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Auswirkungen des Klimawandels: Alpengletscher-Webinar für jedermann

  • Eva Doll
  • 19. April 2021
Credits Titelbild: Bernd Ritschel

Ritschel über die Faszination der Gletscher und ihr Sterben

Bernd Ritschel ist passionierter Bergsteiger und erfolgreicher Fotograf. Seine besondere Leidenschaft: Alpengletscher. Über ihre einmalige Schönheit und ihr rasantes Schmelzen berichtet Ritschel im Rab und Lowe Alpine-Webinar.


Seit über 40 Jahren ist Bernd Ritschel in den Bergen unterwegs. Allein in den letzten vier Jahren besuchte der Outdoorfotograf 42 Gletscher in Europa. Für seine Hommage an die Schönheit der weißen Berge - das Buch „Alpengletscher. Was ihn beunruhigt: Ihr dramatischer Rückgang.

Bernd Ritschel möchte mit seinen Bildern auch die alarmierende Realität in den Bergen aufzeigen.

Um von seiner intensiven Zeit in den Bergen zu erzählen, hat das klimaneutrale Unternehmen Equip mit den Marken Rab und Lowe Alpine Bernd Ritschel zum Facebook-Diavortrag: „Alpengletscher“ geladen. Gemeinsam wollen sie so für das rapide Schrumpfen der Gletscher als Folge der Klimaerwärmung sensibilisieren – und zum konkreten Handeln anregen. ISPO.com hat Ritschels Bericht gelauscht:

Zwischen Faszination und Frustration

Als Ritschel 2017 die Pasterze (größter Gletscher Österreichs) am Großglockner erreicht, herrscht apokalyptische Stimmung – ein wolkenverhangener, farbloser Tag. Dazu der Schock: „Der Gletscher hatte seit meinem letzten Besuch so viel an Größe verloren. Es war komplett verrückt. In den vergangenen 30 Jahren hatte er geschätzte 150m Dicke verloren und seit dem Gletscherhöchststand von 1850 war er nunmehr um die Hälfte geschrumpft – auf 15qm. Ein deprimierender Moment…“

Der ehemals rund 200 m dicke Gletscher ist „nur noch ein dünner Lappen im Tal. Große Teile der Gletscherzunge sind nun Gletschersee.“

Tages darauf schlug das Wetter um: Ein sonniger Bergtag erwartete den Bergsteiger. Die Großglocknerregion gewann für Ritschel ihre alte Schönheit zurück. „Diese Reise war ein stetiges Auf- und Ab. Zwischen Frustration über das, was der Klimawandel anrichtet und der Faszination über das, was noch da ist oder neu entsteht.“ Wie der durch die Gletscherschmelze entstandene Gletschersee.

Schön und traurig zugleich: Gletscherseen als Folge der Klimaerwärmung.

Ähnlich erging es ihm am Vernagtgletscher in den Ötztaler Alpen. Ritschel hatte die Bilder von einem Besuch von vor 35 Jahre im Kopf.  „Als ich vor drei Jahren im Spätherbst wieder dort war, erstaunte mich, wieviel er an Masse verloren hatte. Geschätzte 30 Prozent von Volumen und Länge waren einfach weg.“

Durch den Rückgang vom Eis und dem abfließenden Schmelzwasser sei jedoch am Vernagtferner auch ein 300 Meter langer Eistunnel entstanden. Betretbar über das Gletschertor am Ende der Gletscherzunge. „Der Tag dort drin war echt irre. Das sind atemberaubende Farben, Formen und Strukturen, die man sonst nie sieht. Ich war ganz in meinem Element.“

Die Eishöhle des Vernagtferners: „Dort einzutauchen war ein unvergleichliches Naturerlebnis.“

Große Schmelzwassermassen formen gigantische Gletschertore

Beim Sommerbesuch des Gletschertors vom Gepatschferner bestätigte sich, was Ritschel bereits vorab vermutete: „das Tor war deutlich größer, da im Juli/August mehr Schmelzwasser abfließt. An Spitzentagen im Hochsommer bei Temperaturen um 35°C strömen dort Wassermassen von mehr als 10 Kubikmetern aus – pro Sekunde.“

Was auch aufgefallen sei: Die Gletscherzunge wirkte grau und dreckig. Es fließe einfach immer mehr Schutt, Geröll, und Stein mit ab. „Das war in meinen Erinnerungen auch anders“. Dennoch sei er total fokussiert auf Filmen und Fotografieren gewesen und es habe „einfach Spaß gemacht so intensiv in diese Berglandschaft einzutauchen.“

Ritschel schätzte das riesige Gletschertor des Fornigletscher auf 30-40 m Höhe und 60 m Breite.

Das größte Gletschertor auf der vierjährigen Reise sah Ritschel am Fornigletscher, in der Ortler Gruppe, Italien. „Dieses Tor war gigantisch. Wir sind staunend dagestanden…da wäre ein Flugzeug reingegangen.“

Ritschel schätzte das riesige Gletschertor des Fornigletscher auf 30-40 m Höhe und 60 m Breite.

Auch eine Tour zum Oberen Ischmeer in den Berner Alpen (Schweiz) hatte der Outdoorfotograf geplant. Das darunter liegende, mehrere Kilometer lange sogenannte Untere Eismeer gab es mal – es ist bereits „komplett weggeschmolzen“. Erst etwas unterhalb der Schreckhornhütte (2500m), Ritschels Nachtquartier, begann das Eis.

Null Grad Grenze: auf weit über 4000 Metern

„Gegen 24.00h bin ich noch für ein paar Bilder raus vor die Hütte: Es hatte +15 Grad auf 2.500m Höhe. Da wird einem klar, dass die 0 Grad Grenze in so einer Nacht auf 4500-5000 Meter liegt. Das ist für die Gletscher natürlich tödlich.“

Und noch etwas lasse Gletscher schwinden: Die Nährgebiete der Gletscher, die Firnzonen, werden immer kleiner. Kommt kein neues Eis, schmelzen sie unweigerlich ab.

Das Abschmelzen als Gefahr für Bergsteiger

„Die Veränderungen in den Alpen sind für Bergsteiger massiv.“ Sagt Ritschel. Der Rab- und Lowe Alpine Athlet erzählte von einer Gruppe Soldaten am Taschachferner (Ötztaler Alpen), die über den Gletscher auf ihn zukamen. Was sie nicht bemerkten: Die Eisbrücke, auf der sie liefen, habe nur noch eine Dicke von gefährlichen ca. 20 cm gehabt. „Für mich als Fotograf ist das dünne Eis mit dem besonderen Lichteinfall natürlich ebenso pure Schönheit.“ Fügt er an.

Der Gletscherrückgang hat Folgen für Bergwanderer: Diese hier bewegen sich auf gefährlich dünnem Eis.

Auch Ritschel musste sich bei jeder Gletscher Tour neu an die Gegebenheiten anpassen. Er ist froh, dass ihn gute Freunde begleiteten – und dankbar für die unglaubliche, gemeinsame Bergzeit.

„Alles wird bröseliger“

Ein weiteres Beispiel: „Dadurch, dass die Nächte nicht mehr abkühlen, wir das Überqueren der Gletscherspalten über die sogenannten Rücken deutlich gefährlicher.“ Der tauende Permafrost tue sein Übriges: denn damit schmilzt auch die Verbindung von Fels, Geröll und Sand. Immer häufiger käme es so zu großen Bergstürzen: Dann rutschen Tonnen von Gestein ins Tal. „Es kann auch passieren, dass dort, wo früher Eis war und man mit Steigeisen locker hochmarschierte, jetzt ein steilster Geröllhang zu Problem wird. Hüttenwirte versuchen das mit Seilen zu entschärfen. Damit die Bergsteiger noch zu ihnen rauf kommen.“ Berichtet der erfahrene Berggänger weiter. Ein Hüttenwirt in der Mont Blanc Region habe ihm gesagt: „die Saison ist so kurz geworden. Im Juli/August geht oft gar nix mehr. Da können keine Bergsteiger mehr kommen – es ist deutlich zu warm und es gibt viel zu viel Steinschlag.“

Höllentalgletscher: Wer zum Höllentalgletscher möchte, steigt über die Höllentalklamm auf.

„Die Dimension des Abschmelzens ist gerade an den kleinen Gletschern enorm“

Der Höllentalgletscher im Wettersteingebirge, ist der letzte echte deutsche Alpengletscher. Sonst gibt es nur noch „nicht genährtes Todeis“. Glaziologen sagen er habe noch eine Länge von 750 Metern. Mit seinem Rückgang apert immer mehr Müll aus. „Auch so ein Problem“, sagt Ritschel. Er und sein Begleiter fragten sich, wie es um die Dicke des Ferners steht. Zum Vermessen stiegen sie ab in die Gletscherspalten. „Fakt ist, dieser Höllentalferner ist in weiten Bereichen gerade noch 10-20 Meter dick. Ein Gletscher kann pro Sommer bis zu 2 Metern Dicke abschmelzen. Ein paar heiße Jahren und in den unteren, dünneren Bereichen bleibt vom Gletscher nicht mehr viel übrig.“

Bergleidenschaft verpflichtet auch zum Schutz der Natur

Der Schlussappell von Ritschel „Genießt jeden Tag auf den Gletschern – denn sie sind vergänglich.“ Sarah Kampf von Equip fügt hinzu: „Outdoorsport ist nicht nur eine Leidenschaft, sondern auch eine Verpflichtung: Zum Schutz und Achtung der Natur. Wir müssen alle gemeinsam und sofort handeln – und wir brauchen jeden einzelnen.“

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