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Immer dabei

Der Kissen-Kuschelbär

  • Birgit Lutz
  • 04. Oktober 2019

Nordpol, Antarktis oder Grönland-Durchquerung: Unsere Autorin nimmt zu jeder ihrer Expeditionen grundsätzlich 217 Gramm extraweiches Zusatzgewicht mit – so viel wiegt ihr Kuscheleisbär   


Penny ist jetzt zwölf Jahre alt. Für eine Eisbärin in freier Wildbahn wäre das ein prima Alter, sie hätte die gefährlichen jungen Jahre überlebt und würde stark und wild und frei durch die Weiten der Polarwelt ziehen. Penny ist aber eine Plüschbärin. Und als solche hat sie ganz unerwartet einen ziemlich harten Job bekommen. Penny kam zu mir, weil meine Mutter mir etwas schenken wollte, als ich für eine Recherchereise zum Nordpol fahren durfte. Was lag da näher als ein Eisbär? Und natürlich nahm ich Penny mit auf die Reise.

Sie flog mit mir nach Moskau und weiter nach Murmansk, ging mit mir auf den Eisbrecher, der uns bis zum nördlichsten Punkt der Welt bringen sollte. Unterwegs ließ ich sie aus dem Fenster schauen, liefen da draußen doch ihre Brüder und Schwestern herum, vielleicht. Tagsüber saß Penny also am Bullauge, nachts lag sie mit mir in meiner Koje. Die Zimmermädchen bauten mir irgendwann aus Handtüchern Eisberge aufs Bett und drapierten Penny obendrauf. Das war die Zeit, in der Penny nicht viel zu tun hatte und von jedem begeistert begrüßt wurde.

66 Mal ist Penny nun schon mit mir in die Arktis gereist, davon 15 Mal zum Nordpol 

66 Mal mit Penny in die Arktis

Am Nordpol aber verliebte ich mich in das Eis und das Licht und dieses gesamte Expeditionsleben, das sich mir dort eröffnete. Und ich begann, auch auf Skiern in die Arktis hinein zu marschieren, bis zum Nordpol. Und obwohl man auf solchen Touren jedes Gramm abzählt, habe ich immer 217 Gramm extra dabei. So viel wiegt Penny. Im Zelt änderte sich Pennys Aufgabenbeschreibung plötzlich von Kuschel- zu Kissenbärin. Ihr kleiner weicher Körper passt genau in meine Nackenkuhle; Penny macht Schlafen auf Eis kommoder. Sie ist somit von lustigem Luxus zur unverzichtbaren Teampartnerin geworden, die ich nie vergesse. Auf meiner Grönland-Durchquerung wurde Penny auch noch zur Tröstbärin, als ich auf den mittleren 200 von insgesamt 600 Kilometern jeden Abend in ihr flauschiges Fell weinte, weil der Weg einfach nicht enden wollte.

66 Mal ist Penny nun schon mit mir in die Arktis gereist, davon 15 Mal zum Nordpol. Anders als alle anderen Eisbären war Penny auch sieben Mal in der Antarktis, wo sie sämtlichen Pinguinen gehörigen Schrecken einjagte. Sie macht all das geduldig mit, lässt sich immer wieder in Koffer oder Schlitten pressen, und wenn sie herauskommt, ist sie so weich und fluffig wie eh und je.

Nur eines mag sie überhaupt nicht: dass sie manchmal auch ein paar Umdrehungen in der Waschmaschine absolvieren muss. Wenn ich sie dann auf die Leine hänge, bilde ich mir jedes Mal ein, dass sie mich mit einem so vorwurfsvollen Blick anschaut wie ihn sonst nur beleidigte Katzen fertigbringen. Bei der nächsten Tour ist sie trotzdem wieder mit dabei.