen gefeilt. Schädliche Materialien in der Outdoorbranche sollen so schnell wie möglich ersetzt werden. Der folgende Überblick zeigt, welche Entwicklungen die Faserforschung bei Performance-Bekleidung hin zu mehr Nachhaltigkeit hervorbringt.

PFCs oder PFAS, also per- oder polyfluorierte Alkylsubstanzen, galten lange Zeit dank ihrer herausragenden wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften als Perfect Match für die Outdoorbekleidung: Bei DWRs (Durable Water Repellency), also beschichteter Imprägnierung, aber auch bei der Herstellung von Membranen, wie sie in wasserdichter Bekleidung gern eingesetzt sind. Das Problem: Diese „forever chemicals“ werden bei gängigen Prozessen in der Natur nicht zersetzt. Stattdessen lagern sie sich an, sogar in immer größeren Mengen. Und zwar überall: Im Polareis, in Nahrungsmitteln und auch im menschlichen Blut wurden die Chemikalien nachgewiesen. Ebenso ist ihre gesundheitsschädigende Wirkung bekannt. Auf europäischer Ebene wurde mit einem Vorschlag zum Verbot von PFAS politisch reagiert und damit eine aktivere Lösungssuche in der Industrie angestoßen. „Gerade bei Verbraucherprodukten wie Textilien oder Verpackungen gibt es längst Ersatz und ein Verbot ist hier überfällig. Für spezielle Anwendungen müssen gute Alternativen erst entwickelt werden – dafür räumt der Vorschlag aus meiner Sicht jedoch genügend Zeit ein“, so Prof. Dr. Henner Hollert, Professor für Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Obwohl bereits seit einer Weile daran gearbeitet wird, gestaltet sich der PFAS-Ausstieg für Marken im Outdoor-Bereich komplex, was mit den Performance-Ansprüchen an die Produkte zusammenhängt. Funktionalität und Zweckmäßigkeit werden mit den Umweltauswirkungen abgewogen. Vorreiter wie Vaude und Fjallräven setzen bereits rund ein Jahrzehnt auf PFAS-freie Imprägnierung und Membranen und rüsteten freiwillig nach und nach ihre Kollektionen um. Doch die Suche nach Alternativen war nicht leicht. Vor allem bei Komponenten wie Reißverschlüssen wurde es komplizierter als erwartet, denn auf dem Markt gab es keine Alternativen, die wasserdicht waren. 


Andere Produkt- und Komponenten-Hersteller ziehen nach, in Sachen Lösung ist man aber noch nicht am Ziel. Laut einer Globetrotter-Studie gehen die meisten der befragten Marken aber mittlerweile davon aus, PFAS bis 2027 aus ihren Produkten verbannt zu haben.

Nachhaltigere Alternativen von biobasiert bis recycelt

Bei der Verwendung nachhaltigerer Alternativen gibt es verschiedene Herangehensweisen. In der Herstellung ihrer Bekleidung verwenden immer mehr Marken PFC-freie Alternativen – wie die Materialien und Membranen von Polartec oder Sympatex. Dabei wird teils auch auf die Verwendung von recyceltem Polyester oder Polyamid und von dünnerem Material gesetzt, wodurch wiederum der CO₂-Ausstoß verringert wird. Membranen wie Futurelight oder Dermizax gehen ebenfalls diesen Weg.

Ein weiterer Entwicklungsansatz geht in Richtung biobasierter Materialien. Hierzu zählt zum Beispiel Biolon, ein pflanzenbasierter Nylon-Stoff, der von Polartec ab 2023 sukzessive in Stoffen und Membranen erdölbasierte Produkte ersetzen soll. Auch Modern Meadow setzt bei der Herstellung seiner wasserdichten und atmungsaktiven Membran-Technologie Bio-Tex Shield auf Biomasse. Weil das Material besonders abriebfest ist, kann bei zweilagiger Verwendung im Vergleich zu einer dreilagigen Konstruktion zusätzlich Material gespart und somit der CO₂-Fußabdruck verringert werden. Vaude und UPM machen gemeinsame Sache bei der Herstellung von aus Biomasse gewonnener Oberbekleidung. In der weltweit ersten Bioraffinerie, die Ende 2023 ihren Betrieb aufnehmen soll, sollen in Zukunft auch Stoffe zur Membranherstellung produziert werden können.

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Neue Gore-Tex ePE-Membran

Und auch Gore-Tex, das vielfach synonym zu wasserdichter Bekleidung verwendet wird, hat eine neue, nachhaltigere ePE-Membran herausgebracht. Sie kann im Vergleich zu früheren Produkten dünner hergestellt werden, braucht deshalb weniger Material und spart somit Kohlendioxid in der Herstellung. Mit Markenpartnern wie etwa Patagonia wurde seit rund zehn Jahren daran gearbeitet und bei der Verarbeitung ebenfalls recyceltes Polyester eingesetzt. 

Die expandierte Polyethylen (ePE)-Materialplattform wird ähnlich wie PTFE (Polytetrafluorethylen)-Membranen hergestellt, für die Gore bekannt ist. Sie kommt aber bei Membran und Imprägnierung ohne PFAS aus. „Das Großartige daran ist, dass sie genauso leistungsfähig ist“, so Lara Wittmann, Global Strategic Marketer bei W.L. Gore & Associates. Die Entwicklung geht aber schon weiter und in zwei Jahren soll laut Wittmann eine nachhaltigere Variante der Gore-Tex Pro Membran, also dem leistungsfähigsten Produkt der Ingredient-Brand, folgen.

End-of-Life: Sondermüll oder recyclingfähig?

Natürlich ist der Schritt hin zu PFAS-freien Materialien ein guter und richtiger. Mittel- bis langfristig ist aber ebenso wichtig, dass sich eine Jacke am Ende ihres Lebens recyceln lässt. Die Verbindung von drei unterschiedlichen Materialien, wie etwa in einer Dreilagen-Jacke, macht das Recycling jedoch schwierig bis unmöglich. Statt Weiter- oder Wiederverwertung bedeutet das oft: Ab in den Müll!

Umso besser, dass Marken wie zum Beispiel Jack Wolfskin oder Mammut dabei sind, Mono-Materialien für Membran sowie Ober- und Unterlage einzusetzen und damit wasserdichte Bekleidung recyclingfähig zu machen. Hier kommen 2024 verschiedene Kollektionen, etwa aus 100 Prozent Polyester, auf den Markt, die sowohl aus recyceltem Material bestehen, als auch wieder recycelbar sind.

Pflege & Verwendungszweck: Verbraucherwissen zählt

Wäre es jetzt für uns als Verbraucher*innen das Beste, direkt auf eine neue, nachhaltigere Membran umzusteigen, also eine neue wasserdichte Jacke zu kaufen? Experten sagen ganz klar nein. Denn die schädliche Freisetzung von PFAS ist vor allem während der Produktion und Entsorgung ein Thema. Das nachhaltigste Produkt ist also nach wie vor das, was man schon hat. Es verursacht weder neu freigesetztes CO₂ in der Produktion noch andere schädlichen Aufwände. 

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Deshalb ist es auch sinnvoll, sich mit der richtigen Pflege auseinanderzusetzen oder die Produkte zu reparieren, damit sie so lange wie möglich getragen werden können. Bei Gore-Tex Produkten bedeutet das zum Beispiel, dass sie regelmäßig gewaschen und die Membran gereinigt werden muss, um funktionsfähig zu bleiben. Nach dem Waschen und Trocknen sollte das Kleidungsstück erneut wärmebehandelt werden, entweder im Wäschetrockner oder durch Bügeln mit zwischen gelegtem Handtuch, damit die dauerhaft wasserabweisenden Eigenschaften der Membran reaktiviert werden.

Zugleich spielt aber auch der Einsatzzweck der Bekleidung eine wichtige Rolle, die wir alle kritisch überdenken sollten, wenn wir Neues brauchen. Muss die Membran tatsächlich auch ölabweisend sein? Legen wir die Dreilagen-Jacke nur an, um den Hund auszuführen oder den nächsten Viertausender zu erklimmen? Entsprechend sollte entschieden werden, ob es nun keine Alternative zur PTFE-Performance Membran gibt, oder ob vielleicht auch eine natürliche oder zumindest nachhaltigere Variante die gewünschte Leistung bietet und beim Gassigehen trocken hält.

Vorschlag PFAS-Verbot in der EU

Die Europäische Chemikalien-Agentur (ECHA) hat im Februar 2023 einen Vorschlag für das Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens (einschließlich der Einfuhr) von mindestens 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) veröffentlicht. Ausgearbeitet wurde der Vorschlag gemeinsam von Behörden aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden. 2025 kann voraussichtlich mit einer Entscheidung der Europäischen Kommission über diesen Vorschlag gerechnet werden. Sollte der PFAS-Beschränkungsvorschlag angenommen werden, wäre dies eines der umfangreichsten Verbote chemischer Stoffe seit Inkrafttreten der REACH-Verordnung 2007. In vielen Fällen sind bereits Alternativen verfügbar. Allerdings bedeutet ein Verbot dann auch, dass Alternativen für solche Fälle gefunden werden müssen, wo bislang noch keine Lösungen bestehen oder diese nicht attraktiv genug sind. Durch das vorgeschlagene Verbot von PFAS würde eine Freisetzung in die Umwelt stark reduziert und Produkte und Prozesse für den Menschen sicherer werden. Laut einer vorgeschlagenen Beschränkung gibt es für Unternehmen je nach Anwendung Übergangsfristen von eineinhalb bis dreizehneinhalb Jahren.

Autor:
Martina Wengenmeir